Ungarns Justizministerin verteidigt Notstandsgesetze

Die ungarische Justiz- und Europaministerin Judit Varga sieht das Parlament in Budapest durch das umstrittene Notstandsgesetz in der Coronavirus-Krise nicht ausgeschaltet. Das Parlament tage weiter und werde weiter Gesetze verabschieden, sagte sie im Gespräch mit der „Presse“ (Montag-Ausgabe).

„Nur dort, wo Sofortmaßnahmen nötig sind – etwa, weil im Interesse der Bürger sofort die Rückzahlung von Kreditraten gestundet werden muss –, handelt die Regierung außerhalb der üblichen Gesetzgebungsverfahren. Die Sondervollmachten sind dafür da und darauf begrenzt“, so Varga.

EVP-Führung erzeuge schädliche Spannungen

Die Frage, ob das Parlament weiter als Gesetzgeber funktioniere in Fragen, die nicht mit dem Coronavirus zu tun haben, hieß es: „Selbstverständlich.“ Es gebe „jede Menge“ Gesetzesentwürfe, die auf eine Entscheidung warten würden, die Sitzungsperiode ende am 15. Juni. Die Gerichte und das Verfassungsgericht würden ebenfalls weiter arbeiten, „Checks and Balances bleiben also bestehen“.

Die Führung der Europäischen Volkspartei (EVP) erzeuge absichtlich Spannungen, so Varga weiter auf die Frage, ob Orbans regierende FIDESZ-Partei nach der Suspendierung endgültig aus der EVP ausgeschlossen wird. Die Mehrheit der Mitgliedstaaten würde das nicht wollen.
„Ich halte das für außerordentlich schädlich. Ich verweise auf das, was Ministerpräsident Orban der CDU-Vorsitzenden Annegret Kramp-Karrenbauer schrieb: Gerade in Zeiten wie diesen ist es wichtig, unsere Einheit zu wahren.“

Orban kann per Dekret regieren

Das Parlament in Budapest hatte am Montag ein Gesetz gebilligt, das es Regierungschef Orban erlaubt, weitgehend unbegrenzt per Dekret zu regieren: Er kann nun den am 11. März wegen der Pandemie verhängten Notstand ohne die Zustimmung des Parlaments beliebig verlängern. Kritiker sehen darin eine Instrumentalisierung der Krise, um Orbans Machtstellung auszubauen.

Schon jetzt läuft wegen der mutmaßlichen Einschränkung von Bürger- und Grundrechten ein Grundwerteverfahren der EU gegen Ungarn, das theoretisch zum Entzug der Stimmrechte in der Europäischen Union führen kann. Es kommt jedoch kaum voran. Kritiker werfen Orban seit Jahren den Abbau des Rechtsstaats sowie Einschränkungen der Pressefreiheit vor.