Austrian Airlines Flugzeuge
ORF.at/Christian Öser
Staatshilfen

AUA braucht womöglich 800 Mio. Euro

Der Geldbedarf bei der AUA könnte höher sein als bisher angenommen. Bei den Verhandlungen über Hilfe durch die Republik wird laut ZIB unter Berufung auf Branchenkenner über einen Finanzbedarf von 800 Mio. Euro – alleine heuer – geredet. Im Gegenzug soll der AUA-Mutterkonzern Lufthansa eine Standortgarantie abgeben.

Am Dienstag hatte die Nachrichtenagentur Bloomberg berichtet, dass über Staatshilfe in Höhe von 500 Mio. Euro verhandelt wird – laut ZIB wäre der Finanzbedarf also deutlich höher. „Es kann sich hier nur um eine grobe Schätzung handeln“, sagte AUA-Sprecher Peter Thier. Seit Dienstag werde verhandelt.

An den Gesprächen nehmen die AUA-Mutter Lufthansa, der Staat, die Sozialpartner und die AUA teil, sagte Thier zur APA. „Alle vier haben das gemeinsame Ziel, so viele Jobs wie möglich und das Drehkreuz Wien zu erhalten sowie die AUA wieder zum Fliegen zu bekommen.“ Ergebnisse seien „nicht morgen oder übermorgen“ zu erwarten. „Ich gehe davon aus, dass wir uns einige Wochen Zeit nehmen, um eine ordentliche Lösung zu erzielen.“

AUA verhandelt um Staatshilfen

Alleine heuer könnte die AUA 800 Millionen Euro brauchen. Die Verhandlungen mit der Regierung stehen erst ganz am Anfang.

Auch Insolvenz wird durchgespielt

Wie viel Staatshilfe genau notwendig werden wird, hängt davon ab, wie lange die Jets auf dem Boden bleiben. „Es gibt die Gewissheit, dass die AUA nicht wieder in der gleichen Form aus der Krise herausfliegen wird können, wie sie hineingeflogen ist“, so Thier gegenüber der ZIB. Weder die Summe von 500 Mio. noch die von 800 Mio. Euro wurden von der AUA bestätigt.

Dem „Standard“ (Onlineausgabe) zufolge werden auch Insolvenzszenarien durchgespielt, der Finanzbedarf könnte zudem noch weit höher sein. „Wir müssen uns natürlich auch mit schlimmen Szenarien auseinandersetzen, allein wegen der rechtlichen Sorgfaltspflichten“, so Thier gegenüber der Zeitung. Ziel sei es aber, die AUA wieder flugfähig zu machen.

Staatsbeteiligung laut Bericht kein Thema

Bloomberg berichtete am Dienstag, dass sich die Gespräche zwischen der AUA und der Regierung unter anderem um die Themen Gehälter und Steuerstundungen drehen sollen, eine direkte Staatsbeteiligung sei für das Finanzministerium kein Thema, so die Agentur mit Verweis auf involvierte Kreise. Der „Standard“ schrieb, dass über staatlich garantierte Kredite ebenso wie über Zuschüsse geredet wird.

Das Finanzministerium (BMF) von Minister Gernot Blümel (ÖVP) verwies auf APA-Anfrage auf den 38 Milliarden Euro schweren Schutzschirm gegen Auswirkungen der Coronavirus-Krise. „Die Instrumente stehen allen anspruchsberechtigten Unternehmen offen, natürlich auch der AUA.“ Erster Ansprechpartner sei die neu gegründete Covid-19 Finanzierungsagentur (COFAG), die ein Volumen von 15 Mrd. Euro hat. Bei dieser können seit Mittwoch Anträge gestellt werden.

Aus dem Verkehrsministerium von Leonore Gewessler (Grüne) hieß es knapp, dass „viele österreichische Betriebe derzeit Gespräche über Unterstützung aus dem Covid-Fonds führen. Diesbezüglich ist auch die AUA an das BMF herangetreten.“ Bisher bekommt die AUA Kurzarbeitshilfe aus dem Coronavirus-Hilfspaket. Laut Thier geht es aber nicht nur um das unmittelbare Decken der Personalkosten, sondern auch um das Wiederhochfahren des Betriebs. Daher würden nun aus dem Hilfspaket weitere Maßnahmen beantragt. Ob eine längere Kurzarbeit notwendig werden könnte, sei offen.

