Frankreichs FInanzminister Bruno Le Maire
APA/AFP/Thomas Samson
500 Milliarden

CoV-Rettungspaket der Euro-Zone steht

Die Finanzminister der Euro-Länder haben sich auf ein Rettungspaket für besonders stark von der Coronavirus-Pandemie betroffene Staaten verständigt. Zuvor hatten Deutschland, Frankreich, Italien, Spanien und die Niederlande in stundenlangen Verhandlungen einen Kompromiss ausgehandelt.

Der Kompromiss gelang erst nach zwei Verhandlungsrunden und heftigem Streit über die Bedingungen des Pakets im Umfang von rund 500 Milliarden Euro. Das Streitthema „Corona-Bonds“ wurde zunächst ausgeklammert. Der französische Finanzminister Bruno Le Maire sprach auf Twitter von einem exzellenten Kompromiss. 500 Milliarden Euro stünden sofort bereit. Auch ein neuer Fonds zur Wiederbelebung der Wirtschaft werde kommen. Europa habe sich entschieden und zeige, dass es der Krise gewachsen sei.

Der deutsche Finanzminister Olaf Scholz sprach in Berlin von einer „guten Botschaft“. Wichtig sei, dass Europa eine gemeinsame Antwort auf die Coronavirus-Pandemie gegeben habe. Es seien zwar lange Diskussionen nötig gewesen, doch nun stehe ein Konsens.

Wichtiges Signal

Die Einigung ist tatsächlich ein wirtschaftlich wie politisch enorm wichtiges Signal: Nach all dem Streit und Handeln im rein nationalen Eigeninteresse, das in den letzten Wochen das Vorgehen in Europa gegen die Pandemie dominiert hatte, demonstriert die EU – zumindest die Länder der Euro-Zone – damit erstmals wieder gemeinsame Handlungsfähigkeit.

1,5 Bio. in Finanzkrise

Das nunmehrige Rettungspaket ist deutlich kleiner als alle EU-Hilfspakete, die während der Finanzkrise geschnürt wurden. Diese summierten sich laut Wikipedia auf rund 1,5 Billionen Euro.

Drei Elemente

Von den Hilfen dürften vor allem Italien und Spanien profitieren. Enthalten sind drei Elemente: vorsorgliche Kreditlinien des Eurorettungsschirms ESM von bis zu 240 Milliarden Euro, die besonders von der Pandemie betroffenen Staaten zugutekommen könnten; ein Garantiefonds für Unternehmenskredite der Europäischen Investitionsbank EIB, der 200 Milliarden Euro mobilisieren soll; und das von der EU-Kommission vorgeschlagene Kurzarbeiterprogramm namens „Sure“ im Umfang von 100 Milliarden Euro.

Fonds für Wirtschaftsaufbau

Darüber hinaus wurde ein befristeter „Recovery Fund“ zur Unterstützung der wirtschaftlichen Erholung vereinbart. Dieser soll die Solidarität mit den in der Pandemie am meisten betroffenen Euro-Staaten zum Ausdruck bringen und den außerordentlich hohen Kosten der Krisenbewältigung Rechnung tragen.

Details sollen aber erst geklärt werden, darunter die Finanzierungsquellen. Einige Staaten wollen dafür Gemeinschaftsanleihen ausgeben, während andere – darunter Deutschland – solche „Corona-Bonds“ ablehnen. Der Streit darüber wurde damit vertagt. Zuvor sagte Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP), es dürfe keine Hintertür für „Corona-Bonds“ geben.

Kompromiss zeichnete sich ab

Bereits vor Beginn der Beratungen am Donnerstag hatte der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte Kompromissbereitschaft signalisiert. Das Land hatte zuletzt nach Darstellung zahlreicher Teilnehmer eine Einigung verhindert. Mittwochfrüh waren die Verhandlungen der Euro-Finanzminister nach 16 Stunden und einer Nachtsitzung zunächst gescheitert.

