Paul Celan: Gedichte gegen die Verdrängung

Heute vor 50 Jahren ist der Dichter Paul Celan in Paris gestorben. Sein Werk, allen voran sein Gedicht „Todesfuge“, gilt neben den Werken der Nobelpreisträgerin Nelly Sachs, als eine der ersten und avanciertesten literarischen Auseinandersetzungen mit dem Holocaust.

Geboren wurde Celan am 23. November 1920 unter dem Namen Paul Antschel in Czernowitz, in der heutigen Ukraine, in eine deutschsprachige jüdische Familie. Seine Eltern wurden 1942 in ein Lager der Nationalsozialisten deportiert und dort ermordet.

Schriftsteller Paul Celan 1967
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Dichten nach dem Holocaust

Celan selbst überlebte die Vernichtungsmaschinerie der Nazis. 1947 kam er nach Wien, wo 1948 sein Gedichtband „Der Sand aus den Urnen“ auf eigene Kosten gedruckt wurde. Darin erschien erstmals die „Todesfuge“ auf Deutsch. Zuvor war eine abweichende rumänische Variante gedruckt worden. In diesem Gedicht vereint er Motive, die sich auf die klassische deutsche Kultur beziehen mit Bildern, welche die Ermordung von Millionen Juden durch die Nationalsozialisten darstellen.

In seiner Zeit in Wien lernte er Ingeborg Bachmann kennen, mit der ihn eine über Jahrzehnte immer wieder aufflammende Beziehung verband. Diese Verbindung ist genauso in einem umfangreichen Briefwechsel dokumentiert wie Celans Freundschaft zu Nelly Sachs. „Sand aus den Urnen“ ließ Celan aufgrund vieler Druckfehler und mangelhafter Ausstattung einstampfen. Fortan lebte er in Paris.

Die Heidegger-Frage

1952 erscheint sein Gedichtband „Mohn und Gedächtnis“, der auch wieder die „Todesfuge“ enthielt, die ab diesem Zeitpunkt intensiv rezipiert wurde. In einem Brief an Bachmann schrieb Celan, die „Todesfuge“ sei für ihn auch „eine Grabschrift und ein Grab“, und meinte damit, dass er darin die Erinnerung an seine ermordeten Eltern bewahre.

In seinen Gedichten setzte sich Celan unter anderem mit der Philosophie von Martin Heidegger auseinander, was ihm aufgrund von Heideggers Nähe zum Nationalsozialismus in den 1930er Jahren Unverständnis einbrachte.

Weltliterat und Übersetzer

Trotzdem wuchs Celans Bedeutung immer weiter, 1960 erhielt er den renommierten Georg-Büchner-Preis. Inzwischen gilt er als einer der am stärksten wahrgenommenen Dichter deutscher Sprache der Weltliteratur, was auch die ungebrochen intensive Forschung zu seinem Werk dokumentiert.

Neben seiner eigenen Lyrik wurde Celan auch für seine nachdichtenden Übersetzungen bekannt, beispielsweise von Guiseppe Ungaretti aus dem Italienischen, von Arthur Rimbaud aus dem Französischen und Sergej Jessenin aus dem Russischen. Als Erinnerung an diese Tätigkeit Celans vergibt der Deutsche Literaturfonds seit 1988 den Paul-Celan-Preis für herausragende Literaturübersetzungen ins Deutsche.

Schwer getroffen von Goll-Affäre

1960 warf Claire Goll, die Witwe des mit Celan befreundeten Dichters Ivan Goll, Celan vor, Gedichte ihres Mannes plagiiert zu haben. Das stellte sich als unrichtig heraus. Die Goll-Affäre setzte Celan dennoch schwer zu.

Im Verlauf der 1960er Jahre geriet Celan immer wieder in akute psychische Krisen. Die Umstände seines Todes wurden nie gänzlich geklärt. Er verschwand 49-jährig am 20. April 1970. Sein Leichnam wurde am 1. Mai aus der Seine geborgen. Vermutlich beendete er sein Leben, indem er sich vom Pont Miraubeu stürzte.

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