Kritik an den Gesprächen kam von der FPÖ: „Das einzig Österreichische an der AUA ist das rot-weiß-rote Heck“, so Bundesparteiobmann Norbert Hofer, die Airline sei eine Tochter der deutschen Lufthansa. Anlaufstelle für eine Staatshilfe könne daher nur die deutsche Bundesregierung sein. Sollte Österreich der AUA unter die Arme greifen, brauche es mehr als eine bloße Standortgarantie, so Hofer, eine Beteiligung der Republik an der AUA sei die „einzig denkbare Gegenleistung“. Die heimischen Wirtschaftsbetriebe könnten hingegen die zur Diskussion stehenden 800 Millionen ebenfalls brauchen.

Experten für Gewinnbeteiligung

Einer Beteiligung der Republik können Wirtschaftsexperten grundsätzlich durchaus etwas abgewinnen. „Ich halte es für richtig, dass der Staat bei großen Unternehmen für Staatshilfen auch eine Aktienbeteiligung bekommt“, sagte der Wirtschaftswissenschaftler Gabriel Felbermayr vom Kieler Institut für Weltwirtschaft in einer Debatte mit dem Volkswirtschaftler Rudolf Winter-Ebmer von der Johannes Kepler Universität Linz mit deren Rektor Meinhard Lukas. Dabei müsse man auf die Ausgestaltung achten, also welche Art von Aktie etwa. Im Grunde spreche aber alles dafür, dass der Staat bei der Rettung eines Unternehmens auch die Gewinnmöglichkeiten mitnehmen könne.

Auch Winter-Ebmer sprach sich dafür aus: „Das wird gern fälschlich als ‚Verstaatlichung‘ tituliert, dabei ist es eigentlich ‚mehr Markt‘, wenn der Staat Unternehmen das Geld nicht schenkt, sondern dafür auch Anteile bekommt“, so der Linzer Professor. „In Österreich hat man aus ideologischen Gründen das Gefühl, das kann man nicht machen, Aktien zu nehmen, und das wird unter dem Stichwort Verstaatlichung abgeführt. Das halte ich nicht für richtig.“

Maximal 50 Prozent Nachfrage erwartet

Derzeit ist der reguläre Flugbetrieb der Lufthansa-Konzerntochter bis 3. Mai ausgesetzt, die rund 7.000 Beschäftigten befinden sich in Kurzarbeit. Die Airline geht davon aus, dass sie für den Sommer 2020 eine Nachfrage von nur 25 bis 50 Prozent im Vergleich zu 2019 haben wird. „Auch für 2021 rechnet Austrian mit deutlich reduzierter Nachfrage, und das ‚Vor-Corona-Niveau‘ wird wohl frühestens 2023 wieder erreicht“, so die AUA.

Mit der Regierung, dem Eigentümer Lufthansa und den Sozialpartnern seien daher bereits Gespräche aufgenommen worden, hieß es. Zu den Veränderungen gehörten eine Verkleinerung der Flotte und eine konsequente Restrukturierung. In welchem Ausmaß diese passieren werde, sei aktuell noch nicht endgültig definiert, versicherte die Lufthansa-Tochter.

Lufthansa verkleinert Flotte

Der Lufthansa-Konzern teilte Dienstagnachmittag mit, seine Flotte deutlich verkleinern zu wollen. Der derzeit eingestellte Flugbetrieb der Tochterfirma Germanwings werde nicht wiederaufgenommen, so Lufthansa. Die weiteren Konsequenzen wolle man mit den Sozialpartnern besprechen, kündigte das Unternehmen an.

Bei der Kerngesellschaft Lufthansa sollen dauerhaft 18 Langstreckenflugzeuge und elf Mittelstreckenjets auf dem Boden bleiben. Darunter sind sechs Maschinen des Superjumbos Airbus A380, die ohnehin ab 2022 an den Hersteller Airbus zurückgehen sollten. Auch das Langstreckenangebot der Eurowings wird deutlich verkleinert, wie der Vorstand beschlossen hat. Auch für die übrigen Töchter AUA Brussels und Swiss kündigte der Konzern Flugzeugstilllegungen an. Zugleich wurden sämtliche Mietverträge mit anderen Fluggesellschaften gekündigt.

