Proteste gegen Social-Distancing-Maßnahmen und Geschäftsschließungen in Frankfort (Kentucky)
Reuters/Bryan Woolston
Gouverneure empört

Trump feuert Demos gegen „Lock-down“ an

„Befreit Minnesota!“, „Befreit Michigan!“, „Befreit Virginia!“: Mit einer Reihe von Tweets hat sich US-Präsident Donald Trump am Freitag hinter die Proteste gegen Coronavirus-Ausgangsbeschränkungen gestellt. Demokratische Gouverneure zeigten sich entsetzt – Trumps Botschaften würden zu „illegalen und gefährlichen Taten ermutigen“.

Trump hatte die Nachrichten wenige Minuten nach einem Fox-News-Bericht über die Proteste abgesetzt. Er rief auch dazu auf, den „großartigen zweiten Verfassungszusatz“ zu schützen. Dieser garantiert das Recht, Waffen zu tragen. Postwendende Kritik an den Tweets kam etwa vom Gouverneur Washingtons, Jay Inslee. Trumps Aufruf könnte dafür sorgen, dass sich „Millionen von Menschen der Gefahr aussetzen, sich mit Covid-19 anzustecken“. Er könnte außerdem Gewalt nach sich ziehen: „Das ist schon in der Vergangenheit so gelaufen“, so Inslee.

Vornehmlich Konservative und Trump-Anhänger hatten sich vergangene Woche an mehreren Orten versammelt und ein Ende der strengen Schutzmaßnahmen gegen die Ausbreitung des Coronavirus gefordert. In Lansing, der Hauptstadt des US-Bundesstaates Michigan, hatte etwa am Mittwoch ein hupender Autokorso den Verkehr lahmgelegt. Zahlreiche Menschen versammelten sich vor dem Amtssitz der demokratischen Gouverneurin Gretchen Whitmer, viele davon bewaffnet und ohne Mundschutz. Mehrfach waren „Lock her up“-Rufe („Sperrt sie ein“) zu hören – Trumps Wahlspruch gegen Hillary Clinton.

Weitere Proteste geplant

Whitmer reagierte auf Trumps Twitter-Botschaften mit den Worten, sie hoffe, diese würden „nicht weitere Proteste ermutigen“. Michigan werde das Wirtschaftsleben dann wieder zur Normalität zurückkehren lassen, „wenn es sicher ist“, betonte sie. Virginias Gouverneur Ralph Northam sagte, angesichts des Kampfes gegen das Coronavirus habe er „keine Zeit, mich mit Twitter-Kriegen zu beschäftigen“. Für Samstag sind weitere Demonstrationen gegen die Maßnahmen geplant, unter anderem in New Hampshire, Maryland, Texas und Colorado.

Eine Frau mit Kindern picknickt auf einer Wiese mit Schildern mit der Aufschrift „My Rights are from God“ und „My Rights are not from the Government“
APA/AFP/Ryan M. Kelly
„Meine Rechte stammen von Gott“: Ein Protestpicknick in Richmond, Virgina

Machtkampf mit Gouverneuren

Die Unterstützung der Demos ist Trumps nächster Schlag in einem Machtkampf zwischen dem US-Präsidenten und den Gouverneuren der US-Bundesstaaten. Trump legt sich beim Thema Kampf gegen das Coronavirus bereits seit Tagen mit diesen an. Unter anderem hatte er kürzlich betont, er habe in der Frage der Lockerung der Coronavirus-Maßnahmen „absolute Machtbefugnisse“. Nach scharfen Protesten nahm er diese Äußerung zurück und billigte den Gouverneuren die Kompetenz zu.

In mehr als 40 der 50 US-Bundesstaaten gelten derzeit Ausgangsbeschränkungen. Trump hatte mehrfach deutlich gemacht, dass er sich ein Ende der Beschränkungen wünscht, um die Wirtschaft wieder anzukurbeln. Die Entscheidungsgewalt liegt jedoch bei den Gouverneuren der einzelnen Staaten.

Ein Mann mit Megafon und einem Schild mit der Aufschrift „Reopen Louisiana“
APA/AFP/Getty Images/Chris Graythen
Auch in Louisiana gab es bereits Proteste

Doch der versöhnliche Ton war nur von kurzer Dauer. Ebenfalls am Freitag attackierte Trump den demokratischen Gouverneur des Bundesstaates New York, Andrew Cuomo. Dieser solle „rausgehen und seine Arbeit machen“, schrieb er über den Regierungschef des mit mehr als 10.000 Todesopfern am schwersten vom Coronavirus betroffenen Bundesstaates. Cuomo reagierte mit der lapidaren Bemerkung, wenn Trump „zu Hause sitzt und fernschaut, sollte er vielleicht aufstehen und zur Arbeit gehen“.

Rund 36.000 Tote

Die USA sind das am schwersten von der Coronavirus-Pandemie betroffene Land der Welt. Nach Angaben der Johns-Hopkins-Universität starben mittlerweile mehr als 36.000 Menschen nach einer Infektion. Laut einem Bericht der „New York Times“ sollen davon rund 7.000 in Altersheimen gestorben sein. Die Folgen für die Wirtschaft sind wie auch in anderen betroffenen Industriestaaten verheerend. Nun rechnet die US-Regierung mit 60.000 bis 65.000 Toten, zuvor war mit rund 100.000 Toten kalkuliert worden. Jeder Tote sei einer zu viel, so Trump am Freitagabend (Ortszeit) bei einer Pressekonferenz im Weißen Haus.

Trump hatte die Gefahr durch das Virus lange kleingeredet. Später schwenkte er auf die Linie anderer Staaten um, ließ milliardenschwere Hilfsprogramme auflegen und verlangte breite Coronavirus-Schutzmaßnahmen. Diese will er nun rasch wieder lockern. In den USA ist die Arbeitslosigkeit wegen der Krise dramatisch angestiegen, Tausende Menschen verloren ihre Krankenversicherung. Wegen der im November anstehenden Präsidentschaftswahl gerät Trump unter zunehmenden Druck.