Blumen und Töpfe in einem Baumarkt
ORF.at/Peter Pfeiffer
Öffnen in Stufen

Erleichterung und Zwist im Handel

Die Ankündigung, dass nach Ostern die Beschränkungen im Handel gelockert werden, sorgt für Erleichterung, liefert aber auch neuen Konfliktstoff. Knackpunkt ist, dass manche früher aufsperren dürfen als andere. Wirtschaft und Industrie reagierten positiv, der Handel grundsätzlich auch, hätte sich aber einen gleichzeitigen Neustart gewünscht. Ähnlich wie schon zuvor zwischen Fachhandel und Supermarktketten schwelt außerdem erneut ein Streit. Grund sind wieder Überschneidungen im Sortiment.

Ab dem 14. April dürfen laut dem neuen Fahrplan, der am Montag bei einer Pressekonferenz der Bundesregierung publik gemacht worden war, neben Lebensmittelhandel, Apotheken, Trafiken und wenigen anderen, für die aktuell eine Ausnahme gilt, auch andere Handelsbetriebe wieder öffnen: Händler mit einer Verkaufsfläche bis 400 Quadratmeter, außerdem Bau- und Gartenmärkte.

Ab Mai sollen dann auch alle anderen Geschäfte, Friseure inklusive, wieder öffnen – alle unter strengen Sicherheitsvorkehrungen, etwa Maskenpflicht und mit einem Kundenlimit. Gastronomie und Hotels folgen laut derzeitigem Stand erst später.

„Positives Signal“ und „Wermutstropfen“

Die Lockerung der Maßnahmen sei „für unsere Händler ein positives Signal hinsichtlich Planbarkeit und für die Konsumenten ein erster wichtiger Schritt Richtung neuer Normalität“, hieß es in einer Aussendung des Handelsverbands. Diese betreffe rund 75 Prozent aller Geschäfte. Dass auch Bau- und Gartenmärkte, diese unabhängig von ihrer Verkaufsfläche, wieder öffnen dürfen, sei eine zentrale Forderung gewesen.

„Natürlich“ hätte man sich allerdings gewünscht, „dass im Sinne der Fairness nicht zwischen großen und kleinen Händlern differenziert wird und alle zeitgleich wieder öffnen dürfen", so der Geschäftsführer des Handelsverbands, Rainer Will, in der Aussendung. Diese „Zweistufigkeit“ sei der „Wermutstropfen“ in der Sache.

Handel sieht noch offene Fragen

Der Handelsverband bedauerte auch, dass eine weitere Forderung kein Gehör gefunden habe: Die Erlaubnis, dass Kundinnen und Kunden noch vor Ostern wieder vorbestellte Waren abholen (Click & Collect) dürfen. Das wäre keine Gefährdung gewesen, und „Händler hätten damit zumindest einen Teil ihrer hohen Verluste im Ostergeschäft auffangen können“. Unabhängig davon und jedenfalls wünsche man sich, dass rechtliche Unsicherheiten möglichst rasch geklärt würden, etwa die Frage, was mit kleineren Geschäften in Shoppingcentern (diese dürfen erst in der zweiten Stufe wieder aufsperren) geschehe, und welche Öffnungszeiten gelten würden.

Möbelkonzern reagiert verärgert

Mehr als ein Wermutstropfen, nämlich ein handfestes Ärgernis, ist der Stufenplan für den Möbelkonzern XXXLutz, der am Montag eine Bevorzugung von Baumärkten kritisierte. Der Zwist erinnert an den von vor wenigen Tagen zwischen Fachhandel und Supermarktketten darüber, dass Letztere etwa Pflanzen, Werkzeug und Fahrräder verkaufen durften, während die Fachhändler geschlossen halten mussten.

„Das, was jetzt passiert, ist die Lebensmittelproblematik hoch 17“, sagte XXXLutz-Sprecher und Marketing-Chef Thomas Saliger am Montag gegenüber APA. Ihn ärgert, dass ausgerechnet Bau- und Gartenmärkte früher aufsperren dürfen als der Möbelhandel. „Die Verkaufsflächen sind dort viel kleiner und die Kundenfrequenz höher.“ Während ein durchschnittlicher XXXLutz zwischen 10.000 und 30.000 Quadratmeter habe und somit genügend Platz für Kunden, um sich nicht zu nahe zu kommen, seien Bau- und Gartenmärkte um ein Vielfaches kleiner. Außerdem überschneiden einander wieder die Sortimente.

