Gesundheitsminister Rudolf Anschober und Innenminister Karl Nehammer
APA/Helmut Fohringer
Ausweitung geplant

Anschober will alle Altersheime durchtesten

Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) will in Alters- und Pflegeheimen die Coronavirus-Tests stark ausweiten. Das betreffe in Österreich rund 130.000 Menschen, sagte der Gesundheitsminister bei einer Pressekonferenz am Donnerstag.

Die internationale Erfahrung zeige, „dass dieser Bereich der Bereich mit dem größten Risiko ist“, sagte Anschober und verwies auf wissenschaftliche Studien sowie auf häufig vorhandene Vorerkrankungen. „Deswegen wollen wir hier einen wirklich zentralen Schwerpunkt realisieren, um diese nicht weniger als 918 Alten- und Pflegeheime quer durch, flächendeckend zu testen.“ Außerdem sollen in „den nächsten Wochen“ alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Alters- und Pflegeheimen getestet werden.

Eine andere Gruppe, die künftig verstärkt getestet werden soll, sind Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Handel. Ob es etwa auch eine Ausweitung der Testungen bei 24-Stunden-Pflegepersonal geben soll, werde derzeit geprüft, so der Gesundheitsminister. Dabei gehe es auch darum, weiter Pflegerinnen und Pfleger einfliegen lassen zu können. Viele 24-Stunden-Betreuerinnen und -Betreuer kommen aus dem Ausland.

Pensionistenverband begrüßt Maßnahme

Hierbei gebe es ohnehin schon Voraussetzungen „eines gültigen ärztlichen Attests“ für die Pflegerinnen und Pfleger, so der Gesundheitsminister, oder die Möglichkeit einer 14-tätigen Quarantäne. Ob man eine Verkürzung dieser Quarantänezeit bewirken könne, indem die heimischen Behörden die Pflegerinnen und Pfleger während der Quarantäne in Österreich testen, werde evaluiert. Getestet werden aktuell generell Verdachtsfälle, weitere Abstriche können Ärztinnen und Ärzte anordnen.

Gesundheitsminister Rudolf Anschober
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Anschober verwies erneut auf die sinkende Reproduktionszahl

Die Ankündigung der flächendeckenden Tests in Heimen wurde vom Pensionistenverband am Donnerstag begrüßt. Sie komme „spät, aber doch“, sagte Andreas Wohlmuth, Generalsekretär des Pensionistenverbandes Österreichs (PVÖ), in einer Aussendung. Gefordert habe man das bereits vor zwei Wochen. „Außerdem muss es für das Pflege- und Betreuungspersonal mehr Schutzkleidung geben“, forderte der PVÖ-Generalsekretär.

„Abklärung soll maximal 48 Stunden dauern“

Bereits ausgeweitet wurde die Testung von medizinischem Personal in Krankenhäusern, auch hierbei wolle die Regierung nicht nachlassen. Insgesamt solle es eine neue Teststrategie durch mehr Schwerpunkte mit zielgerichteten und schnelleren Tests geben. Folgendes Ziel habe man sich zusammen mit den Bundesländern gesteckt: Eine Abklärung solle „in Zukunft maximal 48 Stunden dauern“, so Anschober. Dabei sei auch das „manuelle Kontaktpersonenmanagement“ wesentlich, also die Kontakte einer erkrankten Person möglichst schnell erheben zu können. Hierbei will das Innenministerium unter Minister Karl Nehammer (ÖVP) das Gesundheitsministerium weiterhin unterstützen.

Es soll künftig binnen 24 Stunden erarbeitet werden, „welche Kontakte die betroffene Person“ hatte. Um „die Infektionskette zu durchbrechen“, so Nehammer, könne die Polizei ein wichtiger „Sicherungshebel“ sein. Es gebe erfolgreiche Beispiele, einerseits in Form von Anzeigen, andererseits in Verwarnungen und direkten Hinweisen: „Die Polizei ist der Partner der Menschen vor Ort“, so der Innenminister.

Die bekannten Einschränkungen blieben aufrecht. Bis Ende April gelte, dass man das Haus nur zu den folgenden Zwecken verlassen darf: für Arbeit, Einkäufe, Betreuung hilfebedürftiger Personen und dafür, sich körperlich zu bewegen. „Diese Bewegungseinschränkungen bleiben aufrecht“, sagte Nehammer, „um die Zahl noch weiter runterzudrücken.“

„Stabile Situation in Intensivstationen“

Mit Donnerstagvormittag gibt es in Österreich 14.416 Fälle. Die effektive Reproduktionszahl, also wie häufig eine Person, die infiziert ist, andere ansteckt, ist im Sinken. Im März lag der Faktor bei 3,5, mittlerweile liegt er bei 0,65. „Diesen Faktor wollen wir weiter nach unten bringen“, so Anschober. „Je geringer er ist, desto stärker und besser haben wir die Krise unter Kontrolle.“ Nur noch zwei Prozent aller Abstriche würden derzeit zu einem positiven Ergebnis führen. Durch die deutlich weniger Verdachtsfälle habe man die Möglichkeit, „noch schneller zu sein und rasch einzugreifen“, sagte der Gesundheitsminister.

