Bundeskanzler Sebastian Kurz und Vizekanzler Werner Kogler
APA/Georg Hochmuth
Umgang mit Opposition

Ein „Lackmustest“ für die Koalition

Die letzten Wochen war die gesamte Republik angesichts der Coronavirus-Pandemie im Krisenmodus. Mit den ersten Lockerungen der weitgehenden Einschränkungen kehrt auch ein Stück weit Normalität zurück – auch in den innenpolitischen Alltag. Wie ÖVP und Grüne nun mit der Opposition umgehen, ist für die Politologin Kathrin Stainer-Hämmerle und den Politologen Peter Filzmaier ein „Lackmustest“ und ein „Signal“.

Nachdem die Oppositionsparteien SPÖ, FPÖ und NEOS zunächst das Gros der Maßnahmen einstimmig mittrugen, änderte sich das mit dem dritten Notmaßnahmenpaket. Die Opposition kritisiert vor allem, dass alle Gesetze als Sammelgesetze verabschiedet wurden. Die Folge dieses Vorgehens ist, dass keine differenzierte parlamentarische Debatte über einzelne Maßnahmen möglich ist. Abgeordnete können nur das gesamte Paket annehmen oder ablehnen, nicht aber einzelne Bestimmungen.

Für Stainer-Hämmerle ist es daher ein „Lackmustest“ für die Regierung im Umgang mit der Opposition, ob die Regierungsparteien ÖVP und Grüne die nächsten Maßnahmen gegen die Coronavirus-Krise wieder als Sammelgesetz beschließen lassen wollen. Das sei eigentlich eine „Unart“, da es der Opposition „die Chance nimmt, differenziert zu debattieren und Abänderungsanträge einzubringen“, so die Politologin im Telefoninterview gegenüber ORF.at.

Mittlerweile gibt es Bedenken von Fachleuten, Teile der Gesetze und der darauf basierenden ministeriellen Verordnungen und Erlässe könnten verfassungswidrig sein. Die Kritik am Vorgehen der Regierung stieg deshalb seit letzter Woche deutlich.

Zugehen auf Opposition?

Nachdem Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) Dienstagmittag Änderungen noch eine Absage erteilte, kündigte Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) Stunden später an, er werde sich mit Experten diesbezüglich beraten. Eventuelle „Unschärfen“ werde man „selbstverständlich bereinigen“. Am Mittwoch folgte ein zweiter Schritt des Entgegenkommens der Regierung: Das Finanzministerium schloss nun einen von der Opposition geforderten Unterausschuss zur Kontrolle der Vergabe von Milliarden an Coronavirus-Krisenhilfe nicht mehr aus. Die fünf Parlamentsklubs sollen nun darüber beraten.

„Wichtiges Signal für Demokratie“

Der Politologe Filzmaier sieht darin, so der Unterausschuss kommt, ein klares „Signal“ der Regierung – und ein wichtiges für die Demokratie, nämlich insofern, „dass es gerade in Ausnahmesituationen und bei weitreichenden Gesetzen, bei denen die Regierung – wohlgemerkt demokratisch legitimiert – agiert, es eine starke Kontrolle braucht. Das ist es, was einen Staat im Gleichgewicht hält.“

Das Signal der Regierung sei aber nicht, dass man die Opposition „inhaltlich ins Boot holt“. Es gehe nicht um ein Ende der politischen Auseinandersetzung, die zur Demokratie gehöre, sondern um eine klare Rollenverteilung. Dafür müsse man aber eben auch „die nötigen Kompetenzen zugestehen“ – also der Opposition etwa via Unterausschuss die Kontrolle über die Vergabe der Milliardenhilfen zu ermöglichen.

Neue Phase

Filzmaier sieht mit den ersten Lockerungen auch politisch eine Art neue Phase gekommen. Bisher habe die Koalition aufgrund der akuten Krise alle Konflikte und Unterschiede zwischen ÖVP und Grünen auf die Seite schieben können. Das werde sich nun ändern müssen. Besonders strittige Themen wie der Umgang mit Flüchtlingen, aber auch die Aufarbeitung der Causa Ischgl müssten wohl zur „Chefsache“ zwischen Kurz und Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) erklärt werden, sagte Filzmaier.

Stainer-Hämmerle kann sich vorstellen, dass ÖVP und Grüne im Umgang mit der Opposition auch etwas Vorausdenken für die Zeit nach der akuten Krise. Dann müssten möglicherweise auch Gesetze, die eine Zweidrittelmehrheit benötigen, beschlossen werden, etwa um die nun aufgenommenen Schulden wieder abzubauen.

Aufwertung der Sozialpartner

Die Politologin ist aber überzeugt, dass die Regierung eher auf die Sozialpartner als die Opposition setze. Der Österreichische Gewerkschaftsbund (ÖGB) sei weniger eng mit der SPÖ verbunden als in der Vergangenheit. Die Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ) habe eine neue Rolle mit der Abwicklung der Hilfen für Unternehmen erhalten. Für Stainer-Hämmerle ist das der Versuch der Regierung, „Breite zu gewinnen“. Es sei wohl nicht im Interesse von Kurz, etwa die SPÖ parteipolitisch „zurückzuholen“.