Ungarn schloss sich kritischer EU-Erklärung an

Die ungarische Regierung hat sich der kritischen Erklärung mehrerer EU-Mitgliedsstaaten angeschlossen, die sich „zutiefst besorgt“ über die Verletzung von Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und Grundrechten in der Coronavirus-Krise gezeigt hatten. Das teilte das ungarische Justizministerium gestern in Budapest mit.

Das Ministerium veröffentlichte den Text auf seiner Homepage, versehen mit der Einleitung: „Ungarn schließt sich der folgenden Erklärung von Mitgliedsstaaten der Europäischen Union an.“ Die Erklärung ist zwar klar auf Ungarn gemünzt, das in der Coronavirus-Krise das Parlament ausgeschaltet hat, doch wird das Land nicht explizit erwähnt.

16 Staaten schlossen sich Erklärung an

Zuvor hatten sich 16 Mitgliedsstaaten der Europäischen Union der Erklärung angeschlossen. Zu den ursprünglich 13 Unterzeichnern (Belgien, Dänemark, Deutschland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Irland, Italien, Luxemburg, Niederlande, Portugal, Spanien und Schweden) kamen noch die baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen hinzu.

Österreich schloss sich der Erklärung nicht an. „Wir setzen auf das direkte Gespräch“, sagte Europaministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) gestern. Österreich ist das einzige vor dem Jahr 2004 beigetretene Mitgliedsland, das sich der Erklärung nicht anschloss.

Visegrad-Länder unterzeichneten nicht

Bei den weiteren Nicht-Unterzeichner-Staaten handelt es sich um die Visegrad-Länder Tschechien, Slowakei und Polen, um das wegen des Vorgehens gegen ausländische Saisonarbeiter in der Coronavirus-Krise unter Druck geratene sozialdemokratisch regierte Malta sowie die konservativ geführten Regierungen Sloweniens, Kroatiens, Rumäniens, Bulgariens und Zyperns.

Das ungarische Parlament hatte am Montag mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit ein Gesetz beschlossen, das Parlament und Wahlen wegen des „Notstandes“ der Coronavirus-Krise zu suspendieren. Ministerpräsident Viktor Orban kann somit unbeschränkt per Verordnung regieren. Die EU-Kommission hatte insbesondere die mangelnde zeitliche Befristung der Maßnahme kritisiert.

Experte: Andere Regierungen könnten Beispiel folgen

Dem EU-Experten Janis Emmanouilidis zufolge besteht die Gefahr, dass andere Regierungen dem Beispiel Ungarns folgen, wenn nicht ein „starkes politisches Signal“ gesendet werde.

Überraschend sei dieser Schritt nicht gekommen – bereits in der Vergangenheit sei die Gewaltenteilung in Ungarn geschwächt worden, wenn sich die Gelegenheit dazu geboten habe, so der Analyst vom European Policy Center in Brüssel in einem gemeinsamen Onlinepressegespräch mit seinen Kollegen Fabian Zuleeg und Marta Pilati.

Auch Zuleeg ist der Ansicht, dass die EU zeigen müsse, dass „manche Dinge nicht akzeptabel“ seien. „Es handelt sich um einen temporären Ausnahmezustand, unsere Regeln gelten weiter“, so Zuleeg in Bezug auf Demokratie und Grundrechte. Ungarn habe diese überschritten.