Innenminister Karl Nehammer (ÖVP)
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Nehammer will das Gesundheitsministerium bestmöglich unterstützen

Erfreut zeigten sich Anschober und Nehammer bei der Pressekonferenz auch über die laufend sinkende Zahl der aktiv Erkrankten, von denen 238 Personen aktuell in intensivmedizinischer Betreuung sind. Österreich habe „eine sehr stabile Situation in Intensivstationen“, so Anschober, „ausgeglichen und stabil“. Insgesamt sind mit Stand Donnerstagfrüh 967 Infizierte in Spitälern.

Dass die Richtung stimme, könne man auch sehen, wenn man die Anzahl der Anrufe bei der Gesundheitsnummer 1450 betrachte, so Anschober. Dort solle man sich nur melden, wenn man Symptome habe. „In der Vergangenheit waren wir bei 20.000 bis 30.000 Anrufen, jetzt sind wir täglich circa bei 3.200 Anrufen“, sagte der Gesundheitsminister.

Behördliche Definition der Risikogruppen ausständig

Die behördlichen Definitionen der Risikogruppen sind laut Anschober unterdessen fast fertig. „Jetzt geht es um Umsetzungsschritte. Wie kommen wir zu diesen Personen?“, sagte er. In der nächsten Woche sollen die – laut einem Artikel der „Salzburger Nachrichten“ („SN“) bis zu 100.000 – Betroffenen direkt informiert werden.

Jener Fachbeirat, der anhand von Vorerkrankungen festlegen sollte, welche Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ein besonders hohes Krankheitsrisiko haben, sei mittlerweile „im Wesentlichen mit der Arbeit fertig“, so Anschober. Nun gehe es um konkrete Anweisungen für den Gesundheitssektor. „Wie schaut zum Beispiel eine Checkliste für die Mediziner und Medizinerinnen, für die niedergelassenen Ärzte aus, damit sie dann entscheiden können: Soll diese betroffene Person eine Freistellung oder Homeoffice oder andere Schutzmöglichkeiten im Betrieb erhalten?“

Dieser Prozess sei noch im Laufen, sagte Anschober. „Ich bin sehr, sehr zuversichtlich, dass wir den Zeithorizont, den wir uns vorgenommen haben, dass es nämlich nächste Woche die Information der betroffenen Personen direkt gibt, einhalten können.“ Laut dem „SN“-Artikel sind die verwendeten Kriterien letztlich sehr eng gefasst. In erster Linie gehe es um „Krebspatienten mit Chemotherapien und Personen, die unter einer Immunsuppression leiden“.

Kritik von SPÖ

Viele andere Krankheitsbilder würden allein nicht ausreichen, etwa „nur“ Diabetes. „Erst eine Kombination von Leiden soll dann den Anspruch auf Homeoffice oder Freistellung auslösen.“ Laut der Zeitung komme man so auf einen Kreis von 70.000 bis 100.000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern. Es werde weiters daran gedacht, eine Altersuntergrenze zu ziehen, diese solle bei Mitte 40 liegen.

Scharfe Kritik wegen der „Tatenlosigkeit der Regierung“ übte SPÖ-Sozialsprecher Josef Muchitsch. „Vor drei Wochen wurde seitens der Regierung angekündigt, einen Plan vorzulegen, wie gesundheitlich besonders gefährdete Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vor einer Coronavirus-Infektion geschützt werden können. Bis heute gibt es keine Regelung. Das ist verantwortungslos.“ Er erwarte, „dass die Regierung hier endlich in die Gänge kommt und sich nicht weiter nur jeden Tag hinstellt, um Ankündigungen zu machen und die Bevölkerung zu verunsichern“.

Anschober: Impfstoff frühestens in einem Jahr

In der „entscheidenden Phase zwei“, also in der Phase der langsamen Öffnung, in der sich Österreich derzeit befindet, setzte sich die Regierung zum Ziel, eine „zweite Welle“ zu verhindern, so Anschober. Hierbei halte man sich an die Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO), so die Regierung. Anschober erläuterte auch das weitere Vorgehen in Österreich. „Phase drei“ trete ein, wenn die Öffnung der Geschäfte vollzogen sei, erst in Phase vier gebe es eine „Normalität, wie wir sie im Dezember, Jänner und davor hatten“, sagte der Gesundheitsminister. Mit einem Impfstoff rechnet er frühestens im Frühling nächsten Jahres. Valide Antikörpertests erwartet Anschober „Ende April, Anfang Mai“. Diese sollen dann in bestimmten Regionen und Berufsgruppen eingesetzt werden.

Die durch die Opposition und teilweise auch durch Datenschützer kritisierte „Stopp Corona“-App des Roten Kreuzes sieht Anschober weiterhin als Unterstützung zur Eindämmung des Coronavirus. Er selbst habe sie in Verwendung, so der Gesundheitsminister. NEOS-Vorsitzende Beate Meinl-Reisinger plädierte unterdessen erneut auf die Freiwilligkeit als wichtiges Kriterium. Datenschutzrechtlich sei die App in Ordnung – allerdings nehme sie auch den Einwand der ARGE Daten zur Kenntnis, dass sie nicht genau sei. Im Fall einer Verpflichtung sehe sie aber rechtliche Probleme, so die NEOS-Chefin. Die FPÖ will bei der Datenschutzbehörde Anzeige gegen die Betreiber der App erstatten. Das Rote Kreuz hatte weitere Adaptierungen angekündigt.