Hut eines Verfassungsrichters/einer Verfassungsrichterin auf einem Richtertisch
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Coronavirus-Gesetze

Anwälte fordern Eilverfahren des VfGH

Für zumindest eine – angesichts der Dringlichkeit – verkürzte Begutachtung von Gesetzen und ein Eilverfahren beim Verfassungsgerichtshof (VfGH) plädiert Rechtsanwälte-Präsident Rupert Wolff in der Debatte über die Coronavirus-Gesetze. Eile sei zwar „vermutlich angebracht“ gewesen, aber die ohne Begutachtung schnell erlassenen Vorschriften seien teils „lücken- und fehlerhaft“ ausgefallen, so Wolff zur APA.

Im Rechtsstaat habe aber auch in schwierigen Zeiten „Transparenz und Qualität“ in der Gesetzgebung zu gelten, sagte Wolff. Gesetze und Verordnungen müssten auch in Notzeiten klar festlegen, was erlaubt und was verboten ist. „Oft wissen die Bürger nicht, was sie tun dürfen“, kritisierte Wolff – unter Hinweis etwa auf die Verwirrung rund um den Ostererlass.

Dass Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) Juristenbedenken mit dem Hinweis abgetan hat, die Regelungen seien bei der Prüfung durch den VfGH nicht mehr in Kraft, missfällt Wolff. Es wäre „durchaus riskant, wenn der Gesetzgeber Verfassungsrecht bricht, denn er riskiert, einem betroffenen Bürger gegenüber ersatzpflichtig zu werden“. Deshalb wäre es sehr sinnvoll, wenn der VfGH – wie in Deutschland – Gesetze im Eilverfahren überprüfen kann.

Ladenöffnungsregelung „unsachlich“

Schließlich greifen die Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus vielfältig in Grundrechte ein – vom Hausrecht (Besuch zu empfangen) über die Freizügigkeit bis zur Religionsausübung (etwa der verbotene Besuch von Messen in Kirchen). „Nicht gerechtfertigt und unsachlich“ – somit verfassungswidrig – ist aus Sicht der Anwälte die Regelung, dass Geschäfte mit weniger als 400 Quadratmetern wieder aufsperren durften, größere aber darüber hinausgehende Verkaufsflächen nicht abriegeln (und damit aufsperren) durften.

Hätte es dazu eine Begutachtung gegeben, „hätten wir eine Lösung gefunden“, fordert Wolff zumindest eine „Schnellbegutachtung“ der CoV-Gesetze. Damit hätte man auch den (mittlerweile reparierten) Fehler verhindert, dass zwar die Frist für die Einbringung von Berufungen im Strafverfahren ausgesetzt wurde, nicht aber jene für deren Ausführung. „Werden Gesetze nur rasch gemacht, ohne auf die Qualität zu achten, zerstört man mehr, als es nützt“, konstatierte Wolff.

Anwälte nicht in Expertengruppe vertreten

Wurden Fehler begangen, sei es „unsere Verpflichtung, diese aufzuzeigen, das ist keine juristische Spitzfindigkeit“ – wies Wolff eine weitere Antwort des Kanzlers auf Einwände von Anwälten zurück. Und der Gesetzgeber habe die Verpflichtung, Fehler wieder zu beheben. In der von Gesundheitsminister eingesetzten Expertengruppe zur Prüfung der Gesetze und Verordnungen sind die Anwälte nicht vertreten. Wolff hofft, dass sich das noch ändert – könnten Anwälte doch die Erfahrungen aus der Praxis einbringen.

Die Gruppe von Fachleuten soll nach Anschobers Worten über allfällige Unschärfen in Gesetzen, Verordnungen und Erlässen beraten, die man dann „selbstverständlich“ bereinigen werde. Kurz hatte am Mittwoch erklärt, dass die Regierung keine Reparatur der eilig beschlossenen Gesetze und -Verordnungen plant. Am Freitag setzte sich die Debatte innerhalb der ÖVP-Grünen-Regierung fort.

„Wenn Bundesminister Rudolf Anschober der Meinung ist, dass die Verordnungen und Erlässe aus seinem Ressort nicht gesetzes- und verfassungskonform sind, erwarte ich mir, dass er die Sache in die eine oder andere Richtung rasch klärt und die Bevölkerung nicht lange in Unsicherheit lässt“, erklärte Kanzleramtsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP).

