Feuerwehrleute während der Bekämpfung eines Waldbrandes in der Nähe des ukrainischen AKW Tschernobyl
APA/AFP/Volodymyr Shuvayev
Rund um AKW-Ruine

Unklare Lage bei Bränden nahe Tschernobyl

In der Sperrzone von Tschernobyl brennt seit Tagen der Wald – offenbar immer näher an der Ruine des 1986 havarierten Atomkraftwerks. Die ukrainischen Behörden versuchen, zu beruhigen, doch darüber, ob die Situation tatsächlich unter Kontrolle ist, gehen die Meinungen auseinander. Laut der Umweltschutzorganisation Greenpeace war ein Brand zuletzt bis auf einen Kilometer an die AKW-Ruine herangerückt. Bilder zeigen das enorme Ausmaß.

Der erste Brand nahe dem früheren Kernkraftwerkskomplex, in dessen Reaktorblock 4 es am 26. April 1986 zur Katastrophe gekommen war, war am 4. April ausgebrochen. Inzwischen sind es mehrere, sie sollen laut offiziellen Angaben aus Kiew inzwischen zumindest eingedämmt sein, hieß es am Dienstag.

Schon zuvor war die ukrainische Regierung um Beruhigung bemüht gewesen: „Keine Gefahr“ für die Kraftwerksruine. Stimmt nicht, hatte Montagabend die Nachrichtenagentur Reuters Greenpeace Russland zitiert, ein Brand sei der nächsten Stelle bis auf einen Kilometer an die Schutzhülle um das frühere AKW herangerückt. Als Quelle für die Behauptung dienten aktuelle Satellitenbilder.

Widersprüchliche Informationen

Laut Greenpeace haben sich die Brände auf einer Fläche von insgesamt 34.000 Hektar ausgedehnt – ein Vielfaches dessen, was die offiziellen Zahlen sagen. Außerdem bestehe die Gefahr, dass durch sie radioaktive Partikel aus der immer noch verseuchten Sperrzone in ein viel größeres Gebiet getragen würden. Die ukrainischen Behörden beteuerten bisher, dass sich die Werte im Rahmen hielten.

Satellitenbild von Waldbränden in der Nähe des Akws in Tschernobyl
Ein größerer Brandherd (am Wochenende) in der Nähe der AKW-Ruine

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenski versprach Transparenz, berichtete am Dienstag der Privat-TV-Sender 112 Ukraine in seinen englischsprachigen Nachrichten. Die Öffentlichkeit müsse die Wahrheit kennen und in Sicherheit sein.

In anderen russisch– bzw. ukrainischsprachigen Medien wurde gemutmaßt, die Regierung könnte zumindest nicht die ganze Wahrheit sagen, es kursierten Bilder und Videos der Brände, die deren Ausmaß verdeutlichen sollten. Sie zeigten eine andere Version als die offizielle, hieß es dazu.

Katastrophenschutz gibt Entwarnung

Das erste Feuer in der Sperrzone war am 4. April registriert worden. Es hatte nach offiziellen Angaben etwa 20 Hektar umfasst, rund 90 Feuerwehrleute waren zur Bekämpfung eingesetzt worden. Mittlerweile kämpften an die 400 Einsatzkräfte mit Unterstützung von schwerem Gerät und aus der Luft gegen die Brände, hieß es am Dienstag. Es seien 110 Kilometer Brandschneisen geschlagen worden, teilte der ukrainische Katastrophenschutz mit.

Fotostrecke mit 5 Bildern

Blick vom Dach des ukrainischen AKW Tschernobyl auf die näher kommenden Waldbrände
AP/Ukrainian Police Press Office
Die Brände waren zuletzt vom früheren AKW-Gelände aus deutlich zu sehen
Luftaufnahme eines Waldbrandes in der Nähe des ukrainischen AKW Tschernobyl
APA/AFP/Volodymyr Shuvayev
Mehrere Brandherde in der Sperrzone
Feuerwehrleute während der Bekämpfung eines Waldbrandes in der Nähe des ukrainischen AKW Tschernobyl
Reuters/State Emergency Service Of Ukraine
Etwa 400 Einsatzkräfte kämpften zuletzt gegen die Brände
Feuerwehrleute während der Bekämpfung eines Waldbrandes in der Nähe des ukrainischen AKW Tschernobyl
APA/AFP/Volodymyr Shuvayev
Riesige schwarze Flächen
Verrauchte Straße während eines Waldbrandes in der Nähe des ukrainischen AKW Tschernobyl
Reuters/State Emergency Service Of Ukraine
Kaum Sicht durch dichten Rauch

Ein Grund für das Misstrauen: Die ukrainischen Behörden hatten seit Tagen keine Angaben zu den Bränden und möglichen von ihnen ausgehenden Gefahren gemacht. Am Dienstag hieß es, es gebe keine „offenen“ Feuer mehr. Gemeint war damit offenbar, dass die Brandherde durch Schneisen eingegrenzt werden konnten.

„Riesig“ und „unberechenbar“

Das Brandbeobachtungszentrum für Osteuropa (REEFMC) der ukrainischen Universität für Umweltwissenschaften hatte die Brände kurz zuvor noch „riesig“ und „unberechenbar“ genannt. Montagabend hatte es auch Berichte gegeben, wonach ein Brand bereits die verlassene Stadt Pripjat erreicht habe. Sie liegt wenige Kilometer von der AKW-Ruine entfernt.

Als Ursache für die Brände gilt grobe Fahrlässigkeit bzw. Brandstiftung, wie etwa die „Kyiv Post“ (Onlineausgabe) berichtete. Zwei Tage nach Ausbruch des ersten Feuers habe die Polizei einen Mann festgenommen. Der laut der englischsprachigen ukrainischen Wochenzeitung 27-Jährige habe angegeben, er habe in der Sperrzone aus Langeweile Abfall und trockenes Laub angezündet.

Die Katastrophe vom April 1986

Im damals noch sowjetischen AKW Tschernobyl war es vor fast genau 34 Jahren zur Katastrophe gekommen, nachdem ein Sicherheitstest aus der Bahn gelaufen war. Er hätte einen Stromausfall simulieren sollen, die externe Stromversorgung, die für die Kühlsysteme notwendig war, wurde versuchsweise abgeschaltet. Es kam zu einer unkontrollierten Leistungssteigerung und zu einer Explosion im 1983 in Betrieb genommenen Block 4 des Kraftwerks. Anschließend wurden große Mengen an Radioaktivität freigesetzt.

Touristen machen Fotos von dem Tschernobyl-Reaktor
APA/AFP/Genya Savilov
Die AKW-Ruine hinter ihrer Schutzhülle ist mittlerweile ein Touristen-Hotspot

Die Umgebung des AKW ist bis heute verstrahlt, nach dem Reaktorunglück war die Gegend in einem Radius von 30 Kilometern rund um das Kraftwerksgelände zur Sperrzone erklärt worden. Sie darf seit einigen Jahren – mit offizieller Erlaubnis und im Rahmen geführter Touren – wieder betreten werden. Im Vorjahr gab es Berichte, wonach die Sperrzone regelrecht von Touristinnen und Touristen gestürmt werde. Als Anlass wurde unter anderem eine US-britische Serie („Chernobyl“) über die Reaktorkatastrophe und ihre Folgen genannt.