US-Präsident President Trump bei der Pressekonferenz im Rosengarten
Reuters/Leah Millis
Ablenkung von eigener Niederlage

Trump stoppt Zahlungen an WHO

Im zuletzt entbrannten Machtkampf mit zahlreichen Gouverneuren hat US-Präsident Donald Trump überraschend schnell einen Rückzieher gemacht. Trump versuchte diese Niederlage wie gewohnt mit einem – für die Welt gefährlichen – Ablenkungsmanöver zu kaschieren. So kündigte er an, die Zahlungen an die Weltgesundheitsorganisation (WHO) vorerst auszusetzen.

Seit rund zwei Wochen dient die WHO für Trump als Sündenbock. Die WHO ist die einzige Organisation, die zumindest annähernd einen Überblick über die globale Pandemie hat und die mit zahlreichen Handlungsanleitungen vielen Ländern geholfen hat, eine Linie im Kampf gegen das gefährliche Virus zu finden.

Zugleich fehlen ihr die finanziellen Mittel und vor allem die Kooperationsbereitschaft der nationalen Regierungen, um mehr Wirkung zu entfalten. Wenn der mit Abstand größte Beitragszahler, die USA, nun nicht mehr zahlt, trifft das insbesondere die ärmeren Länder, die am meisten auf direkte Hilfe der WHO im Kampf gegen die Pandemie angewiesen sind.

Rückzieher im Machtkampf

Der Grund dafür, dass Trump jetzt den Stopp der Zahlungen ankündigte, hat aber wohl gar nichts mit der WHO zu tun, es geht vielmehr um Macht, Stolz und den Wahlkampf. Denn eine Gruppe von Gouverneuren von Bundesstaaten an der West- und an der Ostküste hatte Trump zu Wochenbeginn de facto das Heft des Handelns aus der Hand genommen und angekündigt, sich in ihren weiteren Maßnahmen untereinander zu koordinieren.

Am Vortag hatte Trump mit der Behauptung, der US-Präsident besitze „absolute Machtbefugnisse“, für Empörung bei den Gouverneuren gesorgt. New Yorks Gouverneur Andrew Cuomo warnte Trump vor einem „diktatorischen“ Verhalten. Der Gouverneur von Pennsylvania, Tom Wolf, sagte: „Wenn man sieht, wie wir die Verantwortung hatten, den Bundesstaat zuzusperren, haben wir vermutlich die Hauptverantwortung, ihn wieder zu öffnen.“

Trump: Entscheidung bei Gouverneuren

Das gestand Trump den Gouverneuren nun auch zu. Die USA würden „in schönen kleinen Stücken“ wieder geöffnet, sagte er. „Unser Land muss sich öffnen und es wird sich öffnen.“ Trotz der hohen Infektionszahlen hält Trump eine baldige Rückkehr zur Normalität in weiten Teilen der USA für möglich. Weniger dicht besiedelte US-Bundesstaaten könnten bereits „vor Ende des Monats“ den Stillstand beenden, sagte Trump am Dienstag. Die Entscheidung darüber sei jedoch den Gouverneuren vorbehalten, betonte er.

WHO als Trumps Bauernopfer

Offensichtlich, um von dieser Niederlage abzulenken, kündigte Trump bei seiner täglichen Pressekonferenz in Washington an, er habe seine Regierung angewiesen, die Zahlungen einzustellen, während „überprüft“ werde, welche Rolle die WHO bei der „schlechten Handhabung und Verschleierung der Ausbreitung des Coronavirus“ gespielt habe. Der Schritt reichte, um von der innenpolitisch heiklen Situation abzulenken.

„Viele falsche Informationen“

Ausgerechnet Trump, der selbst ständig Unwahrheiten und Lügen verbreitet, warf der WHO vor, „viele falsche Informationen“ zu den Übertragungswegen und der Sterblichkeit durch das Coronavirus verbreitet zu haben. „Hätte die WHO ihren Job gemacht und medizinische Experten nach China geschickt, um die Situation an Ort und Stelle objektiv zu beurteilen und (hätte sie) den chinesischen Mangel an Transparenz angeprangert, hätte der Ausbruch an seiner Quelle mit sehr wenigen Toten eingedämmt werden können“, sagte Trump.

Was Trump nicht sagte: China erlaubte es der WHO lange nicht, eigene Leute zu entsenden, und verschleierte zudem lange das wahre Ausmaß. Trumps Kritik müsste sich also gegen China richten. Wahr ist: Die WHO hat offenbar auf Druck der Führung in China Taiwan – das die Epidemie dank frühzeitigen, entschlossenen Handelns bisher gut im Griff hat – aus Beratungen ausgeschlossen. Entsprechende Kritik Taiwans gab es bereits im Jänner und Februar, bevor sich die Epidemie zu einer Pandemie auswuchs.

Peking anerkennt Taiwan nicht und versucht mit allen Mitteln, das Land international zu isolieren. Unklar ist bisher, ob die WHO aus Angst vor einem Stopp der Pekinger Zahlungen agierte oder aus Sorge, dass China sonst jede Kooperation und Informationsweitergabe verweigert.

