Ein leeres Strandbad
ORF.at/Roland Winkler
Geschäft und Erholung

Viele offene Fragen zum Sommer

Mit einem harten Kurs hat die heimische Bundesregierung die akute Gefahr durch das Coronavirus in den Griff bekommen. Nach Wochen des weitgehenden „Lock-down“ werden aber die vielen Fragen, etwa wie es im Job und der Schule weitergeht, immer drängender. Eine Priorität gilt jedenfalls dem Tourismus, gleichzeitig ist unsicher, ob die Freibäder überhaupt aufmachen.

Die Regierung kann derzeit eigenen Angaben zufolge in der Krise nur „auf Sicht“ fahren. Doch die Ungeduld wächst merklich – nicht nur die Opposition fordert immer drängender einen weitergehenden Fahrplan und dass die zugrundegelegten Kriterien offen auf den Tisch gelegt werden.

Erste Priorität hat für die ÖVP-Grüne-Koalition jedenfalls die Wirtschaft – mehr als verständlich, immerhin geht es um die Existenz Tausender Unternehmen und Hunderttausender Jobs. Und die Gastronomie- und Tourismusbranche – sie ist am härtesten vom „Lock-down“ betroffen – ist diesbezüglich von besonders großer Bedeutung.

Gastronomie vor Schulen

So rasch und entschieden die Bundesregierung nach den offensichtlichen Versäumnissen in Tirol reagiert hat, so langsam und kontrolliert soll nun das Wiederhochfahren ablaufen. So weit, so unbestritten. Weniger Einigkeit gibt es aber, wenn es um die Setzung der Prioritäten geht.

So steht mittlerweile fest, dass ab Mitte Mai Restaurants und andere Lokale – unter entsprechenden Auflagen – wieder aufmachen sollen. Das Gleiche gilt für die Hotellerie. Völlig unklar ist dagegen noch, was mit den mehr als eine Million Schülerinnen und Schülern passiert. Ob es noch Unterricht in den Schulen geben wird, oder ob das Homeschooling bleibt – auf diese drängende Frage gibt es weiter keine Antwort.

Mädchen sitzt auf einem Steg
Getty Images/EyeEm/Michael Jones
Auch beim Baden werden wohl Abstandsregeln gelten

Eltern können sich nicht vorbereiten

Laut CNN-Interview von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) wird ein – dann wohl nur teilweiser – Unterricht aber frühstens Anfang Juni stattfinden. Keinerlei Antworten der Regierung gibt es bisher auch zur Frage, wie die Kinder dann betreut werden sollen. Auf Nachfragen – etwa welche Möglichkeiten überhaupt in Erwägung gezogen werden – werden Medien seit Wochen auf eine Entscheidung Ende April verwiesen.

Zu diesem Zeitpunkt werden aber viele weitere – darunter Eltern betreuungspflichtiger Kinder – an ihren Arbeitsplatz zurückkehren, denn mit Anfang Mai sperren auch die großen Geschäfte wieder auf. Füllen sich dann die Horte, ist die Frage, wie gut das funktioniert – organisatorisch und von der Einhaltung der Hygieneregeln her.

Sommerpläne ins Blaue hinein

Und nicht nur Kurz und die Tourismusministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) denken darüber nach, wie sich der erste Coronavirus-Sommer gestalten wird. Wohl auch das Gros der Menschen in Österreich fragt sich nicht nur, wie es die nächsten Wochen weitergeht, sondern auch: Kann ich in Urlaub fahren – und wenn ja: wohin und unter welchen Auflagen?

Köstinger (ÖVP) appellierte diesbezüglich bereits vor Wochen an die Bevölkerung, heuer möglichst im eigenen Land zu urlauben. Gleichzeitig hat das Werben um ausländische, vor allem deutsche, Gäste bereits eingesetzt. Nicht überraschend, denn der heimische Tourismus ist auf diese – und natürlich auch auf ausländisches Personal – angewiesen. Mit großem Abstand am wichtigsten sind dabei deutsche Urlaubende.

