Clemens Jabloner
APA/Robert Jaeger
Jabloner mahnt Kanzleramt

„Nicht auf VfGH herausreden“

Die neuen Gesetzesmaßnahmen zur Bekämpfung der Coronavirus-Pandemie in Österreich werden von etlichen Juristinnen und Juristen als problematisch eingestuft. Am Freitag meldete sich auch Ex-Justizminister Clemens Jabloner zu Wort und nimmt das ÖVP-geführte Bundeskanzleramt in die Pflicht. Man dürfe sich „nicht auf den Verfassungsgerichtshof herausreden“, übte Jabloner Kritik.

Der Ex-Justizminister, der in der Juristengruppe des Gesundheitsministers Rudolf Anschober (Grüne) sitzt, äußerte sich dazu, dass es für viele Menschen nicht klar sei, wie sie sich im öffentlichen Raum per Gesetz zu verhalten haben. „Das Erste ist, dass Verhaltensregelungen, die von so vielen Menschen befolgt werden sollen und alltäglich, ganz klar sein müssen“, sagte Jabloner im Ö1-Morgenjournal, nachdem am Vorabend das Expertengremium zur Evaluierung getagt hatte. Denn „wenn einmal die Juristen und Juristinnen beginnen, über die Interpretation zu streiten, dann ist ein Alarm angesagt“ – Audio dazu in oe1.ORF.at.

Dass etwa ein Ministerium alleine für die Gesetzesumsetzung zuständig sei, sieht Jabloner nicht ein. „Es ist ja nicht der Gesundheitsminister ganz allein auf weiter Flur“, so der Ex-Minister. Vielmehr sollten die Kapazitäten des Bundeskanzleramtes genutzt und der geregelte Prozess der Legistik eingehalten werden. „Das ist möglichst fachkundig abzuführen, auch unter Zeitdruck. Also man kann sich nicht auf den Verfassungsgerichtshof herausreden, dass der nachträglich dann alles korrigieren wird“, sagte er in Anspielung auf Äußerungen von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP).

Unklar, ob und wann Änderungen kommen

Das Kanzleramt sei für die verfassungsgemäße Vorbereitung aller Rechtsakte zuständig. „Es gibt auch eine Verfassungsministerin und einen Apparat, den Verfassungsdienst, der hier seit hundert Jahren tätig ist“, unterstrich Jabloner, der damit offensichtlich auf Europa- und Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) reagierte, die gegenüber der APA die inhaltliche Verantwortung für die Verfassungskonformität der Maßnahmen beim jeweiligen Ressort und damit vor allem bei Anschober verortet hatte.

Verfassungsministerin Karoline Edtstadler
APA/Hans Klaus Techt
Edtstadler sieht die Verantwortung, ob ein Gesetz verfassungskonform ist, beim jeweiligen Ministerium

Edtstadler wies am Nachmittag die Kritik Jabloners als nicht nachvollziehbar zurück. Aus Dringlichkeitsgründen habe man sich über alle Parteigrenzen hinweg auf ein verkürztes Gesetzgebungsverfahren geeinigt, sagte sie im Ö1-Mittagsjournal – Audio dazu in oe1.ORF.at. Deshalb sei der Verfassungsdienst nicht eingebunden worden. „Der Verfassungsdienst bringt in einem Begutachtungsverfahren Stellungnahmen ein, aber genau dieses gab es in dem Fall nicht und daher auch keine Einbindung des Verfassungsdienstes“, so die im Bundeskanzleramt für Verfassungsfragen zuständige Ministerin. Stattdessen sei das Gesetz mittels Initiativantrag auf die Tagesordnung des Parlaments gesetzt worden.

Edtstadler: „Alle Gesetze intern abgestimmt“

Bei verordneten Maßnahmen erinnerte Edtstadler allerdings erneut an die Verantwortung der Ressorts, was die Ausgangsbeschränkungen betrifft – also an jene des Gesundheitsministeriums: „Gerade wenn es um die Vereinbarkeit einer Verordnung mit der gesetzlichen Grundlage geht, dann ist natürlich jedes Ressort genauso wie der Verfassungsdienst und das Bundeskanzleramt an die Verfassung gebunden.“ Der Verfassungsdienst sei hier formal nicht eingebunden gewesen, weil auch diese Verordnung ohne Begutachtung erlassen worden sei, so die Ministerin. Im von Anschober geleiteten Gesundheitsministerium bestätigte man das, erklärte aber gleichzeitig: „Alle Gesetze und Verordnungen wurden und werden selbstverständlich regierungsintern abgestimmt.“

Konkreten Reparaturbedarf ortet Jabloner etwa bei der Verordnung über das Betreten der Öffentlichkeit, also bei den Ausgangsbeschränkungen. „Wir haben gestern einen intensiven Meinungsaustausch darüber gehabt, wie man die Verordnung einerseits präziser machen kann, andererseits aber auch nicht zu kasuistisch (auf spezifische Einzelfälle bezogen, Anm.) gestaltet“, sagte er. Ob und wann es Änderungen geben werde, wollte er nicht beurteilen. Anschober wolle die Ergebnisse der Gruppe in den politischen Prozess einspeisen. „Was dann daraus gemacht wird, weiß ich nicht", so Jabloner.

„Rechtsstaat steht nicht zur Disposition“

Neben Jabloner sitzen unter anderen der frühere Innenminister Wolfgang Peschorn und die Zivilrechtsprofessorin Christiane Wendehorst im Juristengremium. Diese sagte, man sollte bei Nachbesserungen mit Augenmaß vorgehen. Maßnahmen, die unter den erschwerten Bedingungen der Coronavirus-Pandemie getroffen worden seien, könnten nicht dieselben Qualitätsansprüche erfüllen, die sonst gestellt würden. Zwar sollte man laut Wendehorst angesichts der kurzen Geltung nicht alles permanent optimieren, doch müsse klar sein, dass Verfassung und Grundrechte auch nicht vorübergehend außer Kraft gesetzt seien, betonte sie am Donnerstag: „Der Rechtsstaat steht nicht zur Disposition.“

Jabloner stimmte dem indirekt zu, obwohl es sich um eine Notsituation handle. Bundeskanzler Kurz hatte die unter Kritik geratenen Regeln unter anderem damit begründet, dass in der Krise schnell gehandelt werden müsse. Neue Gesetze auch in Krisensituationen zu machen dürfe, so der Ex-Justizminister, aber nicht heißen, „dass man sich nicht bemühen muss, die Regelungen möglichst klar und auch verfassungskonform zu entwerfen“.

Aufgrund der Pandemie wurden in kurzer Zeit zahlreiche Gesetzesänderungen beschlossen und Verordnungen erlassen. Kritikerinnen und Kritiker, beispielsweise der Nationalratsklub der Grünen, kritisierten das. Viele griffen in einem Maße in lange erkämpfte Grund- und Freiheitsrechte ein, wie man es sich zuvor nicht hätte vorstellen können, hieß es in der Aussendung des grünen Klubs am Donnerstag. Aus diesem Grund begrüße man das von Anschober eingesetzte Juristengremium.