Arbeiterin stellt in einer chinesischen Fabrik Masken her
Reuters/Aly Song
Weltweiter Wettlauf

Hinter den Kulissen des Maskengeschäfts

Die Fäden laufen vor allem nach China. Bis vor der Coronavirus-Krise wurde in der Volksrepublik die Hälfte aller weltweit produzierten Schutzmasken hergestellt. Mit der Pandemie ist dieser Anteil nun laut einer Einschätzung von Morgan Stanley auf 85 Prozent angestiegen, berichtete das „Wall Street Journal“ („WSJ“).

Seit Wochen pochen westliche Politiker darauf, bei der Schutzausrüstungsproduktion wieder unabhängiger vom Weltmarkt und insbesondere von China zu werden. Es brauche „mehr Autarkie“, meinte auch Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck. Vor allem als China noch selbst stark vom Ausbruch des Coronavirus getroffen war, war an eine Ausfuhr in andere Länder nicht zu denken. Vielmehr zog China Kapazitäten aus dem Ausland ab und importierte Masken und Ausrüstung aus anderen Ländern wie Japan, Indien, den USA und der EU.

Zugleich forcierte die chinesische Regierung die Erweiterung der eigenen Produktion. Neben den großen staatlichen Unternehmen wechselten auch kleinere Betriebe auf Maskenproduktion – nicht zuletzt aufgrund der von der Politik gesetzten Anreize. Auch große Unternehmen wie Foxconn, sonst hauptsächlich Hersteller von iPhones, stiegen mit einem Teil ihrer Produktionskapazitäten auf Schutzmaskenherstellung um. Heuer starteten bis Ende Februar fast 9.000 neue Produzenten in China mit der Herstellung von Schutzmasken.

Arbeiter schneidern in chinesischer Fabrik Mund-Nasen-Schutz
APA/AFP
Tausende Unternehmen in China stiegen in die Produktion von Schutzmasken ein

Produktion mehr als verzehnfacht

Zum Teil kämpft China selbst mit internationaler Mangelware wie etwa bei dem für medizinische Schutzmasken wichtigen Vliesstoff, der als Filter dient. Auch dafür ist der Preis stark gestiegen. Mit einer Maskenmaschine könne man „Geld drucken“, erzählte ein chinesischer Unternehmer, der auf die Produktion von Schutzmasken umgeschwenkt ist, gegenüber der „Bangkok Post“. Der Preis sei stark gestiegen.

Die chinesische Maskenproduktion hat sich nach Angaben der chinesischen Regierung mehr als verzehnfacht, von rund zehn Millionen Stück pro Tag Anfang des Jahres auf rund 116 Millionen täglich Anfang März. Allerdings steigt auch die weltweite Nachfrage weiterhin. Mit der Ausbreitung der Pandemie erhöhte sich der Druck auf China, wieder vermehrt auszuliefern. Nun tritt Peking als Retter in der Not auf – mit Lieferungen in Dutzende Länder in der EU, nach Südkorea, in den Iran und die Ukraine. Auch Österreich wurde beliefert.

„Akt moderner Piraterie“

Allein in den USA werden 90 Prozent des gesamten Bedarfs aus China importiert, wie die auf Wirtschaftsnachrichten spezialisierte Plattform Benzinga berichtet. Erst Anfang März gewährten die USA China Zollausnahmen für Schutzmasken. US-Präsident Donald Trump verordnete zudem ein Ausfuhrverbot von Schutzmasken. Erst nach Einspruch des US-amerikanischen Unternehmens 3M, dass es „humanitäre Auswirkungen“ haben werde, wenn keine Masken mehr nach Lateinamerika und Kanada geliefert werden dürften, wurde hier eine Ausnahme zugestanden.

Mit fortschreitender Ausbreitung des Virus wird der Kampf um Schutzmasken und -ausrüstung umso härter geführt. Erst vor wenigen Tagen meldeten mehrere Länder, darunter Frankreich, Deutschland und die Ukraine, dass die USA für sie bestimmte Schutzmasken aus China weggekauft hätten. Der Berliner Innensenator Andreas Geisel sprach von einem „Akt moderner Piraterie“. Washington dementierte die Vorwürfe.

„Sie zahlen jeden Preis“

Die deutsche Regierung arbeitet mittlerweile für die Beschaffung mit deutschen Unternehmen zusammen, die oft über gute Verbindungen nach China verfügen. Der Vertreter einer Firma sagte gegenüber Reuters, es gebe Berichte von US-Amerikanern, die mit großen Geldkoffern in China unterwegs seien. „Geld ist egal. Sie zahlen jeden Preis, denn sie sind verzweifelt“, beschrieb ein deutscher Politiker das mutmaßliche Vorgehen der Amerikaner.

Chinesische Hilfslieferung wird aus einem Flugzeug der New England Patriots ausgeladen
Reuters/ Jim Davis
Eine kürzlich aus China in Boston eingetroffene Lieferung für den Einsatz in Boston und New York

Nicht nur die USA stehen am Pranger. „Die Beschaffungsmärkte durch Covid-19 brechen gerade zusammen“, sagte der Experte für öffentliches Beschaffungswesen an der Universität Washington, Christopher Yukins. Aus der Slowakei gibt es Vorwürfe gegen Deutschland. Ein deutscher Zwischenhändler soll für die Ukraine bestimmte Masken überboten und gekauft haben. Tschechien wiederum hatte für Italien bestimmte Hunderttausende Masken und Beatmungsgeräte aus China beschlagnahmt. Dafür gab es allerdings nach Empörung eine Entschädigungsaktion.

„Es herrscht Krieg“ um die Masken

Konsequenzen hat dieser Wettlauf um die Masken vor allem zwischen Europa und den USA auch auf Entwicklungs- und Schwellenländer in Lateinamerika und Afrika. Diese haben zunehmend Schwierigkeiten, ausreichend Schutz- und Testmaterial zu bekommen. Deren Bestellungen können Produzenten zufolge über mehrere Monate nicht erfüllt werden, berichtete die „New York Times“ („NYT“). Viele Länder zahlen demnach den dreifachen Preis, um die anderen zu überbieten.

„Es herrscht Krieg hinter den Kulissen, und wir machen uns große Sorgen, dass die ärmeren Länder zurückbleiben“, sagte Catharina Boehme von der Stiftung für Innovative neue Diagnostik, die auch mit der Weltgesundheitsorganisation (WHO) kooperiert.

Qualitätsstandards nicht immer erfüllt

Mit der steigenden Nachfrage nehmen auch die unseriösen Angebote zu. Nicht immer entsprechen die gelieferten Produkte den geforderten Qualitätsstandards. Schon vor wenigen Tagen gab es Meldungen, dass aus China nach Südtirol und Tirol gelieferte Masken Mängel aufwiesen und für den medizinischen Bereich unbrauchbar seien. Auch aus Spanien wurden Qualitätsmängel bei Masken aus China gemeldet.

Laut einem „profil“-Bericht dürfte das Problem auch in Österreich großflächiger sein. Einige nach Österreich gelieferte Masken entsprachen nicht dem hohen Standard der Schutzklasse FFP2 und mussten laut dem Österreichischen Roten Kreuz (ÖRK) zu einem reinen Mund-Nasen-Schutz abgewertet werden, berichtete das „profil“. Das Problem dürfte nicht das Material, sondern die Passform sein. Die Masken dichten laut APA nicht ausreichend ab.

Rotes Kreuz hilft bei Beschaffung in Österreich

In Österreich erfolgt die Beschaffung von Schutzausrüstung nun auch koordiniert auf Bundesebene in Zusammenarbeit mit dem Roten Kreuz. In- und ausländische Angebote werden zentral gesammelt und verglichen, heißt es aus dem Gesundheitsministerium gegenüber ORF.at, um die „geeignetsten Anbieter herausfiltern zu können“. Die Verteilung für den niedergelassenen Bereich erfolgt über die Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK). Allerdings beklagen viele niedergelassene Ärztinnen und Ärzte weiterhin, bei der Beschaffung und Finanzierung von Masken und anderer Schutzausrüstung völlig auf sich allein gestellt zu sein.

Zudem soll in Österreich – wie in anderen europäischen Staaten und den USA – die eigene Maskenproduktion nach oben gefahren werden. Mit fünf Millionen Euro will die Regierung Entwicklung und Produktion von Schutzbekleidung fördern.

Der Handelsverband richtete unterdessen auf seiner Website eine Seite ein, auf der sich seriöse Anbieter registrieren können und Nachfragende kostenfrei zugreifen können. „Die Schutzmaskenplattform entstand auch deshalb, weil viele unseriöse Anbieter auf dem Markt sind, um die Situation auszunutzen. Vielfach wird 100 Prozent Vorkasse verlangt, und bei den Masken handelt es sich oftmals um bereits benutzte Masken, daher ist äußerste Vorsicht geboten“, so der Geschäftsführer des Handelsverbandes Rainer Will.

Unternehmer nützen Kontakte nach China

Werner Jaschinsky, Metallunternehmer aus Oberösterreich, nutzt derzeit seine Kontakte nach China, um für Ärzte Schutzmasken zu organisieren. Auch er spricht von einem „Krieg“, der derzeit auf dem Weltmarkt von Schutzmasken herrsche.

Mangel an Schutzkleidung

Besser wird langsam auch die Ausstattung mit Schutzkleidung in den Spitälern, obwohl es noch immer Schwachstellen gibt. Und bei den niedergelassenen Ärzten fehlt noch immer jede Menge Schutzausrüstung. Ein oberösterreichischer Unternehmer nützt seine Kontakte nach China und liefert Schutzmasken nach Österreich.

Er habe gemeinsam mit anderen Unternehmern dem Bund Hilfe angeboten, sagte er kürzlich in der ZIB2: „Man sieht beim Bund aber nicht die Notwendigkeit, Unternehmen einzubinden, die auf dem Markt jahrelange Erfahrung haben, sondern man macht das im Prinzip selber.“ Auf die Frage, ob und welche Kontakte etwa zu Unternehmern genützt werden, wollte das Ministerium keine Antwort geben: „Informationen zu Kontakten und Unternehmen werden nicht weitergegeben.“