Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP)
ORF
„Coronavirus-Semester“

Faßmann verspricht Schülern „Abschluss“

ÖVP-Bildungsminister Heinz Faßmann will sich noch nicht festlegen, wann die Schulen und Universitäten wieder ihren Betrieb aufnehmen können. Diese „finale Frage“ könne er derzeit nicht beantworten, so Faßmann. Er verwies am Dienstag darauf, stufenweise denken zu wollen. „Realistisch gesehen“ werde im April aber kein Schulunterricht stattfinden können. Das „Coronavirus-Semester“ sei kein „normales Semester“.

Er habe aber Interesse an einer „schrittweisen Rückkehr zur Realität“, so Faßmann. Das betreffe Maturanten und Maturantinnen sowie Schüler und Schülerinnen am Ende der Pflichtschulzeit. „Alle können und werden ihren Abschluss machen“, so Faßmann. Ob der zuletzt angepeilte Maturatermin mit Start 19. Mai hält, wollte Faßmann nicht versprechen. Eine Entscheidung über den Termin für die Matura solle es erst nach Ostern geben, so der Bildungsminister.

Vorerst eine Absage erteilte er Forderungen nach einem Verzicht auf die Reifeprüfung bzw. einer autonomen Abhaltung durch die Schulen selbst. Bis Ende April müssten Lehrer Arbeitspakete zusammenstellen und übermitteln – die Entscheidung, ob darin neuer Stoff oder nur Beispiele zur Vertiefung enthalten sind, soll schulautonom getroffen werden, so Faßmann. Konkret werde das auch je nach Fach unterschiedlich sein.

Keine Elternbeiträge für Horte, Fonds für Absagen

Sowohl Eltern als auch Lehrerinnen und Lehrer bat Faßmann um Zurückhaltung: „Die Corona-Krise ist nicht die Zeit, schulischen Leistungsdruck zu Hause zu entfalten.“ Umgekehrt sei ein geregelter Alltag mit Zeitstruktur und Aufgaben ein wesentlicher Faktor, die Situation bewältigen zu können. Schülerinnen und Schüler aus „schwächerem sozioökonomischem Umfeld“ sollen nicht vergessen werden, so Faßmann. Eine Form der aufsuchenden Sozialarbeit sei wichtig.

Pressekonferenz von Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) mit Journalisten im Vordergrund
APA/Helmut Fohringer
Die Pressekonferenz unterlag – wie alle entsprechenden Termine – besonderen Regeln

An den Bundesschulen (AHS, BMHS) werden jedenfalls keine Kosten für Horte und Ähnliches mehr anfallen, wenn diese Angebote nicht wahrgenommen werden. Länder und Gemeinden empfahl Faßmann die gleiche Vorgangsweise. Zudem wird ein Härtefallfonds mit fast 13 Millionen dotiert, der für die Stornierung von Veranstaltungen wie Skikursen und Sprachreisen verwendet werden soll.

Das Ministerium will auch Geld in die Hand nehmen, um Schülerinnen und Schülern Endgeräte zum Lernen zur Verfügung zu stellen, die sich eine Anschaffung nicht leisten können. Man führe derzeit Gespräche mit Institutionen, die gebrauchte Geräte weitergeben können. 900 Schulpsychologen seien rekrutiert worden, die vor allem jene Schüler und Schülerinnen kontaktieren sollen, mit denen seit 16. März kein Kontakt mehr bestehe.

Der Kärntner Bildungsdirektor Robert Klinglmair sagte dazu, man merke in den Familien bereits Spannungen, vor allem jene Schülerinnen und Schüler, die zu „Risikogruppen“ gehören, weil sie zu Hause die elektronische Infrastruktur nicht haben oder von den Eltern nicht unterstützt werden können, müssten besonders beachtet werden – mehr dazu in kaernten.ORF.at.

„Neutrales Semester“ soll umgesetzt werden

Auch verwies Faßmann auf ein „neutrales Semester“, das er an Unis durchsetzen wolle. Er bemühe sich, eine Verständigung mit den Rektoren zu erreichen. Doch kündigte er gleichzeitig an, sich im Nationalrat um eine Verordnungsermächtigung zu bemühen, um diesen Vorschlag auch umsetzen zu können. Ein „neutrales Semester“ hätte vor allem die Auswirkung, dass Studierende nicht um Beihilfen umfallen und sich auch die Mindeststudiendauer indirekt um ein Semester erhöht.

Wie an den Schulen wird an den Unis bis Ende April voraussichtlich kein regulärer Betrieb stattfinden. Trotzdem sollen so weit als möglich Lehrveranstaltungen online abgehalten bzw. wissenschaftliche Arbeiten weiterhin betreut werden, damit Studierende nach Möglichkeit auch Studienleistungen erbringen können.

