Sonnenuntergang hinter dem Bankenviertel von Frankfurt
AP/Michael Probst
IWF-Prognose

Weltwirtschaft vor dramatischer Rezession

Der Internationale Währungsfonds (IWF) hat wegen der Coronavirus-Krise seine Schätzungen für die Weltwirtschaft innerhalb weniger Monate so stark gesenkt wie nie zuvor. „Die Welt hat sich in den vergangenen drei Monaten dramatisch verändert“, hieß es am Dienstag im IWF-Weltwirtschaftsausblick. 2020 werde vermutlich die schlimmste Rezession seit der Großen Depression in den 1930er Jahren bringen.

„Diese Krise ist wie keine andere bisher“, so der IWF-Bericht. Die wirtschaftliche Lage sei noch schlimmer als in der Finanzkrise 2008/09. Für das nächste Jahr erwartet der IWF eine kräftige Erholung, räumt aber ein, dass diese Schätzung in erster Linie von der Dauer der Pandemie abhänge und daher noch mit „extremer Unsicherheit“ behaftet sei. Die Weltwirtschaft wird laut IWF 2020 um drei Prozent schrumpfen. Damit wurde die Jänner-Schätzung um 6,3 Punkte reduziert.

Das wäre ein schlimmerer Wirtschaftseinbruch als jener nach der globalen Finanzkrise 2008/2009. In jener Finanzkrise hatte die Weltwirtschaft in etwa stagniert, damals waren primär Industriestaaten betroffen. Doch jetzt sind de facto alle Länder in Mitleidenschaft gezogen: „Es ist eine wirklich globale Krise, weil kein Land verschont bleibt“, sagte IWF-Chefvolkswirtin Gita Gopinath am Dienstag. Der IWF rechnet daher mit der schwersten globalen Rezession seit fast hundert Jahren.

Geschlossenes Geschäft in London
APA/AFP/Justin Tallis
Keine Kunden und Kundinnen, keine Verkäufer und Verkäuferinnen – der IWF erwartet eine Jahrhundertrezession für die Weltwirtschaft

Schnelle und umfangreiche Rettungsprogramme „positiv“

Im Jänner hatte der IWF für 2020 noch ein globales Wachstum von 3,3 Prozent prognostiziert, die 19 Länder der Euro-Zone sollten um 1,3 Prozent zulegen. Positiv wertete der IWF jedoch die schnellen und umfangreichen Rettungsprogramme zahlreicher Regierungen, die sich auf mehrere Billionen Dollar summieren. Dazu kämen die Hilfen der Notenbanken rund um den Globus. Laut IWF sollte im zweiten Halbjahr eine allmähliche Erholung einsetzen. 2021 dürfte die Weltwirtschaft dann um 5,8 Prozent wachsen.

Für 170 Länder der Welt rechnet der IWF für dieses Jahr mit schrumpfenden Pro-Kopf-Einkommen. Die Weltwirtschaftsleistung werde wegen der Pandemie daher 2020 und 2021 wohl um rund neun Billionen US-Dollar (8,2 Billionen Euro) sinken, sagte Gopinath. Für die USA als weltgrößte Volkswirtschaft erwartet der IWF 2020 ein Minus von 5,9 Prozent. Für 2021 wird dort ein Wachstum von 4,7 Prozent erwartet.

Geschlossenes Geschäft in Paris
APA/AFP/Thomas Coex
Eine geschlossene Boutique in Paris. Vor allem die Wirtschaft europäischer Länder könnte heuer dramatisch schrumpfen.

Euro-Zone stark betroffen

Die Wirtschaft der Euro-Zone dürfte heuer um 7,5 Prozent schrumpfen. Schlechter sieht die Lage in den besonders stark von der Pandemie betroffenen Ländern Italien und Spanien aus. Dort rechnet der IWF mit einem Minus von 9,1 beziehungsweise 8,0 Prozent. Noch im Jänner hatte der IWF für die Euro-Zone für 2020 ein Wachstum von 1,3 Prozent prognostiziert.

