Frau mit Schutzmaske trägt ihren Einkauf
APA/Barabara Gindl
Nicht nur beim Einkauf

Schutzmasken als Teil des Alltags

Von Mittwoch an soll vor den Supermärkten mit der Ausgabe von Schutzmasken begonnen werden. Ab 6. April ist das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes beim Betreten eines größeren Lebensmittelgeschäftes dann verpflichtend. Bereits jetzt zeichnet sich aber ab, dass die Maßnahmen wohl nicht auf Supermärkte beschränkt bleiben. Viele maßgebliche Fachleute sehen eine generelle Maskenpflicht allerdings skeptisch.

Die Bundesregierung ließ es bereits mehr als nur zwischen den Zeilen durchklingen: Das Tragen einer Maske wird kaum auf die Supermärkte beschränkt bleiben. Und das Stück Stoff vor Mund und Nase dürfte länger als nur ein paar wenige Wochen unser aller Begleiter werden. „Im Supermarkt werden wir das alle lernen und üben“, hieß es von Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) Montagabend in der ZIB2. Und weiter im Tonfall des Pädagogen: „Wenn wir gut werden im Abstandhalten und im Umgang mit den Masken, ist es einfacher, Geschäfte wieder zu öffnen.“

Ganz ähnlich formulierte es auch der Vizekanzler. Man könne sich diese Maßnahmen zur Verhinderung der Coronavirus-Ausbreitung auch für andere „besonders frequentierte Orte“ überlegen, sagte Werner Kogler (Grüne) in der ZIB2. Wo viele Menschen zusammenkommen, wäre die „Maske“ wohl auch beim Spazierengehen sinnvoll. Außerdem könnte der Mund-Nasen-Schutz – wenn es in den Supermärkten gut funktioniere – ein „Modell“ für die anderen Geschäfte sein, die derzeit geschlossen sind. Damit scheint skizziert, wohin die Reise nach den Plänen der Koalition in Zukunft geht. Und es lässt erkennen, dass die Regierung mit der Maskenpflicht offenbar eine doppelte Strategie verfolgt.

Testzone Supermarkt

Zuvorderst – so wurde es zuletzt mehrfach bekräftigt – geht es darum, die Zuwachsrate weiter nach unten zu drücken. Um das zu erreichen, versucht die Regierung augenscheinlich an möglichst vielen Stellschrauben zu drehen. Auch wenn dabei nicht immer klar ist, wie groß die Wirkung tatsächlich ausfällt.

Dass der gewöhnliche Mund-Nasen-Schutz Trägerin und Träger selbst keinen Schutz bietet, wurde in den vergangenen Tagen wiederholt kommuniziert – auch von der Regierung selbst. Er verhindert aber, dass beim Husten, Niesen und auch beim Sprechen Speicheltröpfchen großflächig verteilt werden. Aus diesem Grund halten auch viele Medizinerinnen und Mediziner das Bedecken von Mund und Nase zumindest für keine schlechte Idee.

Schutzmaskenpflicht: Das gilt es zu beachten

Die Schutzmaskenpflicht gilt ab 6. April in Supermärkten und Drogerien, die mehr als 400 Quadratmeter Verkaufsfläche haben. Trafiken, Apotheken oder öffentliche Verkehrsmittel sind daher – vorerst – ausgenommen.

Ob das Tragen solcher Masken im Supermarkt ganz besonders angebracht ist, lässt sich freilich aufgrund der vorliegenden Daten schwer beantworten. Man weiß zurzeit schlicht nicht, wie groß die Gefahr ist, dass – unwissentlich – Infizierte beim Lebensmitteleinkauf andere anstecken. Es ist etwa auch noch unbekannt, wie viele Angestellte im Lebensmittelhandel sich bereits mit dem Coronavirus infiziert haben. Deshalb will das Gesundheitsministerium nun neben dem Pflege- und Gesundheitspersonal auch verstärkt Beschäftigte in diesem Bereich testen lassen.

