Die russischen Teilnehmer „Little Big“
Eurovision 2020/Little Big
Trotz Absage

Song Contest lässt sich nicht unterkriegen

Zum ersten Mal in seiner 65-jährigen Geschichte findet der Song Contest heuer aufgrund der Coronavirus-Krise nicht statt. Unumstritten war die Entscheidung offenbar nicht, vor allem Deutschland wollte das Event mit einem Alternativkonzept retten. Jetzt gibt es vom Veranstalter EBU eine Ersatzshow im Mai – plus mehrere Alleingänge einzelner Länder. Der ORF begeht seinen „kleinen“ Song Contest schon diese Woche.

Abendshows am Dienstag, Donnerstag und Samstag, durch die Andi Knoll führt, alle Beiträge aus 41 Ländern, Teletwitter und ein Sieger am Samstagabend: Diese Fixpunkte des richtigen Song Contests bleiben auch in der heurigen ORF-Variante erhalten, die schon am Dienstagabend beginnt. Das meiste andere unterscheidet sich aber deutlich.

So gibt es nicht zwei Semifinale und ein großes Finale. An den drei Abenden wird jeweils rund ein Drittel der Songs präsentiert – und jeden Abend wählt eine Expertenjury ihren Favoriten des Abends. Die Jury besteht aus zehn ehemaligen heimischen Song-Contest-Teilnehmern: Waterloo, Simone, Petra Frey, Manuel Ortega, Alf Poier, Eric Papilaya, Nadine Beiler, Conchita, Zoe und Cesar Sampson. Auch bei der Punktevergabe geht man recht frei an die Sache heran.

TV-Hinweis

Der „kleine“ Song Contest ist am Dienstag, Donnerstag und Samstag jeweils um 20.15 Uhr in ORF1 zu sehen.

Am Samstag kommt dann nach der dritten Jurywertung das Publikum ins Spiel: Aus den drei Tagesgewinnern wird dann der Sieger des „kleinen“ Song Contests gewählt. Und das Publikum ist an allen drei Abenden aufgerufen, per Teletwitter seinen Senf abzugeben. Die besten auf Twitter mit dem Hashtag #ESCORF geposteten Kommentare werden von der Teletext-Redaktion ausgewählt und werden über Teletext Seite 780 am unteren Bildschirmrand eingeblendet.

ORF zeigt Lieder des abgesagten Song Contests

Im Mai hätte in Rotterdam der 65. Eurovision Song Contest stattfinden sollen. ORF1 strahlt trotz der Absage des Wettsingens diese Woche einen „kleinen“ Song Contest mit allen Teilnehmerliedern an drei Abenden aus.

In Spanien gewann Spanien

Noch früher dran war Spanien: Der spanische Sender RTVE verlegte den Song Contest heuer auf Ende März und ins Netz. Beim mehrtägigen Onlinevoting war eine der wichtigsten Song-Contest-Regeln außer Kraft – man durfte auch für das eigene Land abstimmen. Wenig verwunderlich entschied deshalb auch der spanische Kandidat Blas Canto mit „Universo“ das nationale Voting für sich. Der österreichische Vertreter Vincent Bueno lag bei den Spaniern immerhin auf dem 13. Platz. Auch der spanische Fanclub feierte die traditionelle Pre-Party nicht im Club La Riviera in Madrid, sondern ebenfalls online – mit dabei waren per Video 20 Kandidatinnen und Kandidaten des heurigen Jahrgangs.

Schweden lässt Publikum entscheiden

Auch Schweden lässt sich vom Coronavirus nicht die Show stehlen, in zwei Abendshows wird vom Schwedischen Fernsehen SVT der Sieger gekürt. In einer Samstagabendshow am 9. Mai werden alle 41 Beiträge gezeigt, mit der App des Melodifestivalen, der schwedischen Vorausscheidung, wählt das Publikum die 25 beliebtesten Songs aus, am Donnerstag drauf treten diese 25 dann zum Finale „Eurovision: Sveriges 12:a“ („Eurovision: Schwedens 12 Punkte“) an. Auch hier hat nur das Publikum das Sagen und kürt dann den Sieger.

EBU-Ersatzshow am Finaltag

Ebenfalls eine eigene Show hat die BBC angekündigt: Unter dem Titel „Eurovision: Come Together“ will man am 16. Mai, also an jenem Tag, an dem das heurige Finale geplant war, die britischen Fans auf ihr Kosten kommen lassen. Terminlich kommt man dabei aber der EBU, der European Broadcasting Union, in die Quere, die eine zweieinhalbstündige Ersatzshow mit dem Titel „Europe Shine a Light“ geplant hat.

Die 41 Sänger, die eigentlich in Rotterdam auftreten sollten, sollen in der alternativen TV-Show gemeinsam einen früheren Song-Contest-Hit singen – allerdings jeder in seinem eigenen Land. Außerdem werde ein Fragment ihres ursprünglichen Beitrages für den Wettbewerb gezeigt. Mit ihrem Vorgehen machte sich die EBU nicht nur Freunde. Sie entschied, dass die heurigen Songs jedenfalls nicht im nächsten Jahr an den Start gehen dürften. Den Ländern stehe es aber frei, dieselben Künstlerinnen und Künstler dann für 2021 zu nominieren, was etliche Länder, darunter Österreich, schon bestätigten.

Alternative Konzepte kamen nicht zum Zug

Vor allem aber die Ersatzshow war umstritten. Von der EBU und dem Veranstalterland Niederlande hieß es, man könne kein Event, das ein Voting beinhalte, veranstalten, weil dann die Ausfallszahlungen der Versicherung gefährdet seien. Deutschland, allen voran ARD-Unterhaltungskoordinator Thomas Schreiber, hätte sich sehr wohl eine adaptierte Form des Song Contests vorstellen können. Schreiber sagte dem Medienmagazin „DWDL“, er habe gemeinsam mit Stefan Raab ein Alternativkonzept der EBU präsentiert, sei aber abgeblitzt. Die ARD wird „Europe Shine a Light“ nun übertragen, Raab will hingegen eine alternative Show in Deutschland auf die Beine stellen.

Schräge Beiträge waren Favoriten

Heftig spekuliert wird in Fankreisen über das „Was wäre, wenn“: Also hätte man einen besonders abwechslungsreichen oder einen eher eintönigen Song Contest heuer erlebt? Für beides gibt es Anhaltspunkte. Geht es aber nach den Einschätzungen von Expertinnen und Experten und auch den Wettquoten vor der Absage, dann wären die Chancen hoch gestanden, dass ein eher ungewöhnlicher und witziger Beitrag als Sieger hervorgegangen wäre.

So sorgte der lakonisch-ironische isländische Beitrag „Think About Things“ von Dadi Freyr und Gagnamagnid für Aufsehen. Ganz ähnlich gelagert wäre der litauische Beitrag „On Fire“ des Trios The Roop: Auch hier trifft eingängiger Elektropop auf selbstironische Inszenierung.

Große Stücke wurden von Russland erwartet. Das Land wollte die Rave-Pop-Band Little Big mit „Uno“ in die Niederlande schicken – was als mutige und überraschende Entscheidung aufgenommen wurde. Sie gelten als russische Antwort auf die südafrikanische Band Die Antwoord – mit ähnlich verschwimmenden Grenzen zwischen Satire und Wahnsinn. Sänger Ilja Prussikin rief dann nach der Absage auch gleich einen Art Quarantäne-Song-Contest ins Leben.