Mediziner Christoph Wenisch
APA/Herbert Pfarrhofer
CoV-Experte

Rückkehr zu Normalität hängt von Impfung ab

Die Rückkehr zur Normalität in Zeiten des Coronavirus kann laut Experteneinschätzung noch lange dauern. Abhängig ist sie laut dem Infektiologen Christoph Wenisch von der Entwicklung einer Impfung gegen das Virus, wie der Mediziner in der Ö1-Reihe „Im Journal zu Gast“ am Samstag sagte. Wenisch leitet die Infektionsabteilung am Wiener Kaiser-Franz-Josef-Spital, einem der Zentren in Wien für die Behandlung von Covid-19-Patientinnen und -Patienten.

„Covid-19 ist erst vorbei, wenn es eine Impfung gibt. Es sollen ja sieben Milliarden Menschen so eine Impfung bekommen. Da sehe ich ein großes Sicherheitsthema, und alles, was gescheit geprüft wird, das dauert“, so Wenisch. „Einen normalen Alltag gibt es erst nach Covid. Das wird frühestens im 2022er-, 2023er-Jahr sein, wenn die Impfung da ist. Alles andere wäre verfrüht zu sagen“, so Wenisch weiter.

Österreich stehe im Moment international gesehen „gut da“, auch was die Städte betrifft. Als Beispiel nannte Wenisch Wien: „Wien steht brillant da“, so der Mediziner, „das dürfen wir uns nicht versemmeln.“ Das physische Distanzieren sei derzeit der Schlüssel zum Erfolg. „Wenn wir den gefährden, würden wir die Fallzahl erhöhen, und dann kommen wir in problematische Situationen rein“, so der heimische CoV-Experte.

Hoffnungsschimmer für Medikament

In den Spitälern habe sich die Lage in den vergangenen Tagen, was die CoV-Infizierten betreffe, positiv entwickelt, so Wenisch. Die befürchtete Überlastung von Infektionsabteilungen und Intensivstationen ist bisher ausgeblieben. Das müsse aber nicht so bleiben, mahnte Wenisch erneut – Audio dazu in oe1.ORF.at.

Eine große Hoffnung sei das Mittel Remdesivir. Das Medikament des US-Pharmakonzerns Gilead Science zeige Medienberichten zufolge Erfolge bei der Behandlung von schwer erkrankten Covid-19-Patienten und -Patientinnen. Die Ergebnisse der noch laufenden Studie sollten im Mai oder Juni vorliegen. Dann werde man laut Wenisch sehen, „ob es das verspricht, was wir hoffen“.

Sorge um Nicht-Covid-19-Patienten

Kritisch sieht Wenisch, dass in Spitälern Behandlungen an Patienten mit Nicht-Covid-Erkrankungen zurückgestellt wurden. „Das muss man akut beenden. Man darf keinen Menschen wegen seiner Krankheit diskriminieren. Das muss aufhören, rasch“, so der Infektiologe.

Im Zuge der ersten Lockerung der Coronavirus-Vorschriften sollen jetzt auch die Spitäler schrittweise wieder geöffnet werden. Auch die Arztpraxen sollen langsam wieder in einen „Normalbetrieb“ übergehen, wie Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) am Freitag bei einer Pressekonferenz mitteilte.

Anschober: Schutz des Systems „erste Priorität“

Die allmähliche Öffnung der Krankenhäuser und im Gesundheitsbereich insgesamt müsse aber „regional differenziert“ erfolgen. Der Schutz des Systems bleibe „erste Priorität“, weshalb auch die Einschränkungen für Besucher aufrecht bleiben werden, so Anschober. Es werde „sicher noch länger keine Normalsituation“ in den Spitälern herrschen.

„Alle Krankenanstalten haben Planungsarbeiten begonnen“, wie der normale Betrieb wiederhergestellt werden soll, sagte Michael Binder, der Medizinische Direktor des Wiener Krankenanstaltenverbundes (KAV) und Mitglied des Beraterstabs der Coronavirus-Taskforce. Künftig sollen nicht mehr nur akute Operationen, sondern auch planbare wieder stattfinden. Es müsse jedenfalls darauf geachtet werden, dass die Patienten keine Covid-Erkrankungen in die Krankenhäuser einschleppen. „Das geht mit einer Teststrategie“, sagte Binder.

Wien fährt OP-Betrieb wieder hoch

Rund 2.000 Operationen sind wegen der Coronavirus-Pandemie etwa in Wien nicht durchgeführt worden. Ab kommender Woche wird in den Wiener Spitälern der OP-Betrieb wieder hochgefahren. Erstmals wird dafür mit Privatkliniken zusammengearbeitet.

Anders als der stationäre Betrieb bleiben die Ambulanzen in Wiens Spitälern vorerst weiterhin geschlossen. Man werde die Covid-19-Entwicklung genau beobachten und dann in zwei bis drei Wochen darüber entscheiden, ob und wann die Ambulanzen wieder öffnen könnten, hieß es. Neuzuweisungen für OP-Termine sind also noch nicht möglich – mehr dazu in wien.ORF.at.

Auch bei dem Hochfahren von Arztpraxen gibt es einige Regelungen: Dort soll nun weiterhin auf telefonische Voranmeldung und effizientes Wartezimmermanagement gesetzt werden. Ziel ist, dass Patienten im Wartezimmer einen Mund-Nasen-Schutz tragen. Eine Verpflichtung – analog zum Handel – erachtet Anschober als nicht notwendig.