WHO anderer Meinung als Regierung

International ist das generelle oder verbreitete Tragen von Masken oder Mundschutz umstritten. Die WHO-Richtlinie sieht das klar anders als die Regierung. Sie empfiehlt das Tragen nur in bestimmten Fällen, etwa wenn man sich um Infizierte kümmert. Diese Meinung teilen auch das US-Zentrum für Krankheitskontrolle (CDC), die Berliner Charite, das deutsche Robert-Koch-Institut (RKI), das Europäische Zentrum für die Prävention und Kontrolle von Krankheiten (ECDC) und auch die Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES).

Der Hintergrund: Die WHO fürchtet, Masken könnten „ein falsches Gefühl des Schutzes vermitteln und eine Infektionsquelle sein, wenn sie nicht richtig verwendet werden“. Es gebe keinerlei Anzeichen dafür, dass mit dem Tragen von Schutzmasken etwas gewonnen wäre, sagte WHO-Nothilfedirektor Michael Ryan am Montag in Genf. Die MedUni Wien begrüßte dagegen die Mundschutzpflicht und sprach sich dafür aus, diese auf den gesamten öffentlichen Raum auszuweiten. Sie verwies dabei auf das Beispiel Japan – das allerdings eine lange Tradition im Umgang mit Mundschutz hat.

Frau trägt eine Schutzmaske und Handschuhe bei ihrem Einkauf in einem Supermarkt
picturedesk.com/EXPA/JFK
Nase und Mund bleiben beim Einkaufen im Supermarkt künftig verdeckt

Abstand und Hygieneregeln weiter entscheidend

Zumindest zur Vorsicht mahnte am Dienstag Angela Tichy, Projektleiterin für Medizin und Gesundheit beim Verein für Konsumenteninformation (VKI). Es sei weiterhin wichtig, Abstand zu halten und die Hygieneregeln einzuhalten, sagte sie gegenüber der APA. Außerdem müsse man beim Auf- und Absetzen der Masken vorsichtig sein, um Bakterien und Viren nicht mit den Händen zu verteilen. Weiters solle „bitte jeder seine eigene Atemschutzmaske verwenden“, appellierte die Expertin an die Bevölkerung.

Tipps zum Umgang mit Schutzmasken
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA

Hände waschen, wenn man Masken angreift

„Getragene Masken angreifen heißt Hände waschen“, sagte auch der Krankenhaushygieniker Alexander Blacky. Bei der Verwendung einer Maske müsse man die nächsten Schritte unbedingt mitdenken. Laut dem Hygieniker ist es am sichersten, die Maske nach dem Einkauf im Supermarkt zu entsorgen. Zugleich gab er zu bedenken, dass die Masken vielerorts Mangelware sein werden. Deshalb könne man die im Handel ausgeteilten Masken durchaus auch mitnehmen, sie zu Hause „regenerieren“ und dann wiederverwenden.

Zum Austrocknen der Masken könne man sie etwa für 30 Minuten bei etwa 80 Grad ins Backrohr legen, so der Facharzt für Hygiene und Mikrobiologie. Die meisten Bakterien und Viren, so auch das Coronavirus, seien „sehr empfindlich aufs Austrocknen“, sagte er. Oswald Wagner, Vizerektor der MedUni Wien, sah das im Ö1-Mittagsjournal etwas anders: „Die Maske aus dem Supermarkt bitte nicht wiederverwenden“, sagte Wagner auf eine entsprechende Frage. Selbst genähte Masken aus Stoff könnten indes nach einem Waschgang mit 60 Grad wieder benutzt werden, so der Vizerektor. Hygieniker Blacky sprach sich bei Masken aus Stoff hingegen fürs Auskochen aus.

Klarstellung der Supermärkte

Tatsächlich rief der Handelsverband wegen der Knappheit dazu auf, die Masken wiederzuverwenden. Zugleich versicherte der Handelsverband angesichts der Verwirrung über das „Maskengebot“, dass man in jedem Fall weiter einkaufen könne, egal ob die Masken schon vorhanden seien oder nicht.