Für 2021 rechnet der IWF für die 19 Länder der Euro-Zone mit einer Erholung und einem Wirtschaftswachstum von 4,7 Prozent. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass die Pandemie im zweiten Halbjahr weitgehend unter Kontrolle gebracht werden kann und sich auch das Wirtschaftsleben wieder normalisiert. Auch die globale Wirtschaft soll dann im Vergleich zu 2020 um starke 5,8 Prozent wachsen.

IWF: Österreichs BIP sinkt 2020 um sieben Prozent

In Österreich erwartet der IWF 2020 einen Rückgang des Bruttoinlandsprodukts (BIP) um sieben Prozent. Für 2021 wird dann mit einer Erholung der Wirtschaftsleistung und einem BIP-Anstieg um 4,5 Prozent gerechnet. Die österreichischen Wirtschaftsforscher hatten in ihrer am 26. März veröffentlichten Prognose einen Rückgang des BIP um mindestens 2,0 Prozent (IHS) bzw. 2,5 Prozent (WIFO) für heuer prognostiziert. Die Oesterreichische Nationalbank (OeNB) erwartete Ende März in einem moderaten Szenario einen Rückgang der Wirtschaftsleistung um 3,2 Prozent.

Schätzungen für China besser

Die Schwellen- und Entwicklungsländer dürften zusammen ein Prozent Wirtschaftsleistung verlieren. Für die Staaten Afrikas südlich der Sahara rechnet der IWF 2020 mit einem Schrumpfen der Wirtschaftsleistung von 1,6 Prozent. Besonders hart soll es dort die größten Volkswirtschaften treffen, Nigeria (minus 3,4 Prozent) und Südafrika (minus 5,8 Prozent). Für Südamerika und die Karibik rechnet der IWF für dieses Jahr mit einem Minus von 5,2 Prozent, für den Nahen Osten und Zentralasien mit 2,8 Prozent.

Besser sind die Schätzungen für China, wo die Einschränkungen des öffentlichen Lebens bereits gelockert wurden. Die Wirtschaft der Volksrepublik dürfte laut IWF 2020 um 1,2 Prozent wachsen und 2021 um 9,2 Prozent.

Noch viele unbekannte Faktoren

Die Pandemie könnte sich aber als dauerhafter herausstellen, hieß es im IWF-Bericht. Das sei momentan die größte Unbekannte in den Schätzungen. Sollte sich die gesundheitliche Lage 2021 nicht bessern, könnten die Schätzungen für die Weltwirtschaft im schlimmsten Fall um acht Prozentpunkte nach unten abweichen – dann würde sich die Rezession nächstes Jahr fortsetzen.

Geschlossenes Einkaufszentrum in Tokyo
Reuters/Issei Kato
Die Einkaufszentren sind geschlossen, ganze Städte im „Lock-down“-Modus – nicht ohne Folgen für die Wirtschaft

Appell an Regierungen

Der IWF forderte alle Regierungen auf, die Wirtschaft gezielt zu unterstützen, um die Folgen der Krise zu überwinden. Dazu gehörten Kreditprogramme für betroffene Unternehmen genauso wie zusätzliche Mittel des Staates, um betroffenen Branchen zu helfen, wie der IWF erklärte. Durch gezielte Hilfen werde der Weg für eine Erholung im kommenden Jahr gelegt, hieß es weiter.

Viele ärmere Staaten haben allerdings nicht genügend Spielraum für zusätzliche Ausgaben. Um sich auf den internationalen Kreditmärkten Geld zu besorgen, müssen Entwicklungs- und Schwellenländer inzwischen höhere Finanzierungskosten in Kauf nehmen. Dutzende Staaten haben daher beim IWF bereits Notkredite beantragt, um ihre Gesundheitssysteme zu stärken und sich den wirtschaftlichen Folgen der Pandemie zu stellen. IWF und Weltbank fordern inzwischen auch, ärmere Länder bis auf Weiteres vom Schuldendienst zu entbinden.