Nur wenige Menschen tragen Gesichtsmasken auf einem Markt in Minsk
AP/Sergei Grits
Autokraten und das Virus

Vom Sprechverbot bis zum Schießbefehl

Ob in Asien, Afrika oder auch Europa – autokratische Machthaber geben in der Coronavirus-Pandemie ganz unterschiedlich die Richtung vor. Während der eine die Zügel lockert und seinen Untertanen zweifelhafte Gesundheitstipps gibt, verbietet der andere, über das Virus auch nur zu sprechen. Und ein weiterer erteilt gar Schießbefehl.

Während in Europa das Wirtschafts- und Sozialleben wegen der Coronavirus-Pandemie zum Stillstand gekommen ist, tanzt Weißrussland völlig aus der Reihe: Entgegen den Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat es bisher kaum in den Alltag seiner Bürger eingegriffen und das Problem sogar geleugnet.

Schulen und Kindergärten bleiben geöffnet, auch Läden, Einkaufszentren und Restaurants betreiben ihr Geschäft weiter, sogar Eishockeypartien und Fußballspiele werden vor großem Publikum ausgetragen. Präsident Alexander Lukaschenko spricht öffentlich von einer „Psychose“ und warnt, dass der wirtschaftliche Schaden durch den Lock-down überall größer sein werde als die Virusgefahr.

Wodka trinken und in die Sauna gehen

„Es ist besser, im Stehen zu sterben, als auf den Knien zu leben“, sagte Lukaschenko im staatlichen Fernsehen und gab seinen Landsleuten ein paar Tipps gegen das Coronavirus: Wintersport, Wodkakonsum, Saunagänge oder Traktorfahren. Die Gefahr einer Ansteckung spielt er herunter. Nach seiner Darstellung wird mit Hilfe von Polizei, KGB-Geheimdienst und Videokameras jeder ausfindig gemacht, der mit einem Infizierten Kontakt hatte. „Wir kümmern uns. Aber ohne Lärm und ohne Staubaufwirbeln“, so Lukaschenko.

Der Weißrussische Präsident Alexander Lukashenko nach einem Eishockeyspiel in Minsk
Reuters/Andrey Pokumeiko/BelTA
Lukaschenko zeigt sich völlig unbeeindruckt von der Pandemie und spielt demonstrativ Eishockey

Die Opposition wirft Lukaschenko Fahrlässigkeit vor. Auch in Weißrussland sähen die Menschen, was überall auf der Welt los ist, sagt die christlich-konservative Partei Belarussische Volksfront, die Menschen hätten Angst. Bildungs- und Vergnügungseinrichtungen müssten geschlossen, Veranstaltungen mit mehr als 30 Menschen verboten werden.

Doch der als „Europas letzter Diktator“ verschriene Lukaschenko, der seit mehr als 25 Jahren regiert, schlägt Bedenken in den Wind und setzt auf in der aktuellen Lage beispiellose Freiheiten statt auf Verbote und Strafen. Und schon gar nicht, sagt er, sehe er einen Grund, die Präsidentenwahl im August abzusagen. Da will er noch einmal antreten.

Schweigen oder Gefängnis

Auf seine Weise reagiert das autoritär geführte Turkmenistan in Zentralasien auf die Pandemie. Dort will Präsident Gurbanguly Berdymuchammedow, der gelernter Zahnarzt ist, das Coronavirus aus dem täglichen Sprachgebrauch tilgen – notfalls auch mit Staatsgewalt. Das Wort sei bereits aus Informationsbroschüren der Behörden über die Krankheit gestrichen worden, berichten unabhängige lokale Medien. Selbst wer die Pandemie in Privatgesprächen erwähne, könne festgenommen werden.

Der Präsident von Turkmenistan Gurbanguly Berdymukhamedov
AP/Alexei Druzhinin
Berdymuchammedow verbietet das Wort „Coronavirus“

Auch die Organisation Reporter ohne Grenzen (RSF) kritisierte, die staatlich kontrollierten Medien dürften das Coronavirus nicht mehr erwähnen. Stattdessen sei bloß von „Leiden“ und „akuten Atemwegserkrankungen“ die Rede. „Die Weigerung, Informationen herauszugeben, gefährdet die Menschen in Turkmenistan“, so Reporter ohne Grenzen. „Die Behörden machen ihrem Ruf alle Ehre“ und passten ins Bild des autoritären Stils von Berdymuchammedow.