Reviere und Sortimente

Baumärkte verkaufen Garten- und Badezimmermöbel, Bodenbeläge, Leuchten, alles Mögliche, was auch der Möbelhandel im Sortiment hat. Der Streit zwischen Fachhändlern und Supermärkten wurde durch Zugeständnisse, Sortimente und die Werbung dafür zurückzufahren, entschärft. Der Lebensmittelhandel willigte auf Druck ein, den Verkauf im Non-Food-Angebot einzuschränken.

Der „Lock-down“ im Handel werde die Lutz-Gruppe, zu der in Österreich neben XXXLutz auch die Möbelhäuser Mömax und Möbelix zählen, rund zehn Prozent des Jahresumsatzes kosten, schätzt Saliger. Mit dem Onlinegeschäft könne man diesen Ausfall nicht kompensieren. „Online ist für Konsumenten mehr die Vorbereitung für den Kauf in der Filiale.“ Der Möbelkonzern ist in 13 Ländern aktiv und beschäftigt laut eigenen Angaben 22.500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die 8.500 in Österreich hat er in Kurzarbeit geschickt.

„Guter Tag für den österreichischen Standort“

Wirtschaftskammer (WKÖ) und Industriellenvereinigung (IV) reagierten positiv auf den Fahrplan der Regierung. „Das ist ein guter Tag für den österreichischen Standort und der Startschuss für ein starkes österreichisches Comeback nach der Coronakrise“, sagte WKÖ-Präsident Harald Mahrer. Österreich habe als eines der schnellsten Länder in Europa rigorose Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung umgesetzt. „Jetzt können wir in einem klar definierten Rahmen und unter Einhaltung umfassender Schutzmaßnahmen die Wirtschaft Schritt für Schritt wieder ins Laufen bringen“, so Mahrer.

„Das ist für den Handel, der aufgrund des Coronavirus heruntergefahren wurde, ein Licht am Ende des Tunnels“, so Peter Buchmüller, Obmann der Bundessparte Handel in der WKÖ in einer Aussendung. „Für einige Händler wird das ein kleiner Rettungsanker sein, der die Verluste wenigstens etwas einschränkt.“ Kritik kam von Matthias Krenn, WKÖ-Vizepräsident und Bundesobmann der Freiheitlichen Wirtschaft (FW). Er sieht im „Hochfahren in Abschnitten“ eine „Wettbewerbsverzerrung“. Es würden damit bewusst Unternehmer zweiter und dritter Klasse geschaffen.

Großteils positive Reaktionen

„Mit der heute angekündigten schrittweisen Lockerung der Maßnahmen zur Eindämmung der Covid-19-Pandemie sendet die Bundesregierung ein positives Signal hinsichtlich Planbarkeit, Vertrauen und Zuversicht an Menschen und Unternehmen“, sagte IV-Präsident Georg Kapsch. Wesentlich sei, jetzt ein ausgeglichenes Verhältnis zwischen Erhaltung der Gesundheit und gleichzeitiger Sicherung von Arbeitsplätzen und allgemeinem Wohlstand zu finden.

Freiheitliche und NEOS begrüßten die Lockerung der Maßnahmen grundsätzlich. Die Regierung übernehme damit die Forderungen seiner Partei, befand FPÖ-Bundesparteiobmann Norbert Hofer in einer Aussendung: „Die Bundesregierung ist zum überwiegenden Teil den FPÖ-Forderungen gefolgt.“ Erst am Wochenende habe man diesen Schritt gefordert, so NEOS-Wirtschaftssprecher Sepp Schellhorn. „Jetzt müssen wir alles dafür tun, dass die wirtschaftliche Katastrophe nicht noch größer wird. Die heutigen Maßnahmen scheinen in diese Richtung zu gehen.“

„Mit der schrittweisen und kontrollierten Öffnung von Geschäften wird wieder ein Stück Normalität in unserem Leben Einzug halten, das ist gut“, sagte die Präsidentin der Arbeiterkammer (AK), Renate Anderl, laut einer Aussendung. Beim schrittweisen Hochfahren der Wirtschaft müsse „auf Risikogruppen allerdings besonders Rücksicht“ genommen werden. Die von der Regierung bisher getroffenen Maßnahmen zum Schutz von Risikopersonen seien sinnvoll, reichten aber nicht aus.