Ruf nach Sanktionen gegen Ungarn wird lauter

Nach der Ausschaltung des ungarischen Parlaments in der Coronavirus-Krise wird der Ruf nach EU-Sanktionen gegen Ungarn lauter. Eine „Nichteinhaltung von Grundrechten“ müsse künftig „finanzielle Konsequenzen“ haben, sagte der deutsche Außenminister Heiko Maas heute in einer Videokonferenz mit EU-Kollegen. Im Nationalrat forderten ÖVP und Grüne unterdessen eine Rücknahme der Notstandsgesetze nach der Krise.

Maas sagte, dass sich Deutschland im mehrjährigen Finanzrahmen für finanzielle Konsequenzen einsetze. „Nur so wird es uns möglich sein, auch mit dem notwendigen Druck dafür zu sorgen, dass in allen Staaten Grundwerte und Grundrechte eingehalten werden.“

Hahn: „Konsequenzen“ bei Verstoß gegen Grundprinzipien

EU-Budgetkommissar Johannes Hahn sagte dem Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“: „Wenn die Evaluierung der Kommission ergibt, dass (Premier Viktor, Anm.) Orbans Handeln unseren Grundprinzipien widerspricht, werden wir die notwendigen Konsequenzen ziehen.“ Wenn es um die Einhaltung der EU-Verträge gehe, könne es „keinen Rabatt“ geben, sagte der ÖVP-Politiker, der auch Vizepräsident der Europäischen Volkspartei (EVP) ist.

Die Vizepräsidentin des Europaparlaments, Katarina Barley, zeigte sich sehr besorgt über die Vorgänge in Ungarn. Sie wies darauf hin, dass immer noch ein im Jahr 2016 wegen der Flüchtlingskrise beschlossenes Notstandsgesetz in Ungarn in Kraft sei, „obwohl seit Jahren kein einziger Flüchtling nach Ungarn gekommen ist“. Die EU-Kommission forderte die frühere deutsche Justizministerin auf, den Europäischen Gerichtshof (EuGH) anzurufen. Dessen Entscheidungen habe Orban bisher nämlich, wenn auch widerwillig, umgesetzt.

Schallenberg: Gemeinsame Linie

ÖVP-Außenminister Alexander Schallenberg empfiehlt eine gemeinsame Linie der EU in Hinblick auf die Einhaltung von EU-Grundwerten sowie ein Monitoring aller EU-Länder durch die EU-Kommission. Das nannte der Außenminister als Grund, warum Österreich eine Erklärung mehrerer EU-Mitglieder nicht unterzeichnete.

Man setze auf direkte Gespräche mit Ungarn, erklärte der Außenminister. Zudem hätten alle Mitgliedsländer temporäre Maßnahmen getroffen, mit denen die Versammlungsfreiheit, die Ausübung der Religionsfreiheit und auch des Gewerbes ausgesetzt werden. Die Werte der EU gelten für alle Mitgliedsstaaten, so Schallenberg, der für ein Monitoring aller EU-Länder eintritt. „Auf einen Staat zu zeigen halte ich für die falsche Strategie.“

Orban: „Habe keine Zeit für so etwas“

Orban verweigert zumindest vorerst eine Auseinandersetzung mit der Kritik anderer EU-Staaten am umstrittenen Notstandsgesetz. „Bei allem Respekt, ich habe keine Zeit für so etwas“, schrieb Orban in einem Brief an den Generalsekretär der konservativen EVP, Antonio Lopez-Isturiz White. Das Schreiben wurde von einem Kabinettsmitglied Orbans auf dem Kurznachrichtendienst Twitter veröffentlicht.

„Ich kann mir kaum vorstellen, dass irgendjemand von uns Zeit hat, über die Absichten anderer Länder zu fantasieren“, heißt es in dem Brief weiter. „Dies scheint mir dieser Tage ein kostspieliger Luxus zu sein.“ Er sei bereit, „darüber zu diskutieren, sobald die Pandemie vorüber ist“.