Telefon zeigt Corona-App des Roten Kreuzes
ORF.at/Viviane Koth
ARGE Daten

Rotkreuz-App „nicht praxistauglich“

Die „Stopp Corona“-App des Roten Kreuzes ist für die ARGE Daten „nicht praxistauglich“. Die Matching-Wahrscheinlichkeit – also die Tatsache, dass ein aufgezeichneter „Match“ auch ein tatsächlicher Kontakt innerhalb von zwei Metern ist – liege bei weniger als einem Promille, hieß es am Mittwoch in einer Aussendung. Ein Lottogewinn sei wahrscheinlicher, die App gebe daher „falsche Sicherheit“.

Die App könne weder feststellen, ob jemandem die Hand gegeben wurde, noch, ob eine kontaminierte Fläche berührt wurde, so die ARGE Daten. Auch die technischen Möglichkeiten zur Distanzmessung sind für die Datenschutzorganisation unzureichend, da es an Genauigkeit fehle. Die Wahrscheinlichkeit, das über Bluetooth festzustellen, liege etwa „optimistisch geschätzt“ bei höchstens 25 Prozent.

„Von Exitstrategie keine Spur, eine ungeeignete Smartphone-App wird als Lösung aller Probleme verkauft“, lautet das Attest der ARGE Daten, die daher empfiehlt: „Finger weg von der App, vernünftige Distanz halten, regelmäßig Hände waschen!“

Telefon zeigt Corona-App des Roten Kreuzes
APA/Harald Schneider
Die App steht im App-Store von Apple und im Google-Play-Store bereit

Zusammenarbeit mit Apple und Google geplant

Die App des Roten Kreuzes wird in Zukunft voraussichtlich als Basis die Initiative von Apple und Google nutzen, die künftig das Rückverfolgen von Kontakten via Smartphone ermöglichen soll, wie der „Standard“ (Onlineausgabe) am Mittwoch schrieb. Michael Zettel, Österreich-Chef von Accenture Österreich, der Entwicklerfirma der App, bestätigte der Zeitung, dass man bereits im Gespräch mit den IT-Konzernen sei, um einen frühzeitigen Zugang zu erhalten. Man prüfe aktuell die verfügbaren technischen Konzepte und Schnittstellen, so die Zeitung weiter.

Beide US-Technologieriesen arbeiten über Geräte- und Betriebssystemgrenzen hinweg zusammen und wollen damit die Interoperabilität – also eben die Zusammenarbeit über unterschiedliche Systemen hinweg – für Apps von Gesundheitsbehörden gewährleisten. In einem ersten Schritt sollen bis Mitte Mai Programmierschnittstellen (APIs) veröffentlicht werden, mit denen die Apps dann arbeiten können.

Etwas später sollen die Anwendungen in das jeweilige Betriebssystem integriert werden, was als nachhaltiger und schneller in der Ausspielung der Informationen gilt. Eigene Apps wollen die Konzerne nicht entwickeln. 99 Prozent aller Smartphones weltweit nutzen die Betriebssysteme von Apple und Google.

Rotes Kreuz sieht App als vierte Maßnahme

Mehrere 100.000-mal wurde bisher die App des Roten Kreuzes bereits auf Smartphones heruntergeladen. Das Rote Kreuz will die Verwendung der App mit einer Werbekampagne weiter bewerben, wie es Ende letzter Woche hieß. „Wir sehen, dass die App genutzt wird“, sagte Projektleiter Christian Winkelhofer vom Entwicklerteam bei Accenture Österreich am Freitag. In der neuen Version werden Begegnungen mit anderen nicht mehr nur manuell, sondern auch automatisch registriert und können gespeichert werden, dazu kam ein Symptom-„Checker“.

Gerry Foitik, Bundesrettungskommandant des Roten Kreuzes, kündigte in einem Onlinegespräch am Freitag auch eine Werbekampagne an, die die Verbreitung der App nach Ostern steigern soll. Über Medien und Interessenverbände möchte das Rote Kreuz die Bedeutung der Applikation vermitteln und sie im Kampf gegen die Coronavirus-Pandemie neben Händewaschen, Abstandhalten und dem Tragen von Mund-Nasen-Schutz als vierten wichtigen Punkt etablieren.

Telefon zeigt Corona-App des Roten Kreuzes
APA/Roland Schlager
Mit der App soll laut dem Roten Kreuz die Ansteckung in der Bevölkerung verlangsamt werden

Fachleute über Verbreitungsgrad

„Jeder, der die App nutzt, leistet seinen Beitrag“, appellierte Foitik am Freitag an die Bevölkerung. Expertenschätzungen, die die App nicht technisch wie etwa die ARGE Daten bewerteten, gehen davon aus, dass solche Apps nur Sinn ergeben, wenn sie flächendeckend, also von mindestens 60 Prozent der Bevölkerung, genutzt werden. Laut Foitik würden auch 40 Prozent reichen, wenn sich die Leute umso besser an die Anweisungen halten und sich selbst isolieren, sobald sie über die App eine Warnung erhalten. „Dann wirkt’s auch“, so Foitik.

Wichtig sei daher auch nicht die Anzahl der Downloads, sondern die Zahl der infektionsgefährlichen Kontakte der Menschen. „Wenn Sie gar keinen infektionsgefährlichen Kontakt außerhalb ihrer Familie haben, brauchen Sie diese App nicht“, so Foitik. Für Leute, die etwa berufsbedingt viele Kontakte haben, sei sie aber ein gutes Mittel – „kein Allheilmittel, aber ein Werkzeug in einem Werkzeugkoffer“, veranschaulichte der Rettungskommandant und bat alle Österreicherinnen und Österreicher um Mithilfe, damit die App verbreitet werde und dadurch „ihr Potenzial entfalten“ könne.

Debatte über Verpflichtung „schädlich“

Zur Diskussion über eine verpflichtende Verwendung der App wollte sich Foitik am Freitag nicht mehr umfangreich äußern. „Die Debatte ist schädlich“, sagte er lediglich. Sie lenke vom Nutzen ab, eine Verpflichtung sei überhaupt nicht sinnvoll – man könne die Leute vielleicht zum Download zwingen, aber nicht zum ordentlichen Verwenden der App. „Aber viele werden den Nutzen für sich und für die Gesellschaft erkennen“, zeigte sich Foitik überzeugt. Die App sei eben ein wichtiges Element zur Unterstützung des Kontaktpersonen-Managements und helfe, Infektionsketten zu unterbrechen, sagte er.

Startschuss am 9. März

Der Startschuss erfolgte am 9. März, hieß es vonseiten der Projektleitung über die Genese der App. Danach wurde erarbeitet, wie eine solche App rasch ins Feld gebracht werden könne. „Die App hat nichts mit Big Data zu zun“, hieß es Ende letzter Woche vonseiten der Projektleitung weiter. Die Anwendung speichere keine personenbezogenen Daten und zeichne keine Bewegungsdaten auf – lediglich den Abstand zu anderen Geräten, hieß es letzte Woche auch von der Projektleitung.

Die Kosten der App waren noch nicht abschätzbar, wie Foitik am Freitag sagte. Geldmittel wurden unter anderem von der Uniqa-Stiftung zur Verfügung gestellt, die eine Spende von zwei Millionen Euro beisteuerte. „Die Uniqa bekommt aber kein einziges Datum von uns“, betonte Foitik, sie nehme keinen Einfluss.