Flugzeuge der Airline Germanwings
Reuters/Wolfgang Rattay
Die Flugzeuge von Germanwings werden auch nach Ende der Coronavirus-Krise auf dem Boden bleiben

Der Lufthansa-Vorstand erwartet keine schnelle Rückkehr der Luftverkehrsindustrie auf das Niveau vor der Coronavirus-Krise. Nach seiner Einschätzung werde es Monate dauern, bis die globalen Reisebeschränkungen vollständig aufgehoben sind und Jahre, bis die weltweite Nachfrage nach Flugreisen wieder dem Vorkrisenniveau entspricht.

Airline-Verband: 25 Mio. Jobs weltweit in Gefahr

Die Luftfahrtbranche fürchtet wegen der Folgen der Pandemie den Verlust von 25 Millionen Jobs und ruft Regierungen in aller Welt zu Finanzhilfen auf. Weltweit hänge der Lebensunterhalt von 65,5 Millionen Menschen von Fluggesellschaften ab, der Großteil davon in benachbarten Branchen wie dem Tourismus, teilte der Weltluftfahrtverband IATA mit.

Sollten die starken Reisebeschränkungen drei Monate lang anhalten, sieht die IATA mehr als ein Drittel dieser Arbeitsplätze in Gefahr, darunter 11,2 Millionen in der Region Asien-Pazifik. Europa wäre mit 5,6 Millionen bedrohter Jobs am zweitstärksten betroffen.

Dabei geht die IATA davon aus, dass die Einnahmen der Branche im Passagiergeschäft 2020 weltweit rund 44 Prozent geringer ausfallen als 2019. Im zweiten Quartal dürfte die Nachfrage sogar um bis zu 70 Prozent zurückgehen. Dabei würden die Airlines Geldmittel in Höhe von 61 Mrd. US-Dollar (56,5 Mrd. Euro) praktisch verbrennen.

Dringender Appell an Regierungen

„Es gibt keine Worte, die die verheerenden Folgen von Covid-19 auf die Luftfahrtbranche angemessen beschreiben“, sagte IATA-Chef Alexandre de Juniac. Der Verband rief die Regierungen auf, Fluggesellschaften „umgehend“ in Form von direkten Finanzhilfen, Krediten, Bürgschaften und einer Unterstützung des Markts für Unternehmensanleihen unter die Arme zu greifen. Wenn die Pandemie eingedämmt sei, müssten Fluggesellschaften überlebensfähige Unternehmen sein, die die Erholung der Wirtschaft anführen könnten.

Für das Wiederhochfahren des Flugbetriebs sind aus Sicht der IATA noch weitere Hürden zu nehmen. „Wir haben darin keine Erfahrung“, sagte Juniac. So könnten Lizenzen und Zulassungen zwischenzeitlich ihre Gültigkeit verloren haben, sodass man hier neue Regelungen brauche. Allerdings dürfte die Luftfahrtbranche nach der Krise nicht mehr dieselbe sein wie davor, so Juniac.

„Keine Drehkreuzänderung angedacht“

Am Wochenende hatte ein Bericht der „NZZ am Sonntag“ für Aufregung gesorgt. Die Lufthansa soll der Zeitung zufolge überlegen, den Flughafen Wien nicht länger als Drehkreuz zu nutzen. Seitens der AUA-Mutter wurde das dementiert: „Es gibt überhaupt keine Planung für eine Änderung in der Drehkreuzlogik für die Zeit nach der Corona-Krise“, sagte Lufthansa-Konzernkommunikationschef Andreas Bartels zur APA.

Im Jänner, vor der Coronavirus-Krise, hatte AUA-Chef Alexis von Hoensbroech noch erklärt, dass das AUA-Drehkreuz Wien stärker wachsen solle. Wenn das Liniennetz nur mehr von Wien heraus beflogen werde, mache es Sinn, wenn die Crews ihren Arbeitsplatz nur mehr in Wien hätten, meinte der AUA-Chef damals. Zu den Drehkreuzen des Lufthansa-Konzerns gehören neben Wien und Frankfurt auch München, Zürich und Brüssel.