Biene auf Lavendel
ORF.at/Günther Rosenberger
Globales Problem

„Lock-down“ lässt Bienen nicht abheben

Die tatsächlichen und drohenden Folgen der Coronavirus-Pandemie und ihrer Bekämpfung sind schier unübersehbar. Eine davon klingt zunächst vernachlässigbar, hat es aber in sich: Bienen können wegen des „Lock-down“ vielfach nicht dorthin gelangen, wo sie dringend gebraucht werden – mit möglichen globalen Folgen für die Landwirtschaft.

Denn anders als in Österreich, wo lokale Bienenvölker die Felder und Obstplantagen bestäuben, passiert das in einigen Teilen der Erde durch extra antransportierte Bienenvölker. In besonders großem Ausmaß geschieht das etwa in den USA. Die Bienentransporte sind nun durch die Coronavirus-bedingten Ausgangs- und Reisebeschränkungen weitgehend gestoppt. Nicht nur bleiben die Bienenvölker ohne Nahrung, auch die für die Landwirtschaft wichtige Bestäubung bleibt aus.

In den USA sind Imker mit Tausenden bis Zehntausenden Bienenvölkern keine Seltenheit. Die dafür benötigten Arbeitskräfte müssen nun jedes Mal, wenn sie mit den Bienen an einen neuen Standort kommen, in Selbstquarantäne. Das verzögert die Bestäubung. Zudem gebe es einen Mangel an verfügbaren Lkw-Fahrern für den Bienentransport, erklärt der Großimker und Präsident der amerikanischen Honigproduzentenvereinigung, Kelvin Adee, im Interview mit der „Financial Times“ („FT“).

Bienenstöcke unter blühenden Mandelbäumen in Nordkalifornien
Getty Images/Barbara Rich
Bienenstöcke unter Mandelbäumen in Kalifornien

Engpässe bei importierten Bienenvölkern

Laut Apimondia, der internationalen Vereinigung der Imker, gibt es in den USA und Kanada aufgrund der Flugbeschränkungen auch Engpässe bei den normalerweise aus Australien, Neuseeland, Mexiko und Chile importierten Bienenvölkern.

„Ein Drittel unserer Nahrung hängt von der Bestäubung der Bienen ab. Diese Ernte kann betroffen sein“, sagte Norberto Garcia von Apimondia. In den USA geht es da um Nahrung im Wert von rund 15 Milliarden Dollar (13,8 Mrd. Euro) pro Jahr wie Beeren, Melonen, Brokkoli und Mandeln. Allein die Mandelproduktion verdoppelte sich in den vergangenen zwei Jahrzehnten – verbunden mit dem entsprechend steigenden Bedarf an Bienen für die Bestäubung.

Einschränkungen bei größtem Honigproduzenten China

Die Einschränkungen bei der Bienenwanderung sind nicht auf die USA beschränkt. Auch China, das inzwischen mit einer Produktion von jährlich rund 500.000 Tonnen Honig – einem Viertel der weltweiten Menge – zum weltgrößten Honigproduzenten aufgestiegen ist, kämpft mit den Auswirkungen der Coronavirus-Pandemie. Der Großteil der rund 250.000 Imker ist üblicherweise mit seinen Bienenvölkern in Lastwagen im ganzen Land unterwegs.

Laut dem „Economist“ legen die meisten chinesischen Imker im Jahr mehr als 3.000 Kilometer zurück. Das wurde durch die Ausgangssperren stark eingeschränkt. Viele Bienen starben. Trotz einiger Lockerungen gibt es nach wie vor Hindernisse wie etwa häufige Gesundheitschecks.

Kleinere Hindernisse auch in Europa

In einigen europäischen Ländern ist es für Imker möglich, innerhalb des Landes mit den Bienenvölkern zu wandern. In Griechenland aber sind etwa lange Distanzen verboten, was laut Experten dazu führen könnte, dass einige Bienen verhungern. Großbritannien, das meist seine eigenen Bestände mit Völkern aus Südeuropa ergänzt, kämpft nun mit Importschwierigkeiten.

Österreichischer Imker an einem Bienenstock
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In Österreich ist die Honigproduktion kleinflächiger und auf fast 30.000 Imker aufgeteilt

Europa sei aber weniger stark von den Beschränkungen betroffen als die USA, betonte Stefan Mandl, Präsident des Erwerbsimkerbundes in Österreich, im ORF.at-Interview. Hier gebe es nicht so eine Bestäubungsindustrie wie im Ausmaß der USA.

Vor allem für die heimischen Imker sei die aktuelle Situation „unproblematisch“. In Österreich ist die Honigproduktion kleinflächiger organisiert. Von fast 30.000 Imkern und Imkerinnen sind etwa 300 im Vollerwerb in der Honigproduktion. Nur einige wenige benötigen zusätzliche personelle Unterstützung. Bis zu 50 Bienenvölker fallen unter „Liebhaberei“, erklärt Reinhard Hetzenauer, Präsident des Österreichischen Imkerbunds, gegenüber ORF.at.

Passierschein für Imker in Österreich

Unterschieden werde zwischen Stand- und Wanderimkern. Diese wechseln mit ihren Bienenvölkern auch in Österreich von einem Nahrungsangebot zum nächsten, wie etwa vom Raps zur Obstblüte und zur Akazie oder von niederen Tal- zu höheren Lagen. Hetzenauer: „In Österreich gibt es dabei aber keine Probleme. Vom Ministerium gibt es einen eigenen Passierschein für Imker auch bei Ausgangsbeschränkungen.“ Die wenigen Wanderungen der Bienenvölker wurden laut Mandl aufgrund des Coronavirus stark reduziert.

Auswirkungen haben die Reisebeschränkungen auf die länderübergreifenden Bienentransporte. So lassen etwa einige deutsche und wenige österreichische Imker ihre Völker in Mittelitalien überwintern. Das erspare das Füttern der Bienen, und das milde Klima sei leichter zum Überwintern der Bienen, so Mandl. Im Frühjahr erfolgt üblicherweise der Rücktransport nach Österreich und Deutschland.

Das entfällt nun aufgrund der CoV-Maßnahmen. „Wir empfehlen den Imkern heuer, in Italien zu bleiben“, sagte Mandl. Auch wenn es Anfragen gebe, ob der Erwerbsimkerbund beim Rücktransport unterstütze. Der Imker zeigt sich skeptisch gegenüber den Bienentransporten. So sei etwa die Varroamilbe verbreitet worden. Er empfiehlt, gerade in der derzeitigen Situation, auf Entschleunigung zu setzen: „Bienen sind Wildtiere, die man hegen und pflegen muss, und keine Betriebsmittel.“