Geschlossenes Restaurant in der Wiener Innenstadt
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Gastronomieöffnung

Branche stellt sich auf neue Regeln ein

In einem Interview mit dem US-Sender CNN hat Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) erstmals Einblick gegeben, wie die Öffnung der Gastronomie nach Ende der Sperren aufgrund der Coronavirus-Pandemie aussehen könnte. Die Branche stellt sich bereits auf die neuen Regeln ein – wie gut sie in der Praxis umsetzbar sind, wird sich weisen.

Die Zahl der Coronavirus-Neuinfektionen in Österreich ist zuletzt stark gesunken. Sofern es nicht zu einem neuerlichen deutlichen Anstieg kommt, dürfen Gaststätten und Hotels mit Mitte Mai den Betrieb nach dem wochenlangen „Lock-down“ wiederaufnehmen – allerdings unter strengen Auflagen. Im Raum stehen eine Maskenpflicht für Gastronomiepersonal, strikte Abstandsregeln in Restaurants und Lokalen und eine Maximalzahl an Personen, mit denen man den Abend verbringen darf.

Zum Thema verpflichtender Mund-Nasen-Schutz sagte Kurz gegenüber CNN: „Die Leute müssen in Geschäften, aber in Zukunft auch in den Restaurants oder anderswo Masken tragen. Ich glaube, das kann hilfreich sein.“ Das Bundeskanzleramt präzisierte am Montag, die Maßnahme solle für das Personal gelten, nicht für Gäste. Sie sei aber nur „eine von mehreren Möglichkeiten“.

Kurz im CNN-Interview

Kanzler Sebastian Kurz schilderte im CNN-Interview unter anderem, dass Mitte Mai Lokale und Hotels wieder aufsperren sollen

Ähnlich äußerte sich der Geschäftsführer des Fachverbandes Gastronomie in der Wirtschaftskammer, Thomas Wolf: „In der Branche wird gemeinsam mit dem Ministerium an einer praktikablen Lösung gearbeitet. Die Maskenpflicht für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist ein Vorschlag, der in Hinblick auf die Öffnung der Gastronomie am Tisch liegt“, so Wolf in einem schriftlichen Statement gegenüber ORF.at.

Plexiglasschilde statt Masken

„Dass es verschärfte Maßnahmen für unsere Mitarbeiter geben würde, war uns natürlich schon klar“, sagte Christina Hummel, Klubobfrau der Wiener Kaffeehausbesitzer, im Ö1-Mittagsjournal. Statt einer Maskenpflicht für Kellnerinnen und Kellner plädierte sie für den Einsatz von Plexiglasschilden. Gastronomie verkaufe sich über Emotionen, das Lächeln der Beschäftigten sei daher wichtig – Audio dazu in oe1.ORF.at.

Dass Plexiglasschilde tatsächlich Masken ersetzen könnten, wird derzeit offenbar zwischen Vertreterinnen und Vertretern der Branche und des Gesundheitsministeriums diskutiert. „Ein Vorschlag ist, dass man Plexiglasmasken anwendet. Da kann man auch Brillen drunter tragen, es gibt etwas mehr Luft“, sagte Peter Dobcak, der Fachgruppenobmann für Gastronomie der Wiener Wirtschaftskammer. Eine flächendeckende Testung von Gastronomiepersonal wird es Kanzler Kurz zufolge dagegen nicht geben. Eine derartige Maßnahme werde „leider nicht machbar sein“, so Kurz zu CNN.

Für die Verhandlungen mit dem Gesundheitsministerium erarbeitete die Gastronomiebranche laut Dobcak eine Vorschlagsliste. „Diese gibt es schon seit weit über einer Woche, und wir haben sie ans Ministerium geschickt. Mit Überlegungen wie Maskenpflicht, Abstand, Timeslots usw. aber die letzte Entscheidung – das ist völlig klar – trifft in diesem Fall das Gesundheitsministerium, natürlich unter möglichst großer Rücksichtnahme auf die Wirtschaftlichkeit des Ganzen.“

Gespräche mit Politik

„Unser Ziel ist es, ein ausgewogenes Gesamtpaket zu erreichen, damit die Betriebe die Möglichkeit haben, ihr Geschäft wieder auszurichten, und damit in absehbarer Zeit zufriedenstellende Einnahmen erzielen können“, sagte WKÖ-Gastronomieobmann Mario Pulker. Es gebe derzeit Gespräche innerhalb der Branche und gemeinsam mit der Politik, wie die Öffnung in der Gastronomie organisiert werden solle.

Umsatzeinbußen wegen Abstandsregeln befürchtet

Den Umgang mit der Maskenpflicht werde man in der Branche lernen, gab sich Wien-Tourismus-Chef Norbert Kettner gegenüber Ö1 zuversichtlich. Allerdings befürchtet er Umsatzeinbußen, wenn in allen Lokalen der Sicherheitsabstand eingehalten werden muss. „Wir werden mehr Platz brauchen. Wir werden mehr Platz zur Verfügung stellen müssen. Das heißt geringere Einkommensmöglichkeiten für Betriebe.“ Für Tourismus und Gastronomie müsse es „Fördermaßnahmen“ geben, wie sie Deutschland plane, so Kettner: „Ich glaube, daran wird Österreich nicht vorbeikommen.“

„Abstand einfach nicht möglich“

Nach der pandemiebedingten Schließung aller Lokale und Hotels werden wohl die Maßnahmen Mitte Mai gelockert. Viele Betriebe stehen mit der Wiedereröffnung aber vor neuen Herausforderungen und Problemen.

