Der britische Premierminister Boris Johnson
Reuters/Toby Melville
Coronavirus

Johnson über Nacht auf Intensivstation

Der an Covid-19 erkrankte britische Premierminister Boris Johnson ist am Montagabend wegen einer Verschlechterung seines Gesundheitszustandes auf die Intensivstation verlegt worden und verbrachte die Nacht dort. Auch Dienstagvormittag war sein Zustand laut seinem Kabinett unverändert.

Johnson war schon Sonntagabend ins Krankenhaus eingeliefert worden, da die Symptome seiner Coronavirus-Infektion auch nach zehn Tagen nicht abgeklungen sind. Der Schritt, Johnson auf die Intensivstation zu verlegen, sei auf Anraten seiner Ärzte erfolgt, hieß es in einer Erklärung. Staatsminister Michael Gove sagte am Dienstag, Johnsons Zustand sei unverändert, der Premier sei ansprechbar und werde nicht beatmet. Allerdings habe er zusätzlich Sauerstoff erhalten.

Außenminister Dominic Raab wurde gebeten, wo nötig die Amtsgeschäfte zu übernehmen. Noch am Montagvormittag hieß es, der 55-jährige Premier werde sich Routinetests unterziehen. Bis dahin wollte Johnson die Regierungsgeschäfte eigentlich selbst führen.

Fieber und Husten

Nach Angaben eines Regierungssprechers litt Johnson unter Fieber und Husten. Einige britische Medien schreiben hingegen von einer schweren Erkrankung der Lunge. Der 55 Jahre alte konservative Politiker hatte vergangene Woche seine Infektion bekanntgemacht und sich in Selbstisolation in seiner Dienstwohnung zurückgezogen.

Das St. Thomas-Krankenhaus in London
AP/Frank Augstein
Johnson wurde Sonntagabend ins St Thomas’ Hospital eingeliefert

Noch Anfang März hatte der Premierminister damit geprahlt, dass er Menschen in einem Krankenhaus, darunter Covid-19-Patienten, die Hände geschüttelt habe. Das werde er auch weiterhin tun, sagte er damals.

Verlobter geht es besser

Auch Johnsons schwangere Verlobte Carrie Symonds hat nach eigenen Angaben eine Woche mit Symptomen der Lungenkrankheit Covid-19 im Bett verbracht. Das teilte die 32 Jahre alte ehemalige Kommunikationschefin der Konservativen Partei am Samstag per Twitter mit. Getestet worden sei sie aber nicht.

„Nach sieben Tagen Ausruhen fühle ich mich stärker und bin auf dem Weg der Besserung“, so Symonds. Schwanger zu sein mit Covid-19 sei offensichtlich beunruhigend, fügte sie hinzu und teilte eine Infobroschüre mit ihren Followern. Johnson und Symonds hatten erst Ende Februar ihre Verlobung und die Schwangerschaft bekanntgegeben. Das Kind soll im Frühsommer auf die Welt kommen.

Raab als vorübergehender Premierminister

Raabs erste Amtshandlung als Stellvertreter wird am Dienstag die Leitung der täglichen Coronavirus-Videokonferenz des „Kriegskabinetts“ sein, berichtete die Agentur PA. Bei der Bekämpfung des Virus wolle er sich an die von Johnson vorgegebene Linie halten, hieß es.

Raabs Ambitionen, das Land zu regieren, dürften am Dienstag in Erfüllung gehen, „vorübergehend und nicht unter den Umständen, die er erhofft hat“, schrieb PA. Die „Times“ bezeichnete Raab als „De-facto-Premierminister“ seit Montagabend. Da es keinen festen Stellvertreter für den britischen Premier gibt, entscheidet dieser selbst, wer ihn vertritt.

Genesungswünsche aus aller Welt

Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel wünschte dem Premierminister viel Kraft und gute Besserung. Sie hoffe, dass Johnson das Krankenhaus bald wieder verlassen könne, schrieb Regierungssprecher Steffen Seibert auf Twitter.

US-Präsident Donald Trump zeigte sich bestürzt über die Nachrichten aus London. „Es war einfach so schockierend zu sehen“, sagte Trump bei einer Pressekonferenz im Weißen Haus. „Sie wissen, was das bedeutet, Intensivpflege ist eine große Sache in Bezug auf das, worüber wir sprechen. Das ist eine sehr große Sache, eine sehr beängstigende Sache.“

Trump sagte auch, man habe Johnsons Ärzten Unterstützung angeboten. „Wir werden sehen, ob wir helfen können.“ Er deutete an, dass es um die Behandlung mit Medikamenten geht, die noch nicht für die Behandlung einer Erkrankung mit dem Coronavirus zugelassen sind.

Auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron wünschten dem Regierungschef via Twitter eine schnelle Genesung. NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg schrieb: „Viel Kraft, Boris, und werde bald gesund.“ Schottlands Regierungschefin Nicola Sturgeon twitterte: „Meine Gedanken sind beim Premierminister und bei seiner Familie.“ Der britische Finanzminister Rishi Sunak teilte ebenfalls per Twitter mit, seine Gedanken seien bei Johnson und dessen schwangerer Freundin Carrie Symonds.

Mängel im Gesundheitssystem

Die britische Regierung steht im Kampf gegen die Pandemie unter erheblichem Druck: Durch einen Schlingerkurs verlor sie wertvolle Zeit, um den Ausbruch einzudämmen. Im chronisch unterfinanzierten Gesundheitsdienst NHS (National Health Service) gibt es zudem nicht genügend Tests, Schutzausrüstungen und Beatmungsgeräte. Erste Kliniken meldeten britischen Medien zufolge sogar einen Mangel an Sauerstoff für die Beatmung der Lungenkranken.

TV-Ansprache der Queen

Sonntagabend rief die britische Königin Elizabeth II die Briten in einer seltenen TV-Ansprache zum Durchhalten und zu Disziplin im Kampf gegen die Coronavirus-Pandemie auf. Es würden wieder bessere Tage kommen, und das Virus werde besiegt, so die Queen in ihrer Rede, in der sie sich ausdrücklich bei Helferinnen und Helfern bedankte.

„Ich richte mich an Sie in einer Zeit, die, wie ich weiß, zunehmend herausfordernd ist“, sagte die Queen in der im Fernsehen übertragenen Rede. „Eine Zeit der Unterbrechung des Lebens in unserem Land, die manche in Trauer gestürzt hat, für viele finanzielle Schwierigkeiten gebracht hat und für uns alle enorme Veränderungen in unserem täglichen Leben bedeutet“, so die 93 Jahre alte Monarchin.

Regierungsexpertin verstößt gegen Auflagen

Für Empörung sorgte unterdessen die oberste Gesundheitsexpertin der schottischen Regierung. Catherine Calderwood gab am Sonntag zu, an zwei aufeinanderfolgenden Wochenenden zu einem Landhaus ihrer Familie gefahren zu sein. Zuvor hatte die Zeitung „Scottish Sun“ Fotos der Expertin von einem beliebten Ausflugsziel an der Küste veröffentlicht. „Ich habe den Ratschlag nicht befolgt, den ich anderen gegeben habe“, sagte Calderwood bei einer Pressekonferenz. „Es tut mir sehr leid.“

Die Medizinerin hatte die wegen der Coronavirus-Pandemie angeordneten Auflagen immer wieder auch vor laufender Kamera verteidigt und zu deren Einhaltung aufgerufen. Die schottische Polizei teilte mit, Calderwood sei von Beamten ermahnt worden, die Auflagen einzuhalten. Die schottische Regierungschefin Nicola Sturgeon sprach sich gegen einen Rücktritt Calderwoods als Chief Medical Adviser aus, gab aber am Abend bekannt, dass diese ihren Rücktritt eingereicht habe.