Sebastian Kurz im Rahmen einer Talk 1 Sondersendung
ORF
Kurz

„Wirkliche Entspannung erst nach Monaten“

Wirtschaft, Familie, Gesundheit und Alltag mit dem Coronavirus: Am Donnerstagabend stellte sich Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) gemeinsam mit Experten und Expertinnen den Publikumsfragen in einem „Talk 1 Spezial“ auf ORF1. Österreich starte zwar früher als andere Länder mit einer „behutsamen“ Öffnung der Wirtschaft, so Kurz, eine „wirkliche Entspannung“ werde es aber erst „nach mehreren Monaten“ geben.

Ausdauer brauche man vor allem, was den fehlenden Kontakt zur älteren Generation betreffe. Auch Fernbeziehungen über Grenzen hinweg müssten sich noch gedulden. Entscheidend sei, dass es Medikamente und Impfungen gibt, und das werde noch dauern, sagte Kurz. Warum starte Österreich dann bereits kommenden Dienstag mit einer ersten schrittweisen Lockerung der Mitte März eingeführten Beschränkungen?, lautete eine Frage aus der Bevölkerung.

So dürfen etwa Geschäfte bis 400 Quadratmeter und Baumärkte wieder aufsperren. Kurz verteidigte diesen Schritt: „Wir haben in Österreich früher und restriktiver reagiert als andere Staaten. Die Zahlen sind besser als in anderen Ländern.“ Auf Druck der Wirtschaft sei diese Öffnung nicht zurückzuführen: „Druck prallt von mir ab. Es war richtig, wie wir reagiert haben“, sagte Kurz. Aber bei der Öffnung sei es wichtig, kleine Schritte zu gehen mit den Restriktionen wie den verpflichtenden Masken und weiterhin Abstand zu halten. Auch die Ausgangsbeschränkungen gingen weiter, betonte Kurz.

„Talk 1 Spezial“: WIR. GEMEINSAM. JETZT! Weil drüber reden hilft.

Die Coronavirus-Krise krempelt unser Leben um und stellt uns alle vor extreme Herausforderungen. Wir möchten wissen: Was sagt Bundeskanzler Sebastian Kurz zu Ihren Fragen, zu Ihren Sorgen, zu Ihren Gedanken? Mit dabei sind auch Heinz Burgmann, Infektiologe, MedUni Wien, Elke Prochazka, Psychologin, Sylvia Hartl, Fachärztin für Lungenheilkunde, Christine Pernlochner-Kügler, Bestatterin, Agnes Maier, Hebamme, Andreas Bergmann, erster Coronavirus-Patient in Graz

Keine großen Feiern im Sommer?

Der Kanzler rechnet damit, dass mit der Öffnung von mehr Geschäften auch mehr Kinder in den Schulen betreut werden müssen. Es werde aber dennoch notwendig sein, dass Schulen noch längere Zeit geschlossen sind und nur Betreuung anbieten, so Kurz, ohne konkreter zu werden.

Viele andere Branchen müssen sich noch länger gedulden. Für die Gastronomie erhofft sich Kurz eine schrittweise Öffnung ab Mitte Mai – „mit der Betonung auf hoffentlich und schrittweise“. Da Veranstaltungen zumindest bis Juni verboten sind, können auch keine größeren privaten Feiern wie Hochzeiten stattfinden. Ende April soll laut Kurz entschieden werden, ob das auch für den Sommer gelten wird.

Sebastian Kurz im Rahmen einer Talk 1 Sondersendung
ORF
Kurz antwortete im „Talk 1“ auf die vorab eingesendeten Fragen von Zusehern und Zuseherinnen

Auch der Fitnessbranche macht Kurz wenig Hoffnung. „Kontaktsportarten und Sport in geschlossenen Räumen wird schwieriger sein als Bewegung alleine im Freien“, antwortete Kurz einem Fitnessstudiobetreiber.

„Es werden bessere Zeiten kommen“

Wenig Auskunft erhielt der Geschäftsführer eines Blumenhändlers mit insgesamt 300 Mitarbeitern. Er habe bereits bei der ersten Schließung aufgrund der verderblichen Ware einen Schaden von rund zwei Millionen Euro gehabt. Sollte es zu einer zweiten Schließung kommen – was passiere dann?, fragte der Unternehmer. Hier verwies Kurz auf den eingerichteten Notfallfonds.

Auf das Klagen von Unternehmern, dass die Kurzarbeitsanträge langwierig seien, reagierte Kurz mit Verständnis, verwies aber auf die laufende Abarbeitung von Anträgen und versicherte, dass es nicht 90 Tage dauern werde, bis ein Kurzarbeitsantrag bewilligt werde. Über die Dauer der Auszahlung der Förderung gab er keine Auskunft.

Die Dienstleistungsbranchen mit näherem Körperkontakt wie Friseure und Masseure müssen sich auf strenge Sicherheitsbestimmungen einstellen, wenn sie – möglicherweise mit Mitte Mai – wieder aufsperren dürfen. Diese Kriterien sollten bis spätestens Ende April vorliegen, sagte der Kanzler. Dem nunmehr arbeitslosen selbstständigen Masseur empfahl Kurz, sich vom Härtefonds helfen zu lassen: „Es werden wieder bessere Zeiten kommen, davon bin ich überzeugt.“

Arbeitslose statt Gastarbeiter

Bei der Frage eines Landwirts nach fehlenden Arbeitskräften bei der Spargel- und Erdbeerernte sagte Kurz, dass es einen ständigen Austausch mit den Behörden in Osteuropa auch wegen der Pflegekräfte gebe. Zugleich verwies er aber auch auf die Hunderttausenden Arbeitslosen, die nun Arbeiten annehmen könnten, die früher Gastarbeiter gemacht hätten, und die nun nicht mehr kommen könnten.

Experte: Derzeitige Antikörpertests „wertlos“

„Wir haben es geschafft, den unkontrollierten Ausbruch des Virus zu stoppen“, sagte der Virologe Heinz Burgmann (MedUni Wien) in „Talk 1“. Aber jetzt müsse man vorsichtig handeln. „Wir haben uns einen enormen Vorteil erarbeitet. Das kann rasch wieder zurückgenommen werden.“ Der Experte geht davon aus, dass ein Impfstoff noch etwa ein Jahr brauchen werde. Mit einem Medikament rechnet er schon früher, aber auch dafür seien Tests an Patienten notwendig.

Heinz Burgmann
ORF
Der Virologe Burgmann erhofft sich in zwei bis drei Wochen gute Antikörpertests

Burgmann hofft, dass in den nächsten zwei bis drei Wochen gute Antikörpertests zur Verfügung stehen. Derzeit sei ein Großteil der vielen angebotenen Antikörpertests „wertlos“, da unklar sei, ob das Richtige nachgewiesen werde. Bisher gehe man davon aus, dass das Virus nach der Erkrankung nicht im Körper bleibe. Es gebe eine Inkubationszeit von bis zu 14 Tagen. „Wenn sich der Körper damit auseinandersetzt, werden Antikörper produziert, am Tag acht bis zehn wird kein infektiöses Virus mehr ausgeschieden“, erklärte Burgmann.