Insidern zufolge hatten daraufhin die deutsche Kanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron mit Rutte telefoniert, um diesen umzustimmen. Die Videokonferenz der Euro-Finanzminister, eigentlich für 17.00 Uhr anberaumt, wurde Stunde um Stunde verschoben. Im Hintergrund liefen die Beratungen zwischen Berlin, Paris, Rom, Madrid und Den Haag auf Hochtouren. Merkel hatte sich am Nachmittag aber ebenfalls bereits optimistisch gezeigt. Sie hoffe natürlich, dass es „zu einem Ergebnis“ komme, so Merkel, die hinzufügte: „Das wäre einfach ein sehr gutes Zeichen, zumal man sich sehr nahe ist.“

Wirtschaft schwer getroffen

Denn die Aussichten sind düster. Laut dem Münchner Ifo-Institut dürfte die Wirtschaftsleistung in der Euro-Zone im ersten Quartal um 2,3 Prozent geschrumpft sein. Für das Frühjahr wird mit einem Einbruch von 10,5 Prozent gerechnet. Auch der Internationale Währungsfonds (IWF) rechnet wegen der Pandemie mit einem katastrophalen Jahr für die Weltwirtschaft.

Es werde wohl den stärksten Einbruch seit der Großen Depression vor fast 100 Jahren geben, sagte IWF-Chefin Kristalina Georgiewa. Ermutigend sei aber, dass Regierungen rund um den Globus bereits rund acht Billionen Dollar an Finanzhilfen bereitgestellt hätten.

Italiens Ministerpräsident Giuseppe Conte hatte am Vorabend in scharfen Tönen gewarnt, die Zukunft der EU stehe auf dem Spiel. „Wir brauchen eine wirtschaftliche und soziale Antwort auf europäischer Ebene“, sagte er der BBC. „Das ist eine große Herausforderung für die Existenz Europas.“

Europaparlament erleichtert

Vertreter des Europaparlaments zeigten sich nun erleichtert über die Einigung. Die Vorschläge gingen „in die richtige Richtung“, schrieb Parlamentspräsident David Sassoli auf Twitter: „Wir hatten recht dabei, Europa zu vertrauen.“ Die Fraktionschefin der Sozialdemokraten, die Spanierin Iratxe Garcia Perez, sprach von einem „guten Signal“, dass die EU die Pandemie solidarisch bekämpfen wolle. „Es wird jetzt Geld ohne Bedingungen bereitgestellt, um Gesundheitssysteme zu stärken und Arbeitsplätze zu schützen.“ Der Gipfel der EU-Staats- und -Regierungschefs könne nun weiter gehen und „den Weg für einen Wiederaufbaufonds und mehr Mittel bereiten“.

Der Vorsitzende der liberalen Fraktion, Dacian Ciolos, sah einen „bedeutenden Schritt vorwärts (…), um Mitgliedsstaaten zu helfen, diese Pandemie zu bekämpfen, Jobs zu sichern und Firmen zu schützen“. Die EU könne sich nun auf die Ausarbeitung eines „ehrgeizigen Wiederaufbauplans“ für die Zeit nach der Krise konzentrieren. Es sei gut, dass es bei den Beratungen der Finanzminister ein Ergebnis gegeben habe, schrieb die Kofraktionsvorsitzende der Grünen, Ska Keller, auf Twitter. „Aber es ist unzureichend und entspricht nicht dem Ausmaß der Krise.“ Sie hoffe, dass die EU-Regierungen in Zukunft „mutiger“ seien und sich auf die gemeinsame Schuldenaufnahme in Form von „Corona-Bonds“ einigen könnten. Es sei „höchste Zeit für Solidarität“.

Scholz: „Es ist eine gute Botschaft“

Es werde ein Sicherheitsnetz geknüpft für Regierungen, Unternehmen und deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, sagte Euro-Gruppe-Chef Mario Centeno am Donnerstagabend. Frankreichs Finanzminister Bruno Le Maire sagte, als viertes Element werde es nach der Krise einen Wiederaufbaufonds geben. Hier ist das Volumen noch offen. Le Maire deutete aber an, dass es ebenfalls 500 Milliarden Euro werden könnten. Der Streit über gemeinsame Anleihen der Euro-Länder wurde zwar ausgeklammert, flammte aber sofort wieder auf.

Der deutsche Finanzminister Olaf Scholz sagte nach der Videoschaltung in Berlin, Europa habe eine gemeinsame Antwort auf die Coronavirus-Pandemie gefunden. „Es ist eine gute Botschaft.“ Zwar seien lange Diskussionen nötig gewesen, doch nun stehe ein Konsens. Von den Soforthilfen dürften vor allem Italien und Spanien profitieren. Sie sind in Europa am stärksten von der Pandemie getroffen, beide aber hoch verschuldet und haben damit weniger finanziellen Spielraum.