Mann in Schutzkleidung in Abuja, Nigeria
Reuters/Afolabi Sotunde
CoV in Afrika

Viele Tote, Armut und Hunger prognostiziert

In Afrika könnten nach Einschätzung der Vereinten Nationen mindestens 300.000 Menschen am Coronavirus sterben. Die Pandemie drohe zudem 29 Millionen Menschen in extreme Armut zu stürzen, teilte die UNO-Wirtschaftskommission für Afrika (UNECA) am Freitag mit. Zusätzlich müssten wegen der Restriktionen Millionen Menschen hungern, hieß es von Amnesty International. Obendrein droht eine weitere Verschlimmerung der Lage durch eine Ausbreitung der Heuschreckenplage.

Die UNECA fordert ein Rettungspaket von mindestens 100 Mrd. Dollar, um die Krankheit zu bekämpfen und ihre gesellschaftlichen Folgen abzufedern. Bisher sind in den 54 Ländern des Kontinents weniger als 20.000 Coronavirus-Infektionen registriert. Die WHO rechnet allerdings binnen drei bis sechs Monaten mit bis zu zehn Millionen Fällen.

Das sei aber eine vorläufige Einschätzung, die sich noch ändern könne, sagte der Chef des WHO-Notfallstabs in Afrika, Michel Yao. So hätten sich etwa die schlimmsten Befürchtungen über die Entwicklung des Ebolavirus nicht bewahrheitet, weil die Menschen Gewohnheiten zügig verändert hätten. „Wir glauben nicht, dass die Krankheit über den Punkt hinaus ist, wo sie nicht mehr eindämmt werden kann“, sagte auch Mike Ryan von der WHO.

Menschen tragen Nahrungsmittelrationen in Cape Town
Reuters/Mike Hutchings
Auch in Afrika ist „Social Distancing“ eine wichtige Maßnahme gegen CoV – auch bei der Verteilung von Essenspaketen durch NGOs

Und doch sind die Zahlen beunruhigend: In der vergangenen Woche habe sich die Zahl der Infizierten auf dem Kontinent um 51 Prozent erhöht, sagte WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus am Freitag. Die Zahl der Todesopfer sei um 60 Prozent gestiegen. Angesichts des Mangels an Tests gebe es aber wohl eine hohe Dunkelziffer.

Millionen hungern wegen „Lock-down“

Angesichts drastischer Ausgangsbeschränkungen im südlichen Afrika forderte unterdessen Amnesty International die Regierungen in der Region auf, ihren Bürgerinnen und Bürgern Nahrungsmittel zur Verfügung zu stellen. Millionen Menschen in der Region müssten wegen der Restriktionen hungern, warnte die Menschenrechtsorganisation am Freitag.

„Die Mehrheit der Menschen lebt von der Hand in den Mund; das bedeutet, dass sie es sich nicht leisten können, eine Woche lang – geschweige denn einen Monat – im ‚Lock-down‘ zu verbringen, weil sie keine finanziellen Mittel für das Anlegen von Vorräten haben“, sagte der Amnesty-Direktor für das östliche und südliche Afrika, Deprose Muchena. Viele stünden vor der Wahl: entweder die Maßnahmen einhalten und hungern oder für Besorgungen ausgehen und Strafen riskieren.

Obdachlose stehen in Johannesburg an Essensausgabe an
AP/Jerome Delay
Obdachlose stehen in der südafrikanischen Metropole Johannesburg zur Essensausgabe an

„Unverhältnismäßige Gewalt“ von Einsatzkräften

In Südafrika etwa wurden bereits Lebensmittelgeschäfte geplündert. Der Staat hatte Ende März eine der weltweit strengsten Ausgangssperren verhängt, zugleich die Landesgrenzen geschlossen und den Personenflugbetrieb eingestellt. Nach Ansicht von Amnesty sollten die Länder in der Region erwägen, Lebensmittelsubventionen zu gewähren oder Lebensmittel direkt an „diejenigen zu liefern, die nicht in der Lage sind, sich selbst zu versorgen“.

Amnesty kritisierte zudem, dass die mit der Durchsetzung der Ausgangssperren beauftragten Polizisten und Soldaten in Sambia, Simbabwe, Mosambik und Angola „unverhältnismäßige Gewalt“ anwendeten.

Begräbnis in Nairobi
AP/Patrick Ngugi
Auch bei Begräbnissen wie hier in der kenianischen Hauptstadt Nairobi wird desinfiziert

Suche nach 15 Millionen CoV-Tests

Die Pandemie erreichte Afrika relativ spät. Während viele wohlhabende Länder lange zögerten, schlossen afrikanische Staaten rasch die Grenzen und verboten Menschenansammlungen. Mauritius, Ruanda und Tunesien verhängten als Erste Ausgangssperren; Mauritius schloss sogar Supermärkte und Bäckereien für zehn Tage. Auch Südafrika, die größte Wirtschaftsnation des Kontinents, verbietet ihren Bürgern, das Haus zu verlassen. In Nigeria gelten in Lagos und Abuja Ausgangssperren, wo Millionen Menschen dicht gedrängt in Slums wohnen.

Die Afrikachefin der Weltgesundheitsorganisation (WHO), Matshidiso Moeti, sagte, dass der Mangel an Tests es für viele afrikanische Länder schwermache, ihren Kampf gegen die Krankheit schnell auszuweiten. In den kommenden drei bis sechs Monaten braucht Afrika laut John Nkengasong, Leiter der Africa Centres for Disease Control and Prevention (Africa CDC), insgesamt etwa 15 Millionen Tests. Eine Million Tests seien bereits zur Verfügung gestellt worden.

Heuschrecken bedrohen Ernährung von 20 Mio. Menschen

In Ostafrika wächst unterdessen nicht nur die Angst vor dem Coronavirus, sondern auch weiter vor der parallel auftretenden Heuschreckenplage. Vor allem Äthiopien, Kenia und Somalia seien besonders gefährdet, warnte das katholische Hilfswerk Jugend Eine Welt (JEW) in einer Aussendung vorige Woche. Auch UNO-Organisationen wie das Welternährungsprogramm (WFP) wiesen jüngst auf diese Gefahr hin.

Ende Februar hatte es danach ausgesehen, dass die Heuschreckenplage in Ostafrika mit Hilfe von Insektiziden unter Kontrolle sei. „Doch andauernde Regenfälle haben in den vergangenen Wochen zu idealen Brutbedingungen geführt, mittlerweile wachsen Milliarden junger Wüstenheuschrecken in mindestens zehn Ländern heran. Noch können die meisten nicht fliegen und bewegen sich am Boden fort, doch schon bald werden sie riesige Schwärme bilden und die Ernährung von mehr als 20 Millionen Menschen bedrohen“, hieß es in der Mitteilung.

CoV erschwert den Kampf

„Wenn nicht schnellstens gegengesteuert wird, könnten sich die Insekten bis zum Zeitpunkt der im Juni erwarteten Ernte verzwanzigfachen und eine riesige Hungerkrise auslösen“, erklärte JEW-Geschäftsführer Reinhard Heiserer. Die Coronavirus-Krise erschwere jedoch diesen Kampf gegen die Heuschreckenplage: So verhindern Flugverbote und geschlossene Grenzen den Import von Pestiziden, deren Preis sich zudem vervielfacht habe.