Schreibgeräte und eine Landkarte auf einer Schulbank
ORF.at/Zita Klimek
Geteilte Klassen

Schulen öffnen im „Schichtbetrieb“

Ab 15. Mai soll nach den Maturantinnen und Maturanten auch der Unterricht für die restlichen Schülerinnen und Schüler schrittweise beginnen. Wie das im Detail vonstattengehen soll, führte am Freitag ÖVP-Bildungsminister Heinz Faßmann aus. Eine zentrale Rolle spielt dabei die „Verdünnung“ an den Schulen. So soll in einem „Schichtbetrieb“ immer nur die Hälfte der Klasse anwesend sein.

Nach den Maturantinnen und Maturanten, die mit 4. Mai in die Schulen zurückkehren, sollen ab Mitte Mai die Schülerinnen und Schüler in den Volksschulen, den Mittelschulen und den Unterstufen den Unterricht wieder aufnehmen. Zwei Wochen später folgt der Rest, also alle älteren Schülerinnen und Schüler.

Faßmann nannte als Termine den 15. und den 29. Mai – beides Freitage. Der 29. Mai liegt auch noch vor dem verlängerten Pfingstwochende. Der Unterricht selbst wird deshalb an diesen Tagen noch nicht beginnen, Lehrerinnen und Lehrer sollen aber ihre Konferenzen abhalten. Richtig los geht es für die Schülerinnen und Schüler dann am Montag bzw. Mittwoch.

Bildungspsychologin Christiane Spiel und Bildungsminister Heinz Faßmann
APA/Helmut Fohringer
Faßmann präsentierte am Freitag den Stufenplan für das Wiederöffnen der Schulen

Im Vergleich zur Zeit vor dem Ausbruch der Coronavirus-Pandemie wird sich für die Kinder und Jugendlichen aber einiges ändern. Um das Infektionsrisiko möglichst gering zu halten, soll es zu einer „Verdünnung“ an den Schulen kommen. Zentrales Element dabei ist die Teilung der Klassen in zwei etwa gleich große Gruppen. Der eine Teil soll montags bis mittwochs Unterricht haben, der andere Teil donnerstags und freitags. Jede Woche wird gewechselt.

„Hausübungstage“ auch an Schule möglich

Wenn für eine Gruppe kein Unterricht stattfindet, haben die Schülerinnen und Schüler „Hausübungstage“. Zwar hofft Faßmann darauf, dass Eltern ihre Kinder so möglich an diesen Tagen zu Hause ließen. Grundsätzlich könnten die Schülerinnen und Schüler die „Hausübungstage“ aber auch in der Schule verbringen. Faßmann sprach etwa von der Nutzung „großer Räume wie Turnsäle“. Denn bereits sicher schloss der Bildungsminister aus, dass heuer noch Turnunterricht stattfindet. „Im Prinzip werden alle Fächer unterrichtet bis auf jene, die virologisch heikel sind – wenn ich an Sport und Bewegung denke“, so Faßmann.

Grafik zur Schulöffnung
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: Bildungsministerium

Entfallen werde auch der Nachmittagsunterricht. Das soll aber nicht dazu führen, dass das Schuljahr verlängert wird, hieß es vom Bildungsminister auf Nachfrage. Auch der Stundenplan soll trotz der Streichungen und Einschränkungen weitgehend unberührt bleiben. Ebenso wird auch weiterhin eine Betreuung am Nachmittag angeboten werden.

Alle Schularbeiten abgesagt

Es sei klar, dass nicht mehr der gesamte Stoff durchzunehmen sei, so Faßmann. In den Volksschulen wird das Sitzenbleiben ausgesetzt. An allen anderen Schulen darf man mit einem Fünfer automatisch und mit mehreren Fünfern auf Beschluss der Klassenkonferenz aufsteigen.

Pressekonferenz zum Etappenplan für die Schulöffnung

ÖVP-Bildungsminister Heinz Fassmann und Bildungspsychologin Christiane Spiel (Universität Wien) erläutern die Strategie, mit der die Regierung den Schulbetrieb schrittweise wieder in Betrieb nehmen möchte.

