Bundeskanzler Sebastian Kurz
Reuters/Leonhard Foeger
Ruf nach höherer „Arbeitslosen“

Kurz verteidigt Nein der Regierung

Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hat im Ö1-Interview die Hilfen der ÖVP-Grünen-Regierung in der Pandemie für Unternehmen und Arbeitslose verteidigt. Der Forderung von Österreichischem Gewerkschaftsbund (ÖGB), SPÖ und FPÖ nach einer Aufstockung des Arbeitslosengeldes erteilte er eine Absage. Bei den Verhandlungen um Staatshilfen für die Lufthansa-Tochter AUA nennt Kurz zwei Kriterien. Vor allem bat er die Bevölkerung um die Einhaltung der Einschränkungen.

Im Ö1-Mittagsjournal appellierte Kurz zunächst erneut an alle Menschen, sich gerade am Osterwochenende, aber auch danach, weiter strikt an die geltenden Auflagen zu halten, so schwer es auch sei. Kurz betonte, gerade was ungefährlich erscheine – sich mit gesunden Freunden oder Verwandten zu treffen – sei besonders gefährlich und könne zu einer verstärkten Ausbreitung des Coronavirus führen.

Gefragt, ob die Regierung den Arbeitslosen – wegen der Pandemie und des Herunterfahrens der Wirtschaft hatten allein im März mehr als 160.000 Menschen ihren Job verloren – nicht stärker unter die Arme greifen sollte, verwies Kurz auf bereits ergriffene Maßnahmen: Die Regierung hatte zuletzt die Aufstockung des Familienhärtefonds für von der Arbeitslosigkeit betroffene Familien angekündigt.

30 Millionen für betroffene Familien

Dieser Fonds wird auf 30 Millionen Euro aufgestockt, hatten Familienministerin Christine Aschbacher (ÖVP) und Sozialminister Rudolf Anschober (Grüne) zuletzt angekündigt. Wer nach dem 28. Februar wegen der Coronavirus-Krise seinen Job verloren hat und Familienbeihilfe bezieht, soll hier eine einmalige Unterstützungsleistung beantragen können.

Auch Selbstständige, die Geld aus dem Coronavirus-Härtefonds erhalten, sollen sich an den Familienhärtefonds wenden können. Die genaue Höhe der Unterstützung soll vom vorherigen Einkommen und vom Medianeinkommen der Familien abhängen. Die genauen Berechnungsgrundlagen will das Ministerium kommende Woche veröffentlichen.

Kurz: Möglichst viele Jobs erhalten

Und Kurz betonte, die Regierung versuche, möglichst viele Jobs zu erhalten, weshalb man auf Kurzarbeit setze. Darüber hinaus versuche man, die Menschen „möglichst rasch wieder in Beschäftigung zu bringen“. Arbeitslose erhalten 55 Prozent ihres letzten Gehalts. Der ÖGB plädiert etwa für eine Anhebung auf 70 Prozent dieser Nettoersatzrate. Auch SPÖ und FPÖ fordern eine Anhebung.

Zwei Ziele bei Verhandlungen mit AUA

Zu den Verhandlungen zwischen Regierung und der AUA, der Tochter des deutschen Luftkonzerns Lufthansa, nannte Kurz zwei Ziele: die Jobs bei der AUA und den Standort Österreich weiter abzusichern. Das seien die Punkte, die man mit der AUA verhandle. Eine „Finanzspritze für den deutschen Konzern Lufthansa“ werde es jedenfalls nicht geben. Kurz betonte aber auch, dass es letztlich auch eine Frage der Möglichkeiten und des Preises sei.

Entscheidung zu Schulen Ende April

Kurz geht davon aus, „dass die Öffnung der kleinen Geschäfte funktionieren wird, ohne dass es zu einer dramatischen Ausbreitung kommt“. Freilich aber nur, wenn sich alle an die Maßnahmen und die Ausgangsbeschränkungen halten. Die Entscheidung, ob Schulen tatsächlich – wie avisiert – Mitte Mai öffnen werden, soll erst Ende April getroffen werden.

Falls die Schulen öffnen, dann „natürlich“ mit besonderen Sicherheitsvorkehrungen, etwa unter Verwendung von Schutzmasken. Bei der Entscheidung seien freilich unterschiedliche Schulstufen auch unterschiedlich zu bewerten. Das Tragen von Masken habe bei Kindern in Kindergärten andere Voraussetzungen als bei Schülern in der Oberstufe.

„Viele Menschenleben gerettet“

Das Ergebnis des Stichprobentests sei so ausgefallen, „wie wir es erwartet haben“, sagte Kurz. Das Problem sei ja „nicht, dass so viele die Krankheit hatten oder haben, sondern die exponentielle Ausbreitung“. Diese galt es zu verhindern, denn sie hätte die Kapazitäten in den Krankenhäusern gesprengt.

Die Entscheidungen für den „Lock-down“ verteidigte er. Denn jene Länder, die versucht hätten, auf Herdenimmunität zu setzen, etwa Großbritannien und die Niederlande, hätten bereits ihren Kurs revidiert. Er sei „heilfroh, dass wir so reagiert haben“. Denn auf diese Weise hätten viele Menschenleben gerettet und das Schlimmste verhindert werden können, argumentierte der Kanzler: „Auch wirtschaftlich werden wir besser aus der Krise kommen.“

Das sei aber nicht das Werk der Regierung, sondern aller Menschen in Österreich, die die verhängten Einschränkungen gemeinsam umgesetzt hätten und umsetzen würden. Dafür bedankte sich Kurz erneut ausdrücklich bei der Bevölkerung.

„Diametral“ unterschiedliche Expertisen

Die Experten im Krisenstab leisteten „einen wichtigen Beitrag“. Teilweise würden sie aber „diametral“ unterschiedliche Einschätzungen abgeben. Daher habe er in seiner Entscheidungsfindung auch auf internationale Kontakte gesetzt. Mit ein Grund, warum Österreich „so rasch“ reagiert habe, sei der Austausch mit Ländern wie Israel, Japan und Singapur gewesen. Viele andere Länder seien danach Österreich gefolgt.

Kurz: Nie einzelnen Experten kritisiert

Zum Abgang des Gesundheitswissenschaftlers Martin Sprenger aus dem Beraterstab des Sozialministeriums erklärte Kurz, dass er nie einen einzelnen Experten kritisiert habe. Er versuche, sich in vielen Gesprächen ein Bild der Lage zu machen.

Gerade bei der Maskenpflicht seien etwa das Robert-Koch-Institut (RKI) und die Weltgesundheitsorganisation (WHO) zunächst anderer Meinung gewesen, so Kurz: „Sie haben diese aber dann geändert.“ Gerade wenn Meinungen auseinandergehen, brauche es eine Regierung, die Entscheidungen trifft. Und als Bundeskanzler habe er dabei die „Letztverantwortung“.

Lückenlose Aufklärung von Causa Ischgl

Falls es in Ischgl Fehlverhalten gegeben habe, werde dieses „lückenlos aufgeklärt“, sagte Kurz. Personen, die vertuscht hätten, würden auch bestraft. Er sprach sich aber gegen mediale Vorverurteilung und gegenseitige Schuldzuweisungen, welches Land für die Pandemie verantwortlich zu machen ist, aus. Dass vereinzelt Tourismusbetriebe wegen der Maßnahmen die Republik klagen würden, müsse er akzeptieren, so Kurz: „Wir leben in einem Rechtsstaat.“

SPÖ fordert Staatsbeteiligungen

Für die SPÖ bekräftigte deren Industriesprecher Rainer Wimmer die Forderung nach einer Staatsbeteiligung an der AUA. Wenn große Firmen mehr als 100 Millionen Euro Staatshilfe erhalten, solle sich der Staat beteiligen. Wenn die AUA wieder in die Gewinnzone komme, habe die Beteiligung einen Nutzen für die Republik, so Wimmer.

FPÖ: Maßnahmen „alles andere als fair“

FPÖ-Generalsekretär Michael Schnedlitz wiederum warf dem Kanzler vor, von einer ehrlichen Informationspolitik „meilenweit“ entfernt zu sein. ÖVP und Grüne würden „Krisenmarketing mit einem kräftigen Schuss Eigenlob“ betreiben.

Die türkis-grünen Maßnahmen für Wirtschaft und Arbeitsmarkt seien zudem „halbherzig und alles andere als fair“, so der freiheitliche Befund. Für einen fairen Umgang mit allen geschädigten Wirtschaftstreibenden bräuchte es einen Rechtsanspruch auf Entschädigung, der aber durch die Sondergesetze gestrichen wurde.