Trotz Schweigegebots werden jedoch Vorsichtsmaßnahmen ergriffen. An Bahnhöfen und Bushaltestellen wird angeblich die Temperatur gemessen, an gut besuchten Orten und in Bankfilialen werden Feuchttücher ausgeteilt und Menschen dazu angehalten, Desinfektionsspray in den Mund sprühen. Schulen und Kindergärten bleiben jedoch geöffnet. Auch Veranstaltungen finden weiter statt. Turkmenistan gehört zu den wenigen Ländern, die bisher keine Covid-19-Infektion offiziell bestätigt haben.

Virus als Wahlhelfer

Nicht ungelegen kommt die Pandemie manchem afrikanischen Machthaber. So ließ Guineas Präsident Alpha Conde trotz der eigentlich gebotenen Kontaktminimierung ein Referendum über eine Verfassungsänderung abhalten, die es ihm im Gegensatz zur bisherigen Regelung erlauben würde, sich für eine dritte Amtszeit zu bewerben. Conde hofft, durch die geringe Wahlbeteiligung erfolgreich zu sein. Ein Ergebnis liegt noch nicht vor.

Anders als sein Amtskollege Conde nutzt Malawis Präsident Peter Mutharika die Pandemie, um die Wiederholung seiner wegen Manipulationen annullierten Wahl platzen zu lassen. Er rief kurzerhand den Notstand aus und verbot sämtliche Veranstaltungen mit über 100 Menschen – was den bereits angelaufenen Wahlkampf weitgehend zum Erliegen brachte und ein schwerer Schlag für die Opposition ist, die sich erstmals auf einen gemeinsamen Kandidaten geeinigt hatte. Die ursprünglich für Mai geplante Wahlwiederholung soll nun im Juli stattfinden.

Ähnlich geht auch Ugandas Präsident Yoweri Museveni vor. Um den Oppositionsführer Bobi Wine auszuschalten, erließ er ein Dekret, wonach sich jeder Politiker strafbar macht, der Nahrungsmittel an die Bevölkerung verteilt. Bobi Wine hat bisher eine Versorgungskette für bedürftige Ugander organisiert und gilt als Hoffnungsträger der jungen Generation bei der Präsidentschaftswahl 2021.

Waffengewalt bei „Ärger“

Zugleich beklagen Menschenrechtsorganisationen zunehmend brutale Übergriffe von Sicherheitskräften bei der Umsetzung der Restriktionen im Kampf gegen das Coronavirus. „Die Sicherheitskräfte haben exzessive Gewalt angewandt, inklusive Schlägen, Schüssen und willkürlicher Arreste von Menschen überall im Lande“, kritisierte die Menschenrechtsgruppe Human Rights Watch (HRW) in Uganda.

Ähnliche Berichte gibt es aus Ländern wie Kenia, Burkina Faso, Senegal und Südafrika. Dort schlägt das Institut für Sicherheitsfragen (ISS) Alarm: „Die Risiken durch fortgesetzte, illegitime Staatsgewalt könnten für Südafrikas Zukunft höher sein als die durch die Pandemie.“ John Steenhuisen von der Oppositionspartei Democratic Alliance nannte die Übergriffe „inakzeptabel und besorgniserregend“.

Der philippinische Präsident Rodrigo Duterte
AP/Richard Madelo
Duterte will Polizei und Militär schießen lassen

Mit drastischen Worten warnte der philippinische Präsident Rodrigo Duterte vor Verstößen gegen die verhängten Ausgangsbeschränkungen: „Meine Anweisungen an die Polizei und das Militär, wenn jemand Ärger macht und ihre Leben in Gefahr sind: Erschießt sie.“ Kurz zuvor ist es in einem Armenviertel der Hauptstadt Manila zu Protesten wegen ausbleibender Hilfsgüter gekommen. „Tödliche, unkontrollierte Gewalt sollte niemals als Antwort für einen Notfall wie die Coronavirus-Pandemie gegeben werden“, kritisierte Amnesty International (AI). Duterte und ein Großteil seiner Regierung befinden sich wegen der Coronavirus-Infektion mehrerer Mitarbeiter derzeit in Quarantäne.