„Sensibler Umgang mit Freiheitsrechten“ nötig

Jedenfalls sei gerade in Notzeiten „ein extrem sensibler Umgang mit Grund- und Freiheitsrechten“ nötig – wobei die Abwägung freilich schwierig sei. Denn die Gesundheit sei ein so hohes Gut, dass für ihren Schutz gewisse Einschränkungen anderer Rechte zulässig seien. Prinzipiell hält Wolff es für „besser, die Bürger positiv zu motivieren, als ihnen vieles durch Gesetze zu verbieten“.

Um die Motivierung bemühe sich die Regierung auch, hat der Anwaltspräsident durchaus Lob parat: „Es ist der Regierung gut gelungen, zu vermitteln, weshalb Schritte notwendig gewesen sind.“ An den Infektionszahlen sehe man, dass die schweren Einschränkungen „doch Früchte getragen“ haben.

SPÖ sieht „absurden Streit in Regierung“

Die SPÖ zeigte sich Samstagabend irritiert vom „absurden Streit in der Regierung über die Verfassungsmäßigkeit der Covid-19-Gesetze“. SPÖ-Vizeklubchef Jörg Leichtfried, zugleich Obmann des Verfassungsausschusses, forderte gegenüber der APA eine rasche Rückkehr zu „einem normalen Gesetzgebungsverfahren inklusive Begutachtung“. Selbstverständlich sei Verfassungsministerin Edtstadler für die Wahrung der Verfassung zuständig, betonte Leichtfried. Das Hin- und Herschieben von Verantwortung sei „einer Regierung nicht würdig“, kritisierte er.

Die SPÖ habe Unterlagen, aus denen sich zweifelsfrei ergebe, dass das Finanzministerium bei der Legistik der Covid-19-Gesetze federführend beteiligt war. Auch das Bundeskanzleramt mit dem Verfassungsdienst war laut Leichtfried damit befasst. Der SPÖ-Politiker begrüßte Anschobers Ankündigung. Mit der Reparatur unklarer gesetzlicher Bestimmungen könne man bereits in der Nationalratssitzung kommende Woche beginnen. „So braucht es dringend Klarheit bei den Mieten und grundsätzlich bei den Entschädigungen nach dem Epidemiegesetz“, sagte Leichtfried.

Haimbuchner kritisiert „schlampige“ Gesetze

Kritik kam auch von Manfred Haimbuchner (FPÖ), dem stellvertretenden Landeshauptmann von Oberösterreich. Haimbuchner bezeichnete die von der Bundesregierung beschlossenen Gesetze der vergangenen Wochen als „zunehmend undurchdacht und schlampig“. So gebe es etwa für budgetierte und zugesagte Bauprojekte keine Rechtssicherheit – mehr dazu in ooe.ORF.at.

Sobotka: CoV-Gesetz mit „Ablaufdatum“

Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka verwies dagegen auf die begrenzte Dauer der CoV-Regelungen. „Alle Gesetze, die jetzt beschlossen wurden, haben ein Ablaufdatum“, sagte er am Sonntag in der ORF-„Pressestunde“. Wenn es die Notwendigkeit gebe, etwas an den Verordnungen zu ändern, bestehe im Parlament die Möglichkeit dazu, betonte Sobotka, die CoV-Gesetze würden aber alle wieder von selbst außer Kraft treten.

NR-Präsident Sobotka zur Debatte über die CoV-Gesetze

Nach der Krise sollen alle Grundrechte wieder in vollem Umfang eingesetzt werden, versprach Sobotka. Eine Schnellprüfung des Verfassungsgerichtshofs will er nicht vorantreiben. „Der Verfassungsgericht entscheidet selbst, welche Urteile schneller gefällt werden müssen“, sagte er dazu. Zudem verteidigte Sobotka das Durchpeitschen der Gesetzespakete im Nationalrat: „Wer schnell hilft, hilft doppelt“, so Sobotka. Mit einem normalen Prozedere sei man bei einer Beschlussfassung im Juni gewesen, erklärte er und lobte die enge Zusammenarbeit zwischen Regierung, Parlament und Bundespräsident.

Kritik an Sobotkas Aussagen kam von FPÖ-Klubobmann Herbert Kickl. „Jetzt erweckt Wolfgang Sobotka den Anschein, dass die Opposition eingebunden wird und ihre Vorschläge gehört werden. Dabei war er gemeinsam mit ÖVP-Klubobmann (August) Wöginger und der grünen Klubobfrau Sigi Maurer Scharfmacher an der Spitze der Regierungsfraktionen, die über die Opposition drübergefahren sind und sämtliche Vorschläge abgelehnt haben. Sobotka ist wirklich ein klassisches Beispiel für den Wolf im Schafspelz“, sagte Kickl.