Werben um deutsche Urlaubende

Kanzler Kurz warb in seinem CNN-Interview ebenfalls indirekt um deutsche Gäste. Aus Nachbarländern, die die Pandemie gut im Griff hätten, könnten Menschen jedenfalls grundsätzlich ungehindert einreisen. Abzuwarten bleibt freilich, wie sich die Causa Ischgl auf den Tourismus gerade in Tirol auswirken wird. Und ob genügend Arbeitskräfte, vornehmlich aus Osteuropa, gewonnen werden können.

Was mit all den heimischen Seen mit ihren Strandbädern, neben den Bergen die wichtigste Sommerattraktion, passiert, ist auch völlig unklar. Fest steht aber wohl: Berge und Seen werden in eingeschränkter Form zugänglich sein. Aber einen Sommerurlaub konkret zu planen, das geht derzeit nicht.

Deutschland reagiert zurückhaltend

Die deutsche Regierung äußerte sich am Montag zurückhaltend: „Wir haben jetzt keine Veranlassung im Moment, die Situation an der österreichischen Grenze zu ändern“, sagte ein Sprecher des Innenministeriums. Berlin warnt derzeit grundsätzlich vor Auslandsreisen. An den Grenzen zu Österreich und vier anderen Nachbarländern wurden sogar Grenzkontrollen wieder eingeführt.

Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach warnte offen vor einer Urlaubsdiskussion. „Es ist ein falsches und überaus gefährliches Signal, jetzt über Auslandsreisen im Sommer zu reden“, sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Das könnte eine zweite Epidemiewelle auslösen – und das sei „eine Katastrophe und keinen Sommerurlaub im Ausland wert“, so Lauterbach.

Fragezeichen Naherholung

Selbst die Naherholung – nichts ist während der Hundstage im Sommer wichtiger als ein Sprung ins kühlende Nass – ist unter den derzeitigen Umständen ungewiss: Der Neusiedlersee ist derzeit für Auswärtige – sprich vor allem für die vielen Wienerinnen und Wiener – gesperrt.

Und die Wiener Bäder kündigten am Montag an, im Mai jedenfalls nicht aufzusperren. Es wird auch nicht ausgeschlossen, möglicherweise ganz geschlossen zu halten. Derzeit arbeitet der Umweltmediziner Hans-Peter Hutter von der MedUni Wien mit einem Team an einem Leitfaden, unter welchen Maßnahmen Bäder besucht werden können. Eine Öffnung ist für Hutter unausweichlich – mehr dazu in wien.ORF.at.

Kommunikatives Dilemma

Die Regierung ist nicht zuletzt in einem kommunikativen Dilemma: Das CNN-Interview von Kanzler Kurz verfolge wohl zweierlei, so der Politologe Peter Filzmaier gegenüber ORF.at. Einerseits würden Interviews mit ausländischen Medien das Image von Kurz pflegen. Im konkreten Fall gehe es aber wohl auch darum, nach der Causa Ischgl „eine Auslandsoffensive zu starten“. Dass hier gleich der Tourismus genannt werde, sei aber „vielleicht ein bisschen gar unpassend als Beispiel“, so Filzmaier. Da gebe es aber wohl enormen Druck von der Tourismusbranche, da viele Unternehmen ums Überleben kämpfen würden.

Filzmaier bestätigte, dass die Regierungsspitze die drohende Gefahr in ihren Auftritten und ihrer Sprache „dramatischer“ inszeniert hätte als etwa Deutschland oder Schweden. Dafür gebe es durchaus gute Argumente, so der Politologe. Tatsache sei aber, dass der einmal eingeschlagene Kurs nicht so einfach geändert werden könne. Denn eine zweite Welle der Pandemie könne ja nicht ausgeschlossen werden. Nichts sei aber in der Kommunikation schlimmer als ein „Zickzack-Kurs“.

Eine mögliche Konsequenz daraus: Klarheit darüber, welche Regeln im ersten Coronavirus-Sommer gelten werden, könnte noch etwas auf sich warten lassen.