Regierungen lehnten Protokollen zufolge EU-Hilfe ab

Sitzungsprotokollen der Nachrichtenagentur Reuters zufolge soll die EU-Kommission den EU-Staaten bereits Ende Jänner, einen Monat bevor die Coronavirus-Krise in Europa eskalierte, Hilfe bei der gemeinsamen Beschaffung von Schutzmasken, Testkits und Beatmungsgeräten angeboten haben. Regierungsvertreter der Gesundheitsministerien sollen das allerdings bei Sitzungen in Brüssel explizit abgelehnt haben.

Nur wenige Wochen später bestand in der EU ein großer Mangel an medizinischer Ausrüstung, und die EU-Kommission schätzte den Bedarf in den EU-Staaten auf das Zehnfache des Bedarfs normalerweise. Reuters zufolge hätten die Regierungen der EU-Staaten ihre Notlage möglicherweise noch verschlimmert, indem sie ihre Ausstattung überschätzt hätten. Trotzdem sei der Mangel an Ausrüstung auch auf die explodierende weltweite Nachfrage zurückzuführen. Zuvor hatte der „Standard“ darüber berichtet.

Kritik an Alleingängen

„Wir müssen dringend aufklären, wie es dazu kommen konnte, dass die nationalen Regierungen Covid-Hilfe durch die EU-Kommission verhindert haben“, sagt NEOS-Europaabgeordnete Claudia Gamon. „Die Mitgliedsstaaten haben mit ihren Alleingängen und ihrer Kurzsicht Gesundheit und Leben ihrer Bürgerinnen und Bürger aufs Spiel gesetzt. Auch die österreichische Regierung war in diesen Treffen vertreten. Sebastian Kurz hätte also wissen müssen, dass die EU-Kommission vorausschauend Hilfe angeboten hat.“

SPÖ-Europaabgeordneter Günther Sidl kritisierte in einer Aussendung das Vorgehen als „offenbar bewusst falsches Spiel auf Kosten der Gesundheit der Bevölkerung“, insbesondere hinsichtlich der heftigen Kritik an der EU von Regierungschefs wie Bundeskanzler Kurz. „So einfach lässt sich die Schuld der anfänglich zögerlichen Bekämpfung des Coronavirus nicht auf die EU schieben. Dass die Zuständigen in den Gesundheitsministerien diese frühe Hilfe einfach abgelehnt haben, ist unbegreiflich.“