EVP-Politiker: Vorgänge in Ungarn „unerträglich“

Offiziell hält sich die Spitze der Europäischen Volkspartei (EVP) – Parteichef Donald Tusk und Fraktionschef Manfred Weber – noch mit Reaktionen auf das im Rahmen der Coronavirus-Krise beschlossene Notstandsgesetz in Ungarn zurück. Doch auch in der EVP regt sich Widerstand gegen das Vorgehen des rechtsnationalen Regierungschefs Viktor Orban, dessen FIDESZ-Partei seit März 2019 von der EVP suspendiert ist.

So kritisierte etwa der Vorsitzende der deutschen CDU/CSU-Gruppe, Daniel Caspary, laut der deutschen „Tagesschau“ das Notstandsgesetz scharf: „Das ist unerträglich, inakzeptabel und ein Beispiel dafür, wie Leute in Krisenzeiten in alte Muster zurückfallen.“ Der Chef der irischen EVP-Abgeordneten, Sean Kelly, nannte die Nachrichten aus Ungarn auf dem Kurznachrichtendienst Twitter „sehr Besorgnis erregend“. Der finnische EVP-Europaabgeordnte Petri Sarvamaa schrieb auf Twitter: „Dieses Gesetz ist nicht das Ende von Covid-19, es ist das Ende der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit in Ungarn.“

Abgeordnete fordern Einschreiten der EU

SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner verurteilte die Ausschaltung des Parlaments in Ungarn scharf. „Die Coronavirus-Krise zu missbrauchen, um das Parlament handlungsunfähig zu machen, ist völlig inakzeptabel und darf keinem Demokraten und keiner Demokratin egal sein“, schrieb die ehemalige Gesundheitsministerin auf Twitter.

Auch Nationalrats- und EU-Abgeordnete von SPÖ, Grünen und NEOS sowie der ÖVP-EU-Abgeordnete Othmar Karas forderten in einer gemeinsamen Erklärung ein „entschiedenes Einschreiten“ der EU-Kommission. Die Europäische Kommission müsse „umgehend Stellung beziehen und mit dem Europäischen Gerichtshof entschieden einschreiten“, forderten sie.

Die Bundesvorsitzende der Gewerkschaft GPA-djp, Barbara Teiber, verurteilte die Ausschaltung des ungarischen Parlaments aufs Schärfste und fordert Reaktionen ein: „Die Demokratie darf niemals, auch nicht in Krisenzeiten und auch nicht auf Zeit, ausgeschaltet werden. Es braucht sofort eine scharfe Verurteilung dieses Vorgehens durch Bundeskanzler (Sebastian, Anm.) Kurz“, verlangte Teiber per Aussendung.

Edtstadler in Kontakt mit EU-Kommission

Europaministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) teilte mit, sie werde sich mit der Vizepräsidentin der EU-Kommission, Vera Jourova, abstimmen. Auch mit ihrer ungarischen Amtskollegin Judit Varga sei Edtstadler „laufend“ in Kontakt. „Klar ist, dass die Grundrechte auch in Krisenzeiten gewahrt werden müssen“, sagte ein Sprecher der Ministerin.

Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) erwartete ein Vorgehen der EU gegen Ungarn. „Wir können das nur schärfstens kritisieren“, sagte Kogler heute im Ö1-Morgenjournal. Einen Dissens zu Bundeskanzler Kurz sah Kogler nicht.

Kurz: Voll mit Pandemie beschäftigt

Kurz wollte die international vielkritisierten Maßnahmen nicht kommentieren. „Ich habe, ehrlich gesagt, nicht die Zeit, mich mit Ungarn auseinanderzusetzen“, sagte er in einer ZIB Spezial. Gegenüber der APA hieß es aus dem Bundeskanzleramt, derzeit sei man voll gefordert durch die Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus.

Das ungarische Parlament hatte wenige Stunden zuvor das umstrittene Notstandsgesetz beschlossen, das es Orban de facto erlaubt, auf unbegrenzte Zeit ohne Kontrolle des Parlaments zu regieren.

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