Ein Mitarbeiter des Roten Kreuzes mit einem Abstrich
APA/Barbara Gindl
Coronavirus

Zahl der Tests weit hinter Vorgaben

Mit den in den vergangenen Tagen vorgenommenen Testungen hinkt man nach wie vor deutlich hinter der Vorgabe von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) her, der die Devise „Testen, testen, testen!“ ausgegeben hatte, und erreicht nicht einmal ansatzweise die Zahl, die theoretisch machbar sein sollte.

40 Labors stünden für Testverfahren auf eine Infektion mit SARS-CoV-2 zur Verfügung, „15.000 bis 17.000 Testungen täglich sind möglich“, hatte Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) am Freitag erklärt. 16.311 Personen sind dem Zahlenmaterial des Gesundheitsministeriums zufolge seither insgesamt erst getestet worden. Seit Beginn der Testungen sind 55.863 Personen in Österreich auf SARS-CoV-2 getestet worden (Stand: Mittwoch, 8.00 Uhr).

Der höchste Tageswert, der erreicht werden konnte, lag demnach bei 3.691, der am Samstag ausgewiesen wurde. Schuld an dieser mäßigen Entwicklung dürfte ein anhaltender Mangel an Reagenzien in Österreich sein, die am Weltmarkt aufgrund der Coronavirus-Pandemie umkämpft sind und ohne die sich keine Testverfahren durchführen lassen.

Das Gesundheitsministerium hatte am Wochenende gegenüber der APA außerdem darauf verwiesen, dass etliche kleine Labors noch nicht direkt mit dem Epidemiologischen Meldesystem (EMS) verbunden seien. Nur Positivtests würden sofort eingemeldet, aufgrund der Verzögerungen bei Negativtests könne die Statistik daher nur bedingt die aktuelle Situation abbilden.

Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne)
APA/Herbert Neubauer
Gesundheitsminister Anschober bei der Pressekonferenz am Freitag

Gezielte Testungen sollen Aufklärung bringen

Wie viele Menschen in Österreich sind bereits in Kontakt mit dem neuartigen Coronavirus gekommen? Und wie weit verbreitet ist es unter Schlüsselgruppen wie Spitals-, Pflegeheim- und Supermarktpersonal? Diese zentralen Fragen können derzeit nicht wirklich beantwortet werden. Licht ins Dunkel sollen gezielte Testungen bringen.

Nicht alle Menschen, die sich mit SARS-CoV-2 infizieren, entwickeln auch Symptome. Den Erreger weitergeben können sie trotzdem. Besonders kritisch ist es, wenn die Betroffenen Kontakt zu schutzbedürftigen Personen haben – etwa zu Spitalspatienten oder älteren Personen in Pflegeheimen. Oder wenn sie, wie die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Lebensmittelhandel, auch in Zeiten des weitgehenden Shut-downs Kundenkontakt haben müssen.

Medizinisches und Supermarktpersonal

Aus diesem Grund wurden hierzulande nun die Schlüsselgruppen Ärztinnen und Ärzte sowie Pflegefachkräfte in Krankenhäusern, Pflegerinnen und Pfleger in Betreuungseinrichtungen sowie Beschäftigte im Lebensmittelhandel gezielt auf das neuartige Coronavirus untersucht.

Begonnen wurde mit der Untersuchung schon am Wochenende, am Dienstag und Mittwoch wurden weitere Tests genommen, hieß es auf Anfrage der APA. Über die genaue Methodik und operative Abwicklung hielt sich das Ministerium aber bedeckt. Nach der Feldphase sei jedenfalls die wissenschaftliche Auswertung geplant. Bis wann die Ergebnisse vorliegen sollen, blieb unbeantwortet.

Wenn man feststelle, dass man etwa unter dem Pflege- und Gesundheitspersonal zahlreiche Infizierte habe, die aber keine Symptome zeigten, „müssten wir entsprechende Maßnahmen setzen“, sagte Clemens Auer, Sonderbeauftragter für Gesundheit im Gesundheitsministerium im Vorfeld.

Kunde und Kassierin im Supermarkt
APA/Helmut Fohriger
Supermarktpersonal wird verstärkt auf SARS-CoV-2 getestet

Ausweitung auf andere Berufsgruppen

Wie viele unentdeckte Infektionen es unter den Angestellten im Lebensmittelhandel gibt, ist momentan unbekannt. Aufklärung bringen sollen Tests unter den Beschäftigten. Abgewickelt würden die Tests der Schlüsselgruppen über eine eigene Infrastruktur, so Auer. Das soll möglichst rasch Ergebnisse bringen. Die Suche nach Infizierten, die keine Symptome zeigen, könnte „Schritt für Schritt“ auf weitere besonders exponierte Berufsgruppen ausgeweitet werden, sagte Auer. Dazu könnte etwa die Polizei gehören.