Vorbild Japan

In manchen Punkten gehen die Meinungen der Medizinerinnen und Mediziner also auseinander. Das ist wohl auch ein Zeichen dafür, dass solche Masken hierzulande bisher nicht Teil des Alltags waren; ganz anders als in manchen asiatischen Ländern. Vor allem in Japan hat das Tragen eines Nase-Mund-Schutzes bereits eine längere Tradition. Dort bedecken die Menschen ihr Gesicht auch nicht, um sich selbst zu schützen, sondern um andere nicht anzustecken.

Frau mit Mundschutz in einer U-Bahn in Tokio
Reuters/Edgard Garrido
In Japan ist das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes weit verbreitet

Entsprechend wird Japan nun auch gerne als Vorbild für Österreich genannt; zum Beispiel in einem Brief, den das Zentrum für Public Health der MedUni Wien an Markus Müller, Rektor eben dieser Universität, schrieb. Darin spricht sich das Zentrum für eine Maskenpflicht im gesamten öffentlichen Raum aus. „Diese Maßnahme hat nachweislich zur Eindämmung der Covid-19-Epidemie u. a. in Japan beigetragen“, heißt es in dem Schreiben. Und weiter: „Das Tragen der Masken erlaubt eine geringere Einschränkung der persönlichen Freiheit und der Berufsausübung.“

Schritt auf dem Weg aus dem Lock-down

Es gehe darum, dass die Ausgangsbeschränkungen nicht unbegrenzt aufrechterhalten werden können, präzisierte Hans-Peter Hutter, der stellvertretende Leiter der Abteilung, gegenüber der APA. Und es gebe neben den rigorosen Bewegungseinschränkungen nur ganz wenige Chancen, das Virus einzudämmen. „Die einzige Möglichkeit, die es gibt, diese Balance (zwischen Eindämmung und dem Bedürfnis nach Freiheit, Anm.) zu gestalten, ist das Tragen der Masken – in der Öffentlichkeit, allgemein verpflichtend.“ Dabei müssten alle mitmachen. „Es ist eine zumutbare Maßnahme, die sehr einfach ist.“

Aus dem Rektorat der MedUni Wien war am Dienstag ganz Ähnliches zu vernehmen. Auch Vizerektor Wagner plädierte für eine Ausweitung der Maskenpflicht: „Dort wo Menschen arbeiten müssen, würde ich es begrüßen, den Mitarbeitern Maskenpflicht zu verordnen“ – etwa in Spitälern, Altersheimen, Büros und Betrieben, die sukzessive wieder aufsperren werden, aber auch in öffentlichen Verkehrsmitteln oder auf Universitäten. „Schaden tut es auch nicht im Freien, wo sich viele Menschen gleichzeitig aufhalten“, so Wagner.

Gebot statt Verbot

Sollte die Politik also in Zukunft anordnen, dass Schutzmasken in manchen – oder gar allen – Bereichen der Öffentlichkeit zu tragen sind, wüsste sie zumindest eine ganze Reihe an heimischen Medizinerinnen und Mediziner hinter sich. Ob sich die Bevölkerung ebenso überzeugt hinter die Maßnahmen stellt, werden die kommenden Tage und Wochen in den Supermärkten zeigen.

Wenn die Wahl zwischen Ausgangsbeschränkungen und Maskentragen liegen sollte, mag vielen die Entscheidung nicht allzu schwerfallen. Zugleich mag manchen aber auch eine leichte Ironie nicht entgehen: Vor nicht einmal drei Jahren wurde das Vermummungsverbot beschlossen. Gesichtsmasken aus gesundheitlichen Gründen sind zwar auch im Anti-Gesichtsverhüllungsgesetz als Ausnahme vorgesehen. Nun könnte freilich aus den Ausnahmen, zumindest auf Zeit, die Regel werden – und Vermummungsgebot quasi Vermummungsverbot schlagen.