Kitzloch in Ischgl
APA/Jakob Gruber
Hotspot

Ischgl will sein Image reparieren

Nach der nationalen und internationalen Aufregung über mutmaßlich verspätetes Agieren gegen die Coronavirus-Pandemie im Tiroler Skiort Ischgl will dieser nun keine Zeit verlieren: Wenige Stunden nach Aufhebung der Quarantäne über die Region machte der Bürgermeister am Donnerstag klar, dass man nun den ramponierten Ruf reparieren will.

Man arbeite bereits intensiv an „sehr konkreten Maßnahmen“ mit dem Ziel von „mehr Qualität“, meinte Bürgermeister Werner Kurz in einer Aussendung. In den Prozess seien Tourismusverband, Seilbahnen, Gastronomen und Beherbergungsbetriebe eingebunden. „Wir werden Entwicklungen der vergangenen Jahre hinterfragen und dort, wo notwendig, korrigieren“, so Kurz.

Gemeinsam mit allen Betreibern werde auch überlegt, wie eine „gehobene Apres-Ski-Kultur“ aussehen könne. „Wir stehen am Anfang unserer Überlegungen und werden die Sommermonate nutzen, um das Konzept ‚Mehr Qualität‘ mit ganz konkreten Maßnahmen realisieren zu können“, sagte der Ortschef.

Saisonarbeiter verlassen Ischgl
APA/EXPA/Johann Groder
Letzte Saisonarbeiter verlassen nach Aufhebung der Quarantäne Ischgl

Abkehr von „Ballermann“-Image?

Mehr Qualität bedeute auch weniger Partytourismus, „Vorrang für Skifahrer und weniger Tagesbusgäste, die nur zum Feiern kommen“. Damit deutete Kurz an, dass Ischgl künftig weniger auf das Image des „Ballermanns“ der Alpen setzen will.

Kurz meinte zudem, Medien hätten ein schiefes Bild der Gemeinde gezeichnet. In vielen Berichten dominiere derzeit das Bild von Ischgl als „Ballermann-und-Party-Tourismusort“. „Das ist aber nur ein kleiner Teil unseres Angebots und prägt dennoch jetzt die Wahrnehmung über unseren Ort. Dieses Bild wird uns in keiner Weise gerecht. Wir bieten unseren Gästen seit Jahren qualitativ hochwertigen Tourismus und Wintersport“, so der Bürgermeister.

Die Mehrzahl der Gäste komme unter anderem nach Ischgl, weil das dortige Skigebiet als eines der schönsten der Welt gelte: „Und unsere Bevölkerung ist mit Leib und Seele Gastgeber, was sich in einem Stammgästeanteil von 70 Prozent ausdrückt.“

„Synonym für viele Entwicklungen“

Die Vorgänge während der Coronavirus-Krise seien nicht spurlos an Ischgl vorbeigegangen. „Ischgl ist in den letzten Wochen zum Synonym für viele Entwicklungen rund um das Coronavirus geworden“, räumte Kurz ein. Gleichzeitig betonte er erneut, dass seit Ausbruch der Pandemie „alle Maßnahmen auf Anordnung der Behörden getätigt wurden“. Und diese hätten sich wiederum auf den jeweiligen Wissensstand der Experten gestützt.

überdimensionale Skibrille mit slogan von Ischgl „Ischgl – Relax, if you can“
APA/EXPA/Johann Groder
Überdimensionale Werbung in Ischgl

Brisante Causa

Die Causa Ischgl ist weiter juridisch und politisch brisant: Der Skiort war der erste Coronavirus-Hotspot in Österreich, dort infizierten sich zahlreiche Touristinnen und Touristen aus anderen Ländern. Insbesondere das Apres-Ski-Lokal „Kitzloch“ war laut bisherigen Erkenntnissen ein Hotspot im Hotspot.

Mit ihrer Rückkehr verbreiteten die Urlauber das Virus in ihren Heimatländern, etwa Island, Norwegen und Deutschland. Viele werfen den Behörden und der Politik in Tirol vor, zu spät reagiert zu haben, um den Skibetrieb so lange wie möglich aufrechtzuerhalten.

Polizeikontrolle am Ausgang des Paznauntals währen der Quarantäne
APA/Jakob Gruber
Polizeikontrollen nach Verhängung der Quarantäne im März

Das führte vor allem auch international zu heftiger Kritik an Tirol und der lokalen Tourismusindustrie. Dazu kam, dass nach Verhängung der Quarantäne über das Paznauntal die Abreise Tausender ausländischer Gäste völlig chaotisch ablief. Viele mussten etwa noch in Innsbruck nächtigen, weil sie keinen Flug hatten – sie hatten aber laut eigenen Aussagen nicht mehr in ihren Ischgler Unterkünften bleiben dürfen. Das dürfte zu einer weiteren – vermeidbaren – Verbreitung des Virus beigetragen haben.

Ermittlungen und Sammelklage

In Österreich läuft mittlerweile eine Sammelklage, und die Staatsanwaltschaft hat Ermittlungen eingeleitet. Der Tiroler Landtag wird die Causa ebenfalls untersuchen. Auch die ÖVP-Grünen-Bundesregierung hat mehrfach in allgemeiner Form eine gründliche Aufarbeitung angekündigt. Sie will damit aber warten, bis die Pandemie vorbei ist.