Wanderer auf einem Berg
ORF.at/Christian Öser
Sorge vor Übernahmen

Brüssel will Reisebranche schützen

Die EU-Kommission will der Tourismus- und Reisebranche zu Hilfe kommen. „Dafür kämpfe ich, das steht ganz oben auf meiner Liste“, sagte EU-Industriekommissar Thierry Breton am Dienstag im Verkehrsausschuss des Europaparlaments.

Der Franzose will unter anderem Unternehmen vor Übernahmen aus dem Ausland schützen und kündigte ein Gipfeltreffen für die Branche im Herbst an. Die Tourismusindustrie müsse sich gegen „aggressive Investitionsstrategien nicht europäischer Staaten“ wappnen, warnte Breton.

Denn diese könnten die aktuelle Krise „als Gelegenheit sehen, europäische Juwelen zu niedrigen Preisen zu kaufen“. Die Kommission werde deshalb zusammen mit den Mitgliedsstaaten „besonders aufmerksam“ die Lage bei ausländischen Investitionen verfolgen.

„Am stärksten getroffener Sektor“

Breton verwies darauf, dass die Branche „der am stärksten getroffene Sektor“ in der Coronavirus-Krise sei. „Wir schätzen die Einnahmeverluste auf europäischer Ebene auf 50 Prozent für Hotels und Restaurants, 70 Prozent für Reiseveranstalter und Reisebüros und 90 Prozent für Kreuzfahrt- und Fluggesellschaften.“ Weltweit werde mit Einbußen zwischen 275 und 400 Mrd. Euro in der Tourismusbranche gerechnet.

„Der internationale Flugverkehr ist am Boden, viele Länder haben Einreisesperren und Ausgangssperren“, unterstricht auch der deutsche Außenminister Heiko Maas (SPD). Er warnte die Verbraucher: „Eine normale Urlaubssaison mit vollen Strandbars und vollen Berghütten wird es diesen Sommer nicht geben können. Das wäre nicht zu verantworten.“

Drei Millionen Unternehmen

Allerdings ist der Tourismus laut Industriekommissar Breton einer der wichtigsten Wirtschaftsfaktoren in Europa: Er stehe mit drei Millionen Unternehmen in der EU für elf Prozent der Wirtschaftsleistung und zwölf Prozent der Beschäftigten. Wegen „erheblicher geografischer Unterschiede“ würden etwa Spanien, Griechenland, Italien, Frankreich noch deutlich härter getroffen. „Es gibt geografische Gebiete (…), die fast ausschließlich vom Tourismus abhängen.“

Ebenfalls getroffen würden zudem vielfach kleine Familienbetriebe. Viele bereits verabschiedete EU-Hilfen zielten deshalb auf kleinere Unternehmen ab. Wichtig für die Gesamtbranche sei der nun diskutierte Wiederaufbaufonds, um die Branche schnell wieder aus der Krise zu holen. Breton ging davon aus, dass 20 bis 25 Prozent der Mittel aus dem künftigen Fonds die Tourismusbranche unterstützen müssten.

Beratungen über Wiederaufbaufonds

Die EU-Staats- und -Regierungschefs wollen bei ihrem kommenden Videogipfel über einen Fahrplan beraten, um den Wiederaufbaufonds einzurichten. Das Volumen und die Finanzierung sind aber hoch umstritten. Im Gespräch ist ein Volumen von 500 Mrd. Euro bis 1,5 Billionen Euro.

Der Industriekommissar kündigte speziell für den Tourismussektor ein Gipfeltreffen im Herbst an. Ziel sei es, „gemeinsam über die Zukunft nachzudenken und einen Fahrplan für einen nachhaltigen, innovativen und widerstandsfähigen europäischen Tourismus aufzustellen“. Einem Sprecher zufolge sollen dabei Vertreter der EU-Institutionen und nationaler, regionaler und lokaler Behörden mit Akteuren der Industrie zusammenkommen.