„Gute“ Zusammenarbeit Lehrer – Eltern

Eine Umfrage unter 500 zufällig ausgewählten Eltern zeige, dass 90 Prozent „verstehen“ könnten, dass der Unterricht derzeit ausgesetzt ist. Nur weniger als ein Prozent der Eltern habe Betreuungsmöglichkeiten der Sechs bis 14-Jährigen angenommen. Doch entstehe für viele ein „erhebliches Problem“, auch wenn die Zusammenarbeit mit den Lehrerinnen und Lehrern „gut“ funktioniere.

Kritik der Opposition

Von den Oppositionsparteien erntete Faßmann Kritik. SPÖ-Bildungssprecherin Sonja Hammerschmid vermisste konkrete Antworten und forderte ein Absehen vom Sitzenbleiben in diesem Schuljahr. Die FPÖ will Zeitpunkt und Stoff der Matura heuer wieder in die Schulautonomie zurückverlegen.

NEOS forderte einen „Stufenplan heraus aus dem Krisenbetrieb“ und wollte wissen, wie es konkret nach Ostern weitergehen soll. Auch Bundesschulsprecherin Jennifer Uzodike appellierte an Faßmann, „endlich für Klarheit in den Schulen zu sorgen“. Probleme könnten ihrer Ansicht nach dadurch entstehen, dass nun auch neuer Stoff durchgenommen werden kann. Schon jetzt gebe es oft noch Schwierigkeiten bei Umfang und Aufgabenstellung der Arbeitsaufträge.

„Zeitliche Perspektive“ für Schulen

Im Vorfeld von Faßmanns Pressekonferenz hatte der Wiener Bildungsdirektor Heinrich Himmer (SPÖ) für die Schulen eine „zeitliche Perspektive“ für die Öffnungen gefordert, es brauche Klarheit für die Planung. „Das In-den-Tag-hinein-Arbeiten ist eine riesige Herausforderung für Familien und Schulen", so Himmer im Ö1-Morgenjournal Richtung Bundesregierung – mehr dazu in wien.ORF.at.

Elternvertreterinnen hatten darauf verwiesen, dass künftig mehr Kinder in den Schulen betreut werden müssten, wenn die Geschäfte vor den Schulen geöffnet werden, wie Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) am Montag bekanntgab. Evelyn Kometter, Vorsitzende des Dachverbands der Elternvereine an Pflichtschulen, sagte: „Wir vermuten natürlich, dass dann auch mehr Schüler in den Schulen betreut werden müssen, wenn die Eltern wieder ihren täglichen Ablauf haben an ihren Arbeitsplätzen.“

Unterricht mit Mundschutz?

Die Vorsitzende des Bundesverbandes der Elternvereine an mittleren und höheren Schulen (BEV), Elisabeth Rosenberger, kann sich Unterricht in den Schularbeitsfächern und mit Mundschutz vorstellen. „Wenn man in Geschäften einkaufen darf mit dieser Mundschutzmaske, warum soll dann nicht auch Unterricht stattfinden, also nicht für die ganze Schule, aber für einzelne Klassen?“, fragte Rosenberger. Möglich wäre das laut ihr auch in Maturaklassen, die sogar kleiner als normale Schulklassen seien.

ÖGB, AK: Sonderbetreuungszeit ausweiten

Unterdessen bezeichneten der Österreichische Gewerkschaftsbund (ÖGB) und die Arbeiterkammer (AK) die derzeitige Regelung der Sonderbetreuungszeit für betreuungspflichtige Kinder als unzureichend. Es brauche „dringend“ eine Verlängerung bis zur Wiederaufnahme des Regelbetriebs an Schulen und Kindergärten, einen Rechtsanspruch für Arbeitnehmer und eine Kostenübernahme durch den Bund, verlangten ÖGB und AK in einer Aussendung am Dienstag.

Laut derzeitiger Regelung haben zwar Arbeitgeber Anspruch auf Vergütung eines Drittels des in der Sonderbetreuungszeit an die Arbeitnehmer gezahlten Entgelts durch den Bund. Einen Rechtsanspruch des Arbeitnehmers, die Sonderbetreuungszeit in Anspruch zu nehmen, gibt es bis dato aber nicht. „Der Großteil der Eltern, in erster Linie Frauen, müssen aktuell einerseits weiter ihrer Arbeit nachgehen und gleichzeitig zu Hause Kinder betreuen und Bildungsarbeit leisten“, so ÖGB-Vizepräsidentin und -Frauenvorsitzende Korinna Schumann.

Die Mehrfachbelastung von Haushalt, Kinderbetreuung und Arbeit auf oft engstem Raum unter einen Hut zu bekommen führe zu Überforderung, Stress und Belastungssituationen. Die Krise dürfe nicht auf dem Rücken der Frauen ausgetragen werden. Laut AK-Präsidentin Renate Anderl fragen sich viele Eltern, was sie nach den drei Wochen nach Ablauf der Sonderbetreuungszeit machen sollen. Die Bundesregierung müsse die Sonderbetreuungszeit ausweiten, mit einem Rechtsanspruch versehen und die Kosten übernehmen, so Anderl.