Menschen mit Schutzmasken in der Chamartin Station in Madrid
APA/AFP/Pierre-Philippe Marcou
Coronavirus

Erste Länder lockern Maßnahmen

Neben Österreich haben auch andere europäische Länder eine erste Lockerung ihrer in der Coronavirus-Krise ergriffenen Maßnahmen gewagt. Die Wirtschaft soll langsam wieder hochgefahren und das Alltagsleben wiederaufgenommen werden. Doch Virologen und Virologinnen warnen: Es bestehe das Risiko, dass die Infiziertenzahlen wieder hochschnellen.

Hunderttausende Spanierinnen und Spanier durften am Montag erstmals nach zwei Wochen wieder zur Arbeit fahren. Der „Winterschlaf“, mit dem die Regierung den Kampf gegen die Pandemie intensiviert hatte, ging in jenen Regionen zu Ende, in denen der Ostermontag kein Feiertag ist, zum Beispiel in Madrid.

Ministerpräsident Pedro Sanchez warnte allerdings am Sonntag, es gebe noch keine echte Abschwächung der Ausgehsperre. „Erste Lockerungen wird es frühestens in zwei Wochen geben. Und die werden schrittweise und vorsichtig sein“, sagte er. Die 47 Millionen Bürger dürfen somit weiterhin weder spazieren gehen noch Sport im Freien treiben.

Im von der Pandemie schwer betroffenen Land war der Alarmzustand samt Ausgangssperre kürzlich bis zum 25. April verlängert worden. Die positive Tendenz im Kampf gegen das Virus hielt allerdings auch über Ostern an. Am Montag meldeten die Behörden knapp 3.500 neue Infektionsfälle, die niedrigste Zahl seit dem 20. März.

Blick auf die Altstadt von Pamplona, Spanien
AP/Alvaro Barrientos
Nach wie vor gilt in Spanien eine strenge Ausgangssperre – die Straßen, hier in Pamplona, bleiben noch bis Ende April leer

Osterwochenende als „Wendepunkt“ in Litauen

Auch im EU-Land Litauen keimt Hoffnung auf. Regierungschef Saulius Skvernelis hatte mehrfach betont, dass das Verhalten der Bevölkerung über die Feiertage entscheidend für mögliche Lockerungen der geltenden strengen Coronavirus-Maßnahmen sei. Das Osterwochenende könnte ein „Wendepunkt“ werden, nach dem bei einer stabilen Situation eine langsame Rückkehr zur Normalität erfolgen könnte, sagte er am Karfreitag.

Am Mittwoch will die Regierung einen genaueren Plan vorlegen. Seit Freitag gilt in Litauen eine Mundschutzpflicht in der Öffentlichkeit – im Vorgriff auf die vorgesehenen Lockerungen. Den Anfang sollen Maßnahmen für kleine Unternehmen machen.

„Erste vorsichtige Phase“ der Öffnung in Dänemark

In Dänemark treten am Mittwoch die ersten Lockerungen in Kraft. In einem ersten Schritt werden von Mittwoch an Kinderkrippen, Kindergärten sowie die Schulen für Kinder bis zur fünften Klasse wieder öffnen. Damit will die dänische Regierung zunächst die Eltern entlasten, die sich bisher neben der Arbeit auch noch um ihre jüngeren Kinder kümmern mussten.

Ministerpräsidentin Mette Frederiksen sprach von einer „ersten vorsichtigen Phase“ der Öffnung. Alle weiteren Maßnahmen hat Frederiksen im selben Atemzug um vier Wochen verlängert: Die dänischen Grenzen bleiben vorläufig bis zum 10. Mai geschlossen. Gleiches gilt Frederiksen zufolge zumindest bis zur nächsten Phase der Öffnung – für Restaurants, Cafes, Lokale sowie Theater und weitere Freizeiteinrichtungen.

Die Norweger folgen bei ihrem Weg aus der Coronavirus-Krise teilweise dem Kurs Dänemarks. Zwar werden die Kindergärten erst am 20. und die Schulen für Erst- bis Viertklässler am 27. April geöffnet, wie Regierungschefin Erna Solberg vor Ostern ankündigte. Doch der Plan aus Oslo geht noch ein bisschen weiter: Unter anderen dürfen Friseure, Physiotherapeuten und Psychologen noch im April die Arbeit wiederaufnehmen. Die Grenzen des Landes bleiben weiter zu.

