Bau läuft trotz offener Fragen wieder an

Letzte Woche haben sich die Sozialpartner gemeinsam mit der Regierung darauf geeinigt, dass am Bau trotz der Pandemie weitergearbeitet werden kann. Die Regelung lässt allerdings viele Fragen offen – und eine Berufsgruppe fürchtet, die Verantwortung bei Unfällen zugeschoben zu bekommen.

Konkret geht es um jene, die die Baukoordination einer Baustelle überhaben. Grundsätzlich ist dafür der Bauherr zuständig, insbesondere bei größeren Baustellen wird diese aber ausgelagert, meist an Ziviltechniker und -technikerinnen oder Architektinnen und Architekten.

Baustelle in Wien
APA/Herbert P. Oczeret

Verantwortung bei Baukoordinator

Denn für die neuen Regeln – etwa Einhaltung des Einmeterabstands, der Maskenpflicht und von hygienischen Verhältnisse auf der Baustelle (Stichwort: ständige Desinfektion von Gerät, Fahrzeugen, Unterkünften) – ist laut der sechsseitigen Übereinkunft letztlich der Baukkordinator oder die Baukoordinatorin zuständig. Sie müssen den vorgeschriebenen Sicherheitsplan entsprechend adaptieren – und vor allem die Einhaltung überwachen.

Kritik an unrealistischer Regelung

Gegenüber ORF.at verwiesen aber Architekten darauf, dass es völlig unrealistisch sei, dass diese Maßnahmen tatsächlich eingehalten werden. Umso mehr, als in der Regel aus Kostengründen mehrere Gewerke gleichzeitig ausgeführt werden. Das heißt: Es sind Mitarbeiter verschiedener Firmen gleichzeitig auf der Baustelle. All das, so die Befürchtung, wird die Unfallgefahr erhöhen – mit der Konsequenz, dass es bei Verletzungen zu Einlieferungen ins Spital kommt, also das Gesundheitssystem belastet wird.

Standesvertretung wurde nicht gefragt

Die Kammer der Ziviltechniker und Architekten – sie vertritt die KMU und Einpersonenunternehmen in der Branche – war in die Verhandlungen gar nicht eingebunden. Auch deren Sprecherin Christine Lohwasser verwies gegenüber ORF.at auf eine große Unsicherheit, die derzeit herrsche. Ein Betroffener habe bereits gefragt, was er nun tun müsse, wenn Arbeiter die Masken nicht tragen: das Arbeitsinspektorat rufen oder die Polizei? Oder den Bau einstellen?

Auch wenn viele Baustellen in den letzten beiden Wochen stillstanden – einen offiziellen Baustopp gab es nie. Denn wer einen solchen verfüge, müsse für die entstehenden Kosten zahlen, so Lohwasser. Es gebe natürlich auf allen Seiten ein großes Interesse, dass weitergebaut werden könne. ASFINAG, STRABAG und Porr kündigten bereits die Wiederaufnahme der Bauaktivitäten an.

Pönalen neu verhandeln

Aus Sicht der Ziviltechnikerkammer gibt es aber viele offene Fragen. Ende letzter Woche forderte die Kammer daher von Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne), in die Beratungen einbezogen zu werden. Die Ziviltechnikerkammer hält fest, dass die Weiterarbeit auf Baustellen unterstützt werde, wo dies „entsprechend sicher möglich ist“.

Die vereinbarten Maßnahmen seien jedoch nicht geeignet, klare und rechtssichere Verhältnisse zu schaffen. „Diese Maßnahmen können nur bei extrem guter Vorbereitung, Planung, Schulung und Kontrollen mit
einem akzeptablen Risiko durchgeführt werden.“ Zudem müssten im Regelfall Termine, Pönalen und Mehrkosten neu verhandelt werden.