EU-Kommission: 3,4 Billionen in Krise mobilisiert

Rund 3,4 Billionen Euro haben die Europäische Union und ihre Mitglieder der EU-Kommission zufolge bereits gegen die Wirtschaftskrise mobilisiert – und mindestens eine weitere Billion wird für den Wiederaufbau gebraucht. Die Zahlen nannten Kommissionsvertreter heute.

Bis zum EU-Gipfel am Donnerstag soll klarer werden, woher das frische Geld kommen soll. Da der Streit über Euro-Bonds völlig festgefahren ist, sucht die Kommission Alternativen, bei denen sie selbst Anleihen ausgibt. Die Aufstellung der bisherigen Wirtschaftshilfen, die die Kommission präsentierte, umfasst angekündigte nationale Zuschüsse, Liquiditätshilfen, Mittel aus dem laufenden EU-Budget sowie die Anleihekaufprogramme der Europäischen Zentralbank (EZB).

Ebenfalls enthalten ist ein von der Euro-Gruppe geschnürtes Paket im Umfang von bis zu 540 Milliarden Euro aus Kurzarbeitshilfen des Programms „Sure“, aus von der Europäischen Investitionsbank abgesicherten Unternehmenskrediten und aus Kreditlinien des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM). Die drei Elemente wurden allerdings gerade erst beschlossen. Es ist nicht klar, wann und in welchem Umfang sie genutzt werden. Die ESM-Hilfen sind zum Beispiel auch für das in der Pandemie besonders schwer getroffene Italien gedacht, dort aber sehr umstritten.

Merkel will EU-Budget deutlich erhöhen

Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel will unterdessen von der Coronavirus-Krise besonders stark betroffene EU-Staaten über eine deutliche Anhebung des EU-Haushalts helfen. „Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass er in den ersten Jahren nach der Pandemie ganz andere finanzielle Möglichkeiten haben muss“, sagte Merkel heute auf die Frage nach der deutschen Position für die Verhandlungen am Donnerstag.

„Deutschland möchte nicht nur solidarisch sein, sondern wird auch solidarisch sein“, sagte Merkel über das Hilfspaket mit 500 Milliarden Euro, das die EU-Finanzminister bereits vereinbart hatten. „Aber das muss im Rahmen der heutigen Verträge sein“, sagte sie zur Debatte über „Corona-Bonds“, die sie weiter ablehnt.

Mit Blick auf die Forderungen etwa Italiens und Spaniens betonte Merkel, dass bei der Hilfe berücksichtigt werden müsse, dass die Coronavirus-Krise die Länder „ohne Verschulden“ getroffen habe. „Das ist nicht Ergebnis von irgendwelchen Mängeln in der Wirtschaftspolitik oder anderen Dingen“, sagte sie angesichts der Debatte etwa in den Niederlanden, Italien im Gegenzug für Kredite Reformauflagen zu machen.

Merkel deutete an, dass Deutschland sogar bereit sei, über neue EU-Verträge zu diskutieren, fügte aber hinzu: „Aber dann braucht man zwei, drei Jahre. Und wir werden schnelle Antworten auf die Pandemie brauchen.“

Furcht vor einer Schuldenkrise Italiens

Wenige Tage vor dem EU-Gipfel stieg am Anleihemarkt die Furcht vor einer Schuldenkrise in Italien. Investoren warfen Anleihen des Landes aus ihren Depots, nachdem sich die Regierungen im Euro-Raum nicht auf gemeinsame „Corona-Bonds“ zur Finanzierung des Wiederaufbaus nach der Pandemie verständigen konnten. Das trieb die Rendite der zehnjährigen italienischen Bonds wieder auf knapp zwei Prozent. Der Risikoaufschlag zur vergleichbaren deutschen Bundesanleihe lag bei 240 Punkten. Das ist deutlich mehr als noch in der vergangenen Woche.

„Man weiß, dass es da ein Thema gibt, wenn jeder wieder seine Schuldenkrisenmodelle abstaubt. Das ist das, was wir und jeder andere im Fall von Italien gemacht haben“, sagte Gilles Moec, Chefvolkswirt bei AXA Investment. Italien zählt in Europa zu dem am stärksten von der Krise getroffenen Ländern. Der Internationale Währungsfonds (IWF) erwartet, dass die Staatsverschuldung des Landes deshalb auf 155,5 Prozent der Wirtschaftsleistung steigen könnte. Sie lag zuletzt bereits bei 136 Prozent – mehr als doppelt so hoch, wie die EU-Verträge erlauben.

Am Donnerstag wollen die 27 EU-Staats- und -Regierungschefs erneut über zusätzliche Hilfen für angeschlagene Euro-Länder wie Italien beraten. Am Freitag wird die Ratingagentur Standard & Poor’s die Bonitätsnote für Italien überprüfen. Sie liegt derzeit bei „BBB“. Bei einer Rückstufung um einen Tick auf „BBB-“ würde sie nur noch einen Schritt vom Ramschstatus entfernt sein. Bei einem Verlust des Gütesiegels „Investment Grade“ müssten einige Fonds diese Papiere zwangsweise verkaufen.