Der „Sicherheitsabstand“ in Lokalen solle Plänen der Regierung zufolge zwei Meter betragen, berichtete die „Kronen Zeitung“ in der Vorwoche. Zudem könnten Tische nur noch für jeweils 90 Minuten vergeben werden. Kurz sagte gegenüber CNN, die Regeln des „Social Distancing“ sollten auch in Lokalen fortgeführt werden. Details nannte der Kanzler nicht. Außerdem kündigte er an, dass es eine Maximalanzahl von Personen, mit denen man den Abend verbringen dürfe, geben werde.

Wie praktikabel mögliche Abstandsregeln in der Praxis sind, wird sich zeigen. „Abstand halten ist einfach nicht möglich. Ich kann einem Gast das Essen nicht hinstellen, ohne dass er sich wegdreht“, sagte Elisabeth Hassler-Leben, die in Friesach das Restaurant Thomahan betreibt. Auch der Personalaufwand wäre „natürlich ungleich höher, wenn nur jeder zweite Tisch benutzt werden dürfte“.

Sperrstunde: „18.00 Uhr war nur Gerücht“

Was die Öffnungszeiten betrifft, dürften nach Ende der Beschränkungen keine Änderungen geplant sein. Die am Sonntagabend unter anderem in Sozialen Netzwerken kolportierte Informationen, dass Betriebe lediglich bis 18.00 Uhr geöffnet werden dürften, sei eine „Falschmeldung“ gewesen, so das Bundeskanzleramt gegenüber der „Presse“. „Das mit 18.00 Uhr war nur ein Gerücht. In Wirklichkeit hatte das seitens des Ministeriums überhaupt keine Grundlage“, sagte auch Wirtschaftskammer-Funktionär Dobcak.

Kritik am „ewig langen Prozess der Banken“

Zur Vertretung der Interessen der Gastronomiebranche hat sich unterdessen ein Personenkomitee gegründet. Mit an Bord sind unter anderen die Familie Prousek als Inhaberin der Aida-Kaffeehauskette, Haubenkoch Juan Amador und Karl Kolarik vom Schweizerhaus in Wien. Initiator ist der PR-Berater Stefan Ratzenberger. In Vertretung der Gastronomie kritisierte er den „ewig langen Prozess der Banken“.

Man habe gesagt, es dauere 48 Stunden, bis die Kurzarbeit genehmigt ist. „Viele Gastronomen haben bis jetzt noch keine Bestätigung des AMS erhalten. Das heißt aber wiederum: Wenn ich die AMS-Bestätigung nicht habe, bekomme ich die Zwischenfinanzierung seitens der Bank nicht. Die Banken wissen gar nichts davon. Da muss nachgeschärft werden“, forderte Ratzenberger gegenüber der APA. Als Kritik an der Regierung wolle er das aber nicht verstanden wissen.

Wirtschaftskammer-Vertreter Dobcak schlug vor, die Regularien „ein wenig einfacher“ zu gestalten. „Die Gesetzgebung war mit so einer Situation noch nicht konfrontiert.“ Es klinge zwar wirtschaftlich nicht erfreulich, so der WK-Wien-Funktionär, aber: „Mir ist es allemal lieber, es dauert ein wenig länger, und wir finden dann eine Lösung. Man will ja mit einer seriösen Maßnahme rüberkommen und nicht nur aus der Hüfte schießen.“

Gewerkschaft legte Ministerium Vorschläge vor

Die Gewerkschaft vida bekundete ihre Solidarität mit den Wirtinnen und Wirten. „Es braucht selbstverständlich klare Regeln für das Wiederhochfahren der heimischen Gastronomie und Hotellerie nach den Totalsperren der vergangenen Wochen“, so Berend Tusch, Vorsitzender des Fachbereichs Tourismus in der Gewerkschaft vida. Man habe dem zuständigen Tourismusministerium ein sozialpartnerschaftliches Papier vorgelegt. Damit wolle man ein ausgewogenes Verhältnis zwischen dem Gesundheitsschutz der Beschäftigten und Gäste sowie den wirtschaftlichen Aspekten sicherstellen.

Der Verband der österreichischen Brauereien erklärte, der Gastronomie unter anderem mit kostenlosem Reinigen von Schankanlagen aushelfen zu wollen. Ebenso verzichtet man größtenteils auf allfällige Miet- oder Pachteinnahmen und unterstützt bestmöglich beim Aufbau eines effizienten Liefer- und Abholservice von Speisen – etwa durch die Bereitstellung von Apps oder Marketing-Know-how, so Verbandsobmann Sigi Menz.