Stichproben nicht repräsentativ?

Die Sozialforscherin Eva Zeglovits vom Institut für empirische Sozialforschung (IFES) meldete aber Bedenken wegen der Repräsentativität der Stichprobe an. Müsste ihr Institut eine ähnliche Erhebung machen, „hätte ich keine schnelle Lösung auf der Hand“, gestand sie.

Denn grundsätzlich brauchte es Listen aller Beschäftigten in den einzelnen Bereichen, idealerweise mit Informationen wie Alter, Geschlecht, Herkunft etc. „Eine vollständige Liste für die Supermärkte, eine für Gesundheit und eine für Pflege. Dann könnte man eine Zufallsstichprobe daraus ziehen, das wäre sozusagen die methodisch gute Vorgangsweise“, führte Zeglovits aus. Schon allein aus Datenschutzgründen sei es aber in der kurzen Zeit schwierig, an solche Listen zu kommen.

Sozialforscherin: „Das ist auch interessant“

Sie vermute daher, dass die Auswahl der Testpersonen nach weniger strengen Regeln und Kriterien erfolgte, die Stichprobe also kein unverzerrter Querschnitt der Grundgesamtheit sein könne. In der empirischen Forschung würde man eine solche Vorgehensweise als „Convenience Sample“ bezeichnen.

„Das ist zwar auch interessant“, sagte Zeglovits, auf diese Weise ließen sich durchaus Hinweise ableiten. Die gewonnenen Daten hätten aber kaum Aussagekraft hinsichtlich der tatsächlichen Rate an Infizierten in den untersuchten Berufsgruppen. Man könnte auch keine Schwankungsbreiten berechnen, weil die Qualität der Stichprobe das nicht hergeben würde. Sollten die Testergebnisse öffentlich gemacht werden, müsste jedenfalls „genau hinterfragt werden, wie die Zahlen zustande gekommen sind“, meinte sie abschließend.

Stichprobenuntersuchung der Bevölkerung

Unabhängig von der verstärkten Testung der Schlüsselgruppen wird eine Stichprobe von 2.000 Österreicherinnen und Österreichern untersucht. Das Ergebnis soll Aufschluss geben über die landesweite Verbreitung des Coronavirus. Die Feldarbeit mit den Testungen sollte am Freitag abgeschlossen sein, die Auswertung bis Anfang nächster Woche vorliegen, wie ÖVP-Wissenschaftsminister Heinz Faßmann der APA sagte. Fachleute gehen von einer beträchtlichen Dunkelziffer von 16.000 bis 45.000 Fällen aus.

Durchgeführt wird die Studie vom Sozialforschungsinstitut SORA, das die Auswahl der Stichprobe sowie die Auswertung vornimmt, in Zusammenarbeit mit dem Roten Kreuz und der Medizinischen Universität Wien.

Ein Mitarbeiter der Rettung
APA/Georg Hochmuth
Die Tests von Schlüsselgruppen könnten „Schritt für Schritt“ auf weitere Personen in besonders exponierten Berufen ausgedehnt werden

Derzeit kenne man nur die Zahl der Neuinfizierten, man habe aber keine Information über die genaue Verbreitung des Virus, betonte Faßmann die Wichtigkeit der Tests. Anders als bei den derzeitigen Testreihen, bei denen nur Personen mit Symptomen bzw. nach Aufenthalten in Risikogebieten untersucht wurden, erlauben Stichprobentests genauere Aussagen – etwa zur bisher unbekannten Dunkelziffer.

„Wir sind der erste kontinentaleuropäische Staat, der das tut“, so Faßmann. Bisher habe in Europa nur Island auf diese Maßnahme gesetzt. Die Tests sollen dann in regelmäßigem Abstand wiederholt werden, um auch die Veränderungen zu erheben – ein wöchentlicher Abstand sei dabei zu eng. Denkbar wäre ein 14-tägiges bzw. dreiwöchiges Intervall.

Warten auf Antikörpertests

Bei der Stichprobenuntersuchung kommen noch die derzeit üblichen PCR-Tests (Polymerase-Kettenreaktion) zum Einsatz, die direkt nach dem Erbgut von SARS-CoV-2 suchen. Die zuletzt diskutierten Antikörpertests seien noch nicht endgültig einsatzfähig, so Faßmann – derzeit prüfe man an den Universitäten erst die Güte dieser Tests.

Die Entwicklung von Tests, mit denen sich Antikörper auf SARS-CoV-2 finden lassen, läuft auf Hochtouren. In den USA lebende Wiener Forscher wollen einen Bluttest, mit dem Antikörper gegen das neue Coronavirus nachgewiesen werden können, nach Österreich bringen. Und auch im Land selbst wird an Antikörpertests getüftelt – mehr dazu in science.ORF.at.