Ein Mann mit Schutzmaske geht an Überwachungskameras vorbei
Reuters/Aly Song
Russland

Mit Überwachung gegen das Coronavirus

Russland will mit Überwachung der Coronavirus-Verbreitung Einhalt gebieten. Für Moskau sei das nun eine Gelegenheit, die Überwachungstechniken im großen Maßstab auszuprobieren, so der US-Nachrichtensender CNN. Erst letztes Jahr hat Russland sein eigenes russisches Internet präsentiert, das sich von Informationen vom Rest der Welt einfach abschotten lässt.

Die Pandemie bietet den russischen Behörden nun die Möglichkeit, neue Befugnisse und Technologien zu testen. Befürchtet wird nun, dass die Regierung die derzeitige Situation ausnützt, um umfassende neue Überwachungskapazitäten aufzubauen und diese auch nach der Coronavirus-Krise weiterzuverwenden. Die Krise diene als riesiger Livetest für die staatliche Überwachung, so Kritiker und Kritikerinnen.

Am bekanntesten ist bereits das Gesichtserkennungssystem etwa in Moskau. Insgesamt sollen dort bereits rund 170.000 Kameras im öffentlichen Raum sein, wie CNN schrieb. Vor der Coronavirus-Krise eingeführt, wurde das Gesichtserkennungssystem allerdings von Menschenrechtsexperten schwer kritisiert und Klagen bei Gericht eingebracht, so CNN. Die jetzige Krise habe aber dem Überwachungssystem einen unerwarteten PR-Vorteil und hohe Akzeptanz in der Bevölkerung verschafft, heißt es in dem CNN-Bericht weiter.

Leerer Roter Platz in Moskau
APA/AFP/Dimitar Dilkoff
Der sonst so belebte Rote Platz in Moskau ist leergefegt

Einträge in Sozialen Netzwerken werden analysiert

So behauptete die Moskauer Polizei, bereits letzte Woche mehr als 200 Personen, die die Coronavirus-Vorschriften nicht einhielten, per Gesichtserkennung identifiziert und abgestraft zu haben. Russische Medien berichteten gar, dass einige der Personen weniger als eine halbe Minute im Blickwinkel der Kamera waren und erkannt wurden, berichtete CNN.

Der Moskauer Polizeichef Oleg Baranow sprach sich dafür aus, noch mehr Kameras zu installieren. Es sollte keine dunklen Ecken oder kleine Nebenstraßen mehr ohne Kameras geben, so Baranov. Man sei gerade dabei, 9.000 weitere Kameras zu installieren, so Baranow weiter.

Das russische Überwachungssystem analysiert auch Einträge in Sozialen Netzwerken, um auf Coronavirus-Fälle und Menschen, die mit diesen Personen in Kontakt waren, aufmerksam zu werden, zitierte CNN den Moskauer Bürgermeister Sergej Sobjanin. Premierminister Michael Mischustin beauftragte das russische Kommunikationsministerium, ein Trackingsystem für einzelne Personen auf Basis der Daten der Mobilfunkbetreiber auszurollen.

Der russische Präsident Wladimir Putin
APA/AFP/Alexey Druzhinin

Staat bekommt personenbezogene Daten

Das heißt, dass die Mobilfunkbetreiber die Daten nicht anonymisiert, sondern personenbezogen an den Staat weitergeben. Das System soll dazu dienen, SMS an Menschen zu schicken, die sich in der Nähe eines CoV-Trägers befinden. Auch die lokalen Behörden werden laut dem Arbeitsauftrag an das Ministerium miteinbezogen. Sie bekommen ebenfalls eine Nachricht und sollen dann die betroffene Person unter Quarantäne stellen, so laut CNN zumindest der Plan.

Derzeit stoßen diese Überwachungsmaßnahmen kaum auf Widerstand. Russische Menschenrechtler und Datenschützer warnen aber bereits jetzt davor, dass die Überwachungsmethoden nach der Coronavirus-Krise nicht zurückgenommen werden würden, sondern bleiben werden.

Härtere Strafen beschlossen

Russland beschloss am Dienstag härtere Strafen für Verstöße gegen Quarantänevorschriften und für die Verbreitung von Falschnachrichten. Das russische Parlament – die Staatsduma – stimmte einem ganzen Paket für ein härteres Vorgehen der Politik zu. So erhielt die Regierung von Premierminister Mischustin auch Vollmachten für eine Verhängung des Ausnahmezustands.

Die Duma beschloss hohe Geld- und Haftstrafen auch wegen fahrlässiger Infektion von Mitmenschen. Je nach Schwere des Vergehens, wenn eine Infektion etwa zum Tod von Menschen führt, sind Strafen bis zu sieben Jahre Haft möglich. Außerdem sind Geldstrafen von bis zu zwei Millionen Rubel (22.800 Euro) bei Verstößen gegen die Quarantäne vorgesehen. Bei einer Verbreitung folgenreicher Falschnachrichten etwa in den Medien können bis zu fünf Millionen Rubel Strafe verhängt werden, im Wiederholungsfall das Doppelte.

Moskau als Vorbild

Zuvor hatte Kreml-Chef Wladimir Putin eine rigorose Bestrafung von Verstößen gegen die Auflagen von Behörden gefordert. Er warnte vor „krimineller Achtlosigkeit“. Zugleich hatte er die Entscheidung der Hauptstadt Moskau begrüßt, eine Ausgangssperre für alle Bürger zu verhängen.

In der Hauptstadt Moskau und im Umland gelten seit Montag Ausgangssperren. Ausnahmen gibt es nur für den Weg zur Arbeit, zum Supermarkt und zur Apotheke. Erlaubt sind außerdem der Gang zum Müllcontainer und Gassigehen mit dem Hund im Umkreis von 100 Metern um die Wohnung.

Eine Woche arbeitsfrei

Putin hatte diese Woche landesweit als arbeitsfrei erklärt, um die Zahl der Infektionen nicht weiter rasant steigen zu lassen. Auf Anordnung von Putin sollen auch große Teile der russischen Geschäftswelt ruhen. Die Löhne sollen aber weiter gezahlt werden. Supermärkte, Apotheken und Krankenhäuser bleiben geöffnet. Die Bevölkerung sollte jetzt „Disziplin und Verantwortung“ zeigen und zu Hause bleiben, hatte Putin an die Bevölkerung appelliert.

Viele Russen nutzen offenbar den Zwangsurlaub für eine Reise. Der Gouverneur der am Schwarzen Meer liegenden Region Krasnodar, Weniamin Kondratjew, schrieb auf Instagram: „Wir haben gesehen, dass die Hotelreservierungen buchstäblich am Tag nach der Anordnung des Präsidenten stark gestiegen sind, besonders in Sotschi.“ Viele zweifeln deshalb, ob die arbeitsfreie Woche ein geeignetes Mittel gegen die hochansteckende Lungenkrankheit ist.

Russland schloss am Montag seine Grenzen komplett. Die Regierung ordnete an, dass der Verkehr an allen Grenzübergängen auf Straßen, Bahnverbindungen, Häfen und Fußgängerübergängen „vorübergehend beschränkt“ würden. Teile der Grenze sind bereits seit Längerem geschlossen, etwa nach China. Flug- und Zugsverbindungen ins Ausland sind schon seit Tagen nicht mehr möglich.