Für Trump ist alles klar

Trotzdem machte der US-Präsident bei seiner Pressekonferenz die WHO indirekt für den Tod Tausender Menschen verantwortlich. Hätte die WHO anders gehandelt, hätte zudem ein „weltweiter wirtschaftlicher Schaden verhindert“ werden können, sagte der US-Präsident weiter. Die WHO habe stattdessen die „Aktionen der chinesischen Regierung verteidigt“.

Bereits vergangene Woche hatte Trump zu einem Rundumschlag gegen die WHO ausgeholt und mit einem Zahlungsstopp gedroht. Die Organisation werde zwar größtenteils von den USA finanziert, sei aber „chinazentrisch“, kritisierte Trump. Die USA sind der größte Beitragszahler der WHO. Im vergangenen Jahr flossen 400 Millionen Dollar US-Gelder in die internationale Organisation. Die USA würden nun beraten, „was mit all dem Geld, das in die WHO fließt“, getan werden könne, sagte Trump.

Internationale Kritik an Trumps Entscheidung

China selbst forderte die USA auf, ihren Verpflichtungen gegenüber der WHO nachzukommen. Der Sprecher des Außenministeriums, Zhao Lijian, sagte, die Coronavirus-Pandemie, die weltweit fast zwei Millionen Menschen infiziert hat, sei in einem kritischen Stadium, und die Entscheidung der USA werde alle Länder betreffen.

UNO-Generalsekretär Antonio Guterres verurteilte den Zahlungsstopp der USA. Jetzt sei „nicht die Zeit, um die Mittel für die Weltgesundheitsorganisation oder eine andere humanitäre Organisation im Kampf gegen das Virus zu kürzen“, sagte er. In der Pandemie müsse die internationale Gemeinschaft zusammenarbeiten. Der Außenbeauftragte der EU, Josep Borrell, sprach von einer „zutiefst bedauerlichen“ Entscheidung der US-Regierung. „Es gibt keinen Grund, der diesen Schritt zu einem Zeitpunkt rechtfertigt, an dem die Anstrengungen (der WHO) mehr denn je erforderlich sind“, so Borrell.

Moskau übte ebenfalls Kritik an Trumps Schritt. „Das ist der Ausdruck eines äußerst egoistischen Herangehens der amerikanischen Regierung gegenüber dem, was in der Welt in Zusammenhang mit der Pandemie geschieht“, sagte der russische Vizeaußenminister Sergej Rjabkow.

USA das Zentrum der Pandemie

Auch US-Fachleute taten ihren Unmut kund. Patrice Harris, Präsidentin der American Medical Association, nannte es „einen gefährlichen Schritt in die falsche Richtung, der das Besiegen von Covid-19 nicht einfacher macht“, und forderte Trump auf, es sich noch einmal zu überlegen.

„Der Schritt sendet mitten in einer Pandemie die falsche Botschaft“, sagte Amesh Adalja, Experte für Infektionskrankheiten und leitender Wissenschaftler am Johns-Hopkins-Universitätszentrum für Gesundheitssicherheit. Adalja sagte, die WHO mache Fehler, etwa die verzögerte Reaktion auf den Ebola-Ausbruch in den Jahren 2013 und 2014 in Westafrika. Möglicherweise seien Reformen der Organisation erforderlich, aber das müsse nach dem Ende der Pandemie erfolgen: „Es ist nicht mitten in einer Pandemie die Zeit, so etwas zu tun.“

Andere Kritiker Trumps sahen im Vorgehen des Präsidenten einen Versuch, von seinen eigenen Versäumnissen in der Krise abzulenken. Trump wird vorgeworfen, die Virusgefahr lange kleingeredet zu haben. Wochenlang hatte er versichert, die Lage in den USA sei unter Kontrolle. Inzwischen sind die USA das weltweite Zentrum der Pandemie. Am Dienstag meldete die Johns-Hopkins-Universität einen Rekordanstieg um mehr als 2.200 Todesfälle binnen 24 Stunden. Landesweit starben damit inzwischen mehr als 25.700 Menschen an den Folgen einer Coronavirus-Infektion. Mehr als 605.000 Menschen in den Vereinigten Staaten wurden positiv auf das Coronavirus getestet.

Keine Stellungnahme aus Außenministerium

ÖVP-Außenminister Alexander Schallenberg kommentierte den Zahlungsstopp der USA nicht. Es gebe dazu keine Stellungnahme, hieß es auf APA-Anfrage aus dem Außenministerium. Am Sonntag hatte die türkis-grüne Regierung mitgeteilt, dass Gelder aus dem Auslandskatastrophenfonds unter anderen der WHO zur Bekämpfung von Covid-19 zugutekommen sollen.

Kritik kam von den Grünen: „Wenn die USA in der jetzigen Situation ihre Zahlungen an die WHO einstellen, dann ist das, als würde man die Feuerwehr von einem Brand abziehen“, so die außenpolitische Sprecherin der Grünen, Ewa Ernst-Dziedzic. „In Zeiten der Krise ist die internationale Kooperation gerade im Gesundheitswesen der Schlüssel zum Erfolg. Der von der Trump-Administration gesetzte Schritt ist schlicht unverantwortlich.“