Herbert Kickl
APA/Hans Punz
Kritik an Kurz

Opposition gegen „neue Normalität“

Die Opposition kritisiert den Umgang der Regierung und besonders von Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) mit den verfassungsrechtlich abgesicherten Grundrechten in der Coronavirus-Krise. Die von ihm ausgerufene „neue Normalität“ lehnt diese, zumindest als politische Kategorie, ab. Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) verteidigte Kurz.

FPÖ-Klubchef Herbert Kickl forderte am Mittwoch dazu eine klare Stellungnahme von Bundespräsident Alexander Van der Bellen zu den jüngsten Aussagen des Kanzlers. SPÖ und NEOS stoßen sich an der von diesem ausgerufenen „neuen Normalität“. „Auch eine Krisensituation heiligt nicht alle Mittel“, sagte SPÖ-Justizsprecherin Selma Yildirim und verlangte einen sorgfältigen Umgang mit Grund- und Freiheitsrechten.

Yildirim forderte die Einbindung des Parlaments, „statt im Verordnungsweg über alle hinwegzubestimmen“. „Die von der Regierung ausgerufene ‚neue Normalität‘ mit ihren drastischen Eingriffen in Grund- und Freiheitsrechte darf keine Normalität werden“, so Yildirim in einer Aussendung.

NEOS: Gibt keine „neue Normalität“

Kritik an diesem von Kurz ausgegebenen Slogan kam auch von NEOS. „Es gibt entweder Normalität oder nicht. Es gibt keine neue Normalität“, sagte Parteichefin Beate Meinl-Reisinger via Twitter.

Kickl kritisiert Van der Bellen

Kickl kritisierte das Schweigen des Bundespräsidenten zu den jüngsten Aussagen des Bundeskanzlers. Kurz richte dem Verfassungsgerichtshof (VfGH) aus, dass er sich mit den Gesetzen und Verordnungen beschäftigen solle, wenn diese schon außer Kraft sind. „Offenbar hat die Schönheit der Verfassung für ihn (Van der Bellen, Anm.) in dem Moment ihren Reiz verloren, in dem sie auch dem Kanzler nicht mehr besonders wichtig zu sein scheint“, kritisierte Kickl in Anspielung auf ein Zitat des Staatsoberhaupts aus der „Ibiza-Krise“.

Edtstadler verteidigt Kurz

Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) begrüßte am Mittwoch die vom Gesundheitsministerium eingesetzte Arbeitsgruppe zur Evaluierung der Coronavirus-Rechtsakte.

Kritik an Kurz wies Edtstadler zurück. Er hatte am Dienstag das Funktionieren der Republik als Priorität genannt und gemeint, ob alle Maßnahmen „auf Punkt und Beistrich“ gepasst hätten, werde der Verfassungsgerichtshof im Nachhinein beurteilen. „Letztlich kann man einer Beurteilung des Verfassungsgerichtshofs nicht vorgreifen, das ist das Wesen eines Rechtsstaates“, so Edtstadler.

Die inhaltliche Verantwortung für deren Verfassungskonformität sieht sie beim jeweiligen Ressort. Der Verfassungsdienst habe wegen des hohen Zeitdrucks keine Stellungnahmen zu den Vorhaben der anderen Ministerien abgeben können. Die nächsten Covid-19-Maßnahmenpakete – aktuell im Raum steht das sechste Sammelgesetz – sollen laut Edtstadler aber zumindest in die Begutachtung geschickt werden, wenn auch kürzer als sonst nötig, kündigte Edtstadler an.

Aufregung über Kurz-Sager

Es geht im Wesentlichen um die allgemeine Frage, ob das von der Regierung gewählte Vorgehen verhältnismäßig war – oder ob dadurch Grundrechte von Bürgerinnen und Bürgern zu sehr eingeschränkt werden. Kurz ließ am Dienstag mit der Aussage aufhorchen, dass die Regierung keine Reparatur der eilig beschlossenen Covid-19-Gesetze und -Verordnungen, die möglicherweise nicht verfassungskonform sind, plant.

Dass möglicherweise manche Gesetzestexte mangelhaft sind, wie Kritiker meinen, begründete der Kanzler damit, dass „wir schnell gehandelt haben“. Und er rechtfertige das Vorgehen damit, dass das „gut funktioniert“ habe. „Ich bitte um etwas Nachsicht, dass es eine Ausnahmesituation ist.“

Juristen sollten Fragen in diesem Bereich nicht überinterpretierten. Es gehe darum, dass die Maßnahmen eingehalten werden und „die Republik funktioniert“. „Ob alles auf Punkt und Beistrich in Ordnung ist, wird am Ende das Tages des Verfassungsgerichtshof entscheiden.“ Zu diesem Zeitpunkt würden die Maßnahmen aber ohnehin nicht mehr in Kraft sein, sagte der Kanzler.

SPÖ und NEOS wollen Details zu Kurz’ Expertenstab

SPÖ und NEOS wollen unterdessen mehr Informationen zum Expertenstab, der den Bundeskanzler in Sachen Coronavirus-Krise berät. In parlamentarischen Anfragen verlangen die Oppositionsparteien unter anderem Informationen darüber, auf welcher Basis die Experten ausgewählt wurden und über welche wissenschaftliche Expertise sie verfügen.

„Details zu den ExpertInnen, ihren Fachgebieten, Sitzungen, Protokollen, Entscheidungsgrundlagen und Entscheidungsfindung der Corona-Taskforce wurden bisher gegenüber einer breiten Öffentlichkeit nicht transparent dargestellt“, hieß es in der Anfrage der SPÖ.