Darüber hinaus werden die Schularbeiten gestrichen. Die „solide Basis“ der Leistungsbeurteilung sollen laut dem Bildungsminister die Halbjahreszeugnisse sowie die Leistungen bis zum 16. März bilden. Auch die Leistungen aus dem Heimunterricht sollen in die Jahresbewertung einfließen. Sollten sich Schüler verbessern wollen, sind laut dem Bildungsminister mündliche Prüfungen möglich.

Detaillierte Hygienmaßnahmen

In der Schule soll eine ganze Reihe an Hygienemaßnahmen zum Tragen kommen. Das Ministerium hat sie sehr detailliert in einem eigenen Handbuch zusammengefasst. Darin ist unter anderem der Mindestabstand in den Klassen geregelt, aber auch das Verhalten in den Pausen. Auch wann und wo der Mund-Nasen-Schutz zu tragen ist, hält das Handbuch fest.

Faßmann hielt dazu fest, dass es an den Eltern liege, ihren Kindern eine entsprechende Bedeckung in die Schule mitzugeben. Schülerinnen und Schüler, die älter als zehn Jahre sind, müssten diesen zumindest in den Pausen tragen. Bei jüngeren Kindern sei das nur schwer vorstellbar, so der Bildungsminister. Während des Unterrichts selbst muss jedenfalls niemand einen Mund-Nasen-Schutz tragen.

Möglichkeit der Entschuldigung

Für Eltern, die ihre Kinder aus Sorge vor einer Ansteckung weiterhin nicht in die Schule schicken wollen, werde es weiterhin die Möglichkeit des Heimunterrichts geben, so der Bildungsminister. „Wenn Schüler krank sind, wenn Schüler sich psychisch aufgrund der Corona-Belastung nicht in der Lage sehen, in die Schule zu gehen, oder wer kranke Menschen zu Hause schützen möchte und eine mögliche Übertragung fürchtet, deren Eltern melden dies bei der Direktion, und dann gelten die Schüler und Schülerinnen als entschuldigt“, so Faßmann. Auch Lehrerinnen und Lehrer können sich entschuldigen lassen, wenn sie Vorerkrankungen haben oder mit Menschen aus der Risikogruppe zusammenleben.

Appell an Kindergartenbetreiber

Mit Blick auf die Kindergärten hielt Faßmann fest, dass diese nicht unter seine Kompetenz fielen. Das Thema sei ihm aber wichtig. Er ersuchte die Betreiber, alle Kinder aufzunehmen, die Betreuung brauchen. Der berufliche Hintergrund der Eltern solle dabei kein Kriterium sein.

Bevor es in den Familien aus persönlichen oder beruflichen Gründen zu Überforderung kommt und die Kinder davon betroffen sind, soll diesen der Besuch der Einrichtung ermöglicht werden. Ab dem 18. Mai sollten aus Sicht des Bildungsministeriums außerdem speziell Kinder im letzten Kindergartenjahr vor dem Schuleintritt und jene Drei- bis Vierjährigen Kinder in den Kindergarten kommen, die Sprachförderbedarf haben.

„In Zeiten von Corona soll das Bild des Kindergartens nicht wieder auf die reine Betreuungsfunktion für die, die ihre Kinder nicht anders unterbringen, reduziert werden“, betonte Faßmann. Vor allem für die Fünfjährigen erfülle er wichtige Aufgaben bei Sprachförderung und Vorbereitung auf den Schuleintritt.

Bildungspsychologin erinnert an „Nebenfolgen“

Gemeinsam mit Faßmann trat Christiane Spiel, Professorin für Bildungspsychologie an der Universität Wien, vor die Medien. Die Wissenschaftlerin war zwar, wie sie sagte, selbst nicht in den Entscheidungsprozess eingebunden gewesen. Der Minister habe sie aber eingeladen, Ergebnisse ihrer Forschung zu präsentieren. Spiel hielt fest, dass sie den „Prozess der schrittweisen Öffnung“ unterstütze. Während der Schulschließungen hätten die Familien teils sehr unterschiedliche Belastungen erlebt. Spiel sprach von „Nebenfolgen“.

Bildungspsychologin Christiane Spiel
APA/Helmut Fohringer
Bildungspsychologin Spiel plädiert für