Telekonferenz der europäischen Finanzminister
picturedesk.com/ANP
Euro-Zone

Intensives Verhandeln um Rettungspaket

Das Ringen um ein Rettungspaket für die durch die Coronavirus-Krise schwer in Turbulenzen geratene europäische Wirtschaft dauert an. Die Videokonferenz der Euro-Finanzminister hat noch nicht begonnen, weil noch um einen Kompromiss im Vorfeld gerungen wurde. Mittlerweile soll es eine vorläufige Einigung geben.

Deutschland, Frankreich und Spanien hätten sich mit den Niederlanden und Italien auf einen Textentwurf für die Gespräche der EU-Finanzminister geeinigt, hieß es aus EU-Kreisen am Donnerstagabend. Eigentlich hätte die Videoschaltung um 17.00 Uhr starten sollen. Doch auch Stunden später war noch unklar, wann sie starten wird.

Noch Mittwochfrüh war die vorangegangene Runde nach einer Marathonsitzung ergebnislos vertagt worden. Seither arbeiteten Deutschland und Frankreich auf höchster Ebene an den Grundlinien eines Kompromisses, der dann von den Euro-Finanzministerinnnen und -ministern ausgearbeitet und abgesegnet werden soll.

Wichtiges Signal

Eine Einigung wäre ein wirtschaftlich wie politisch enorm wichtiges Signal: Nach all dem Streit und Handeln im rein nationalen Eigeninteresse, das in den letzten Wochen das Vorgehen in Europa gegen die Pandemie dominiert hatte, würde die EU damit erstmals wieder gemeinsame Handlungsfähigkeit zeigen.

Vor Beginn der Beratungen hatte der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte Kompromissbereitschaft signalisiert. Das Land hatte zuletzt nach Darstellung zahlreicher Teilnehmer eine Einigung verhindert. Insidern zufolge dürfte es nun auf ein Rettungspaket im Volumen von rund 500 Milliarden Euro hinauslaufen.

16-stündige Verhandlungen ohne Ergebnis

„Wir versuchen, das Maximum zu tun, um die Verhandlungen zu einem erfolgreichen Abschluss zu bringen“, sagte Rutte in Den Haag. Eine Einigung sei möglich. Die Niederlande wollten dem Süden des Kontinents gegenüber solidarisch sein. Mittwochfrüh waren die Verhandlungen der Euro-Finanzminister nach 16 Stunden und einer Nachtsitzung zunächst gescheitert.

Insidern zufolge hatten daraufhin die deutsche Kanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron mit Rutte telefoniert, um diesen umzustimmen. Im Vorfeld der offiziellen Beratungen liefen die diplomatischen Bemühungen auf Hochtouren. Sie hoffe natürlich, dass sie „zu einem Ergebnis“ kämen, hatte sich Merkel im Vorfeld optimistisch gezeigt. „Das wäre einfach ein sehr gutes Zeichen, zumal man sich sehr nahe ist.“

Drei Hilfen, später Aufbaufonds

Im Vorfeld hatte sich abgezeichnet, dass Italien, Spanien und anderen stark von der Pandemie getroffenen Ländern mit drei Sofortmaßnahmen geholfen werden soll: mit Darlehen der Europäischen Investitionsbank (EIB) für kleine und mittelständische Unternehmen, Kreditlinien aus dem Rettungsfonds ESM sowie einer europäischen Variante des Kurzarbeitsgeldes. Die ersten beiden Punkte hätten jeweils ein Volumen von rund 200 Milliarden Euro, letzterer von 100 Milliarden. Merkel sagte, danach müsse es dann noch ein Wiederaufbauprogramm geben, um die Wirtschaft wieder in Schwung zu bringen.

Wirtschaft schwer getroffen

Denn die Aussichten sind düster. Laut dem Münchner Ifo-Institut dürfte die Wirtschaftsleistung in der Euro-Zone im ersten Quartal um 2,3 Prozent geschrumpft sein. Für das Frühjahr wird mit einem Einbruch von 10,5 Prozent gerechnet. Auch der Internationale Währungsfonds (IWF) rechnet wegen der Pandemie mit einem katastrophalen Jahr für die Weltwirtschaft.

Es werde wohl den stärksten Einbruch seit der Großen Depression vor fast 100 Jahren geben, sagte IWF-Chefin Kristalina Georgiewa. Ermutigend sei aber, dass Regierungen rund um den Globus bereits rund acht Billionen Dollar an Finanzhilfen bereitgestellt hätten.

Niederlande forderten strenge Auflagen

Knackpunkt bei den jüngsten Verhandlungen der Finanzminister war ein Streit über vorsorgliche Kreditlinien aus dem ESM. Diese sollen vor allem Italien und Spanien zugutekommen. Die Niederlande pochen darauf, dies mit strengen wirtschaftspolitischen Auflagen zu verknüpfen. Der Rest der Euro-Gruppe will gar keine oder nur konkret an die Pandemie geknüpfte Auflagen.

Italiens Ministerpräsident Giuseppe Conte warnte, die Zukunft der EU stehe auf dem Spiel. „Wir brauchen eine wirtschaftliche und soziale Antwort auf europäischer Ebene“, sagte er der BBC. „Das ist eine große Herausforderung für die Existenz Europas.“

Italien, Frankreich und mehrere andere Länder fordern auch gemeinsame Anleihen der Euro-Länder, sogenannte Euro-Bonds – oder aktuell „Corona-Bonds“ genannt. Deutschland, die Niederlande und Österreich sind strikt dagegen. Da die Positionen hier so konträr sind, wurde dieser Punkt ausgeklammert.