Wohnhäuser im Zentrum Wiens
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Erbschaftssteuer

Debatte über Krisenfinanzierung entbrannt

Arbeitslosenzahlen in Rekordhöhe, Produktionseinbrüche, der größte Konsumschock seit Jahrzehnten: Die CoV-Pandemie hat die Wirtschaft in ihren Grundfesten erschüttert. Milliardenschwere Hilfspakete sollen Abhilfe schaffen, doch diese müssen auch gegenfinanziert werden. Nun ist mit einem Vorstoß der Grünen für eine Erbschaftssteuer die Debatte über die Krisenfinanzierung öffentlich angelaufen.

Der Budgetdienst des Parlaments rechnet damit, dass die Kosten für die Bekämpfung der Coronavirus-Krise allein in Österreich rund 41 Milliarden Euro betragen werden, laut der Oesterreichischen Nationalbank kostete die Krise die heimische Wirtschaft allein bis jetzt elf Milliarden Euro. Ausgestanden ist sie noch nicht, trotzdem stellt sich bereits die Frage nach finanziellen und politischen Instrumenten und Steuermaßnahmen.

Für Wirbel sorgte dabei zuletzt ein erneuter Vorstoß für die Wiedereinführung der Erbschaftssteuer durch die Grünen. Kogler hatte sich in einem Interview mit der „Tiroler Tageszeitung“ (Mittwoch-Ausgabe) für eine Erbschaftssteuer ausgesprochen und damit eine seit Jahren schwelende Debatte wiederbelebt. „Ich bin für einen rigorosen Beitrag von Millionen- und Milliardenerben“, so Kogler: „Immer, wenn es in Millionenhöhe zu Erbschaften und Schenkungen kommt, soll auch eine Steuer eingehoben werden.“ Das sei ein „Beitrag zur gerechten Krisenfinanzierung“.

Vizekanzler Werner Kogler
APA/Helmut Fohringer
Kogler sprach sich für eine „gerechte Krisenfinanzierung“ aus

ÖVP schmettert ab

Allerdings kam bereits eine Absage der ÖVP zu Koglers Vorstoß – inklusive einer Mahnung: „Für das wirtschaftliche Comeback Österreichs nach der Krise benötigt es einen noch nie da gewesenen nationalen Kraftakt und nicht irgendeine Einzelmaßnahme“, hieß es. Es brauche aktuell „in der Regierung Zusammenhalt, das Einhalten von grundsätzlichen Vereinbarungen und keinen Streit, um Österreich mit aller Kraft gut durch die Krise zu führen“. Das Finanzministerium wollte den Vorschlag nicht kommentieren. Gespalten zeigte sich die Opposition: Auch die FPÖ lehnte den Vorschlag als unmoralische, „verstaubte Klassenkampfmethode“ ab.

Rückenwind kam von der SPÖ, sie forderte zudem Instrumente wie eine Vermögenssteuer sowie gerechte Besteuerung von Finanztransaktionen und Onlinekonzernen. Die globalisierungskritische Nichtregierungsorganisation ATTAC forderte am Dienstag zudem eine Reichensteuer in Form eines „einmaligen Lastenausgleichs“. Vermögen ab fünf Mio. Euro sollten mit zehn Prozent, Vermögen ab 100 Mio. Euro mit 30 Prozent und Vermögen ab einer Mrd. Euro je einmalig mit 60 Prozent einen Beitrag leisten, so die Forderung.

Wirtschaftsforscher: Zu früh für Debatte

Der Vorschlag zur Erbschaftssteuer bietet einen Vorgeschmack auf die scharfen Debatten, die hinsichtlich der Krisenbewältigung wohl noch geführt werden. Heimische Wirtschaftsforschungsinstitute warnten allerdings am Dienstag davor, dass es für solche Gespräche noch zu früh sei. Sowohl das WIFO als auch das Institut für höhere Studien (IHS) plädierten dafür, erst die laufende Krise zu meistern und dann entsprechende Maßnahmen einzuleiten.

Aktuell gebe es noch zu wenige Daten zu Verteilungseffekten, ein klareres Bild werde sich erst im Laufe des Sommers und Herbsts ergeben, so IHS-Chef Martin Kocher. Grundsätzlich geht es laut Kocher und der WIFO-Expertin Margit Schratzenstaller aber auf jeden Fall darum, die Konjunktur wieder anzukurbeln und das Gesundheitssystem krisensicher zu machen. Schratzenstaller plädiert weiters dafür, ein Gesamtpaket für eine Ökologisierung des Steuersystems zu schnüren.

Steuern sollen Konjunktur nicht gefährden

Die ohnehin hohe Belastung für Steuern auf Arbeit sollte hingegen nicht weiter erhöht werden. Außerdem müsse der Staat einerseits darauf achten, durch Steuererhöhungen nicht die Konjunktur zu gefährden, werde aber andererseits wenig Potenzial für Steuersenkungen haben.

Grafik zur Wirtschaft
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: WIFO/IHS

Das vor der Krise ausgegebene Ziel der Regierung, die Abgabenquote auf 40 Prozent zu senken, hält Kocher derzeit nicht für realistisch: „Kurzfristig wird es wahrscheinlich gar nicht so viel Spielraum geben, die Steuerbelastung insgesamt zu senken.“

Den Vergleich mit der Finanzkrise, nach der in vielen Ländern Bankenabgaben eingeführt wurden, halten beide Experten nicht für sinnvoll, weil der Finanzsektor damals zum Entstehen der Krise beigetragen hat. „Wir können keine Steuer auf das Virus einführen, deshalb gibt es keinen Schuldigen, den man so leicht besteuern kann“, so Kocher. In Österreich hat die Bankenabgabe laut einer WIFO-Aufstellung in den Jahren 2011 bis 2019 4,5 Mrd. Euro eingebracht.

Eurobonds-Streit hält an

Auch auf EU-Ebene wird unterdessen weiter über die richtigen Finanzinstrumente zur Krisenbewältigung gestritten. Am Dienstag scheiterten dazu 16-stündige Marathonverhandlungen zwischen den EU-Finanzministern und -ministerinnen.

Es spießt sich nach wie vor am Einsatz von Eurobonds, der vor allem von den schwer betroffenen Staaten Italien, Spanien und Frankreich gefordert wird. Über die Eurobonds könnten sich EU-Staaten gemeinsam Geld auf den Finanzmärkten leihen, das direkt in die jeweiligen Haushalte flösse. Für Zinsen und Rückzahlung haften alle gemeinsam. Hoch verschuldete Staaten könnten so zu günstigeren Konditionen an frisches Geld auf dem Kapitalmarkt kommen als allein.

Finanzminister Gernot Blümel
APA/Helmut Fohringer
Finanzminister Gernot Blumel (ÖVP) spricht sich gegen Euro-Bonds aus

Andere Staaten – darunter Deutschland, Österreich und die Niederlande – wollen hingegen auf den Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) setzen. Am Mittwoch soll es Debatten darüber gegeben haben, an welche Regeln die milliardenschweren Hilfskredite geknüpft sein sollen. Zudem wird hinterfragt, ob der ESM groß genug ist. Am Donnerstag wird weiterverhandelt. Die Erholung der europäischen Wirtschaft ist auch für Österreich höchst relevant, betonten zuletzt Ökonominnen und Ökonomen.