Tschechien will „kontrollierte Aufhebung“ der Verbote

Eine Öffnung der Grenzen zeichnet sich auch in Tschechien noch nicht ab. Die Regierung hat zwar weitere Ausnahmen beim geltenden Ein- und Ausreiseverbot in Aussicht gestellt, eine Wiederaufnahme des Reiseverkehrs scheint aber aktuell nicht zur Debatte zu stehen: „Ich denke, dass das sicherlich keine Frage der nächsten Wochen ist – vielleicht nicht einmal der nächsten Monate“, sagte Gesundheitsminister Adam Vojtech im öffentlich-rechtlichen Fernsehen.

Im Gegensatz zu vielen anderen Ländern sind in Tschechien jedoch seit Donnerstag die ersten Geschäfte wie Baumärkte wieder geöffnet. In den kommenden Tagen will die Regierung einen Plan für die weitere Lockerung der Maßnahmen vorlegen. „Die Verbote werden nicht wild, sondern kontrolliert aufgehoben“, sagte Ministerpräsident Andrej Babis in einer TV-Ansprache. Der Schulbetrieb soll frühestens Ende Mai wiederaufgenommen werden.

Menschen mit Mundschutz sitzen mit vorgeschriebenem Abstand in einer U-Bahn in Madrid
Reuters/Susana Vera
In Madrid fuhren am Montag die ersten wieder mit öffentlichen Verkehrsmitteln in die Arbeit

Polen will die Beschränkungen ab Sonntag schrittweise wieder lockern. „Vom 19. April an werden wir langsam damit beginnen, die Wirtschaft wieder anzufahren“, sagte Gesundheitsminister Lukasz Szumowski dem Radiosender RMF FM. Regierungssprecher Piotr Müller sagte, zunächst würden wahrscheinlich die Einschränkungen für Geschäfte gelockert. Entscheidungen würden noch getroffen.

Italien prüft schrittweise Rückkehr zur Normalität

Auch Italien kündigte an, nach Ostern einige Geschäfte wie jene für Buch- und Schreibwaren wieder zu öffnen – jedoch nicht flächendeckend. Ausgenommen von der Regelung soll etwa die besonders betroffene Region Lombardei sein. Darüber hinaus kündigte die Regierung an, dass ein Expertengremium die Rückkehr zur Normalität planen soll.

Es ist vorgesehen, dass Unternehmen den Anfang machen, bevor die Maßnahmen für die Menschen gelockert werden. Die Schulen könnten bis nach den Sommerferien, also bis September, geschlossen bleiben. Auch die strengen Ausgangsbeschränkungen wurden bis zum 3. Mai verlängert.

Österreich: Geschäfte öffnen unter strengen Auflagen

In Österreich wurden die Ausgangsbeschränkungen bis Ende April verlängert, die Schulen bleiben bis Mitte Mai zu. Doch auch hierzulande scheint man langsam wieder zur Normalität zurückkehren zu wollen. So dürfen seit Dienstag einige Geschäfte unter strengen Auflagen wieder öffnen.

Wie bisher gilt der gewohnte Mindestabstand von einem Meter. Geschäfte bis 400 Quadratmeter, die jetzt aufmachen dürfen, müssen sicherstellen, dass sich pro 20 Quadratmeter nur ein Kunde aufhält. Das heißt, insbesondere bei kleineren Geschäften oder auch bei stärkerem Andrang müssen Kunden ersucht werden, draußen zu warten, bis ein anderer Kunde herauskommt. Zudem herrscht generelle Maskenpflicht beim Einkauf.

Keine Lockerungen in Großbritannien und Frankreich

Keine Lockerung in Sicht ist indes in Großbritannien. Hier sei der Höhepunkt der Pandemie noch nicht erreicht, sagte der britische Außenminister Dominic Raab am Montag. Nach seiner Erwartung werde die Regierung die geltenden Bestimmungen derzeit nicht ändern. Denn wenn die Einschränkungen zu früh gelockert würden, drohe eine „zweite Welle“ an Infektionen.

Gleiches gilt für Frankreich. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron verlängerte die strengen Ausgangsbeschränkungen sogar bis zum 11. Mai. Der Präsident bedankte sich bei allen, die sich an die Regeln halten. Der 11. Mai als Ende der Ausgangsbeschränkungen sei aber nur möglich, wenn sich die Menschen weiter verantwortungsbewusst verhalten, warnte Macron.

Primosch (ORF) zur Lage in Frankreich

ORF-Korrespondentin Cornelia Primosch berichtet aus Paris über die Entwicklung in Frankreich und die Verlängerung der Maßnahmen.

Macron: „Beginn einer neuen Etappe“

„Der 11. Mai wird der Beginn einer neuen Etappe sein“, sagte Macron. Ab dann sollen Schulen und Kindergärten schrittweise wieder öffnen. Restaurants, Cafes oder Hotels sollen aber zunächst geschlossen bleiben. Auch Senioren oder chronisch Kranke sollen dann weiterhin zu Hause bleiben. Ab dem 11. Mai solle es genug Kapazitäten geben, um alle Menschen mit Symptomen zu testen. Wer das Virus hat, solle dann in Quarantäne. Macron sprach sich auch für eine anonyme Anti-Coronavirus-App auf freiwilliger Basis aus.

Die strengen Regeln gelten bereits seit dem 17. März und wurden schon einmal verlängert. Die Französinnen und Franzosen dürfen nur das Haus verlassen, wenn es unbedingt nötig ist. Spaziergänge, Gassigehen oder Sport sind nur eine Stunde pro Tag im Radius von einem Kilometer zur Wohnung erlaubt.

Menschen flanieren an der Seine, in Paris
APA/AFP/Martin Bureau
Während die ersten europäischen Länder ihre Maßnahmen lockern, wurde in Frankreich die Ausgangsbeschränkung verlängert

Deutsche Forscher empfehlen Fahrplan für Lockerung

In Deutschland empfahl ein von der Nationalakademie Leopoldina organisierter Verbund von 26 Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen der Regierung, in der Viruskrise einen Fahrplan „zur allmählichen Rückkehr in die Normalität“ zu entwickeln. Die Pandemie werde „das wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben noch auf Monate bestimmen“, so die Forscher unterschiedlicher Fachrichtungen in einer Stellungnahme am Montag.

Dennoch plädieren sie für eine Lockerung der Kontaktbeschränkungen – wie etwa eine baldige Öffnung bestimmter Schulen und eine Öffnung von Einzelhandel und Gaststätten. Voraussetzung für eine Lockerung sei, dass sich die Neuinfektionen auf einem niedrigen Niveau stabilisierten, das Gesundheitssystem nicht überlastet werde, Infizierte zunehmend identifiziert und Schutzmaßnahmen eingehalten würden.

Virologen vorsichtig

Andere Virologen geben sich indes skeptischer und warnen vor einer zweiten Welle, bei der die Zahl der Infizierten schlagartig nach oben schnellen könnte. Anthony Fauci etwa, der prominente Immunologe und Berater von US-Präsident Donald Trump, riet von „übereilten Schritten“ in die falsche Richtung ab. Er hält eine Rückkehr zur Normalität allenfalls schrittweise und mit regionalen Abstufungen für möglich.

Der Public-Health-Experte Martin Sprenger plädiert für eine differenzierte Herangehensweise, bei der es drei verschiedene „Maßnahmenpakete“ gebe. Hierbei gehe es um die Frage: „Welche Maßnahmen sind zu verschärfen bzw. auszubauen, welche sind beizubehalten und welche Maßnahmen können gelockert werden?“, so Sprenger gegenüber Addendum. Als Beispiel für verschärfende Maßnahmen nannte er etwa den Schutz der Gesundheits- und Langzeitpflegeeinrichtungen. Spenger spricht bei der Lockerung der Maßnahmen von einer „Gratwanderung“, bei der es darum gehe, konkrete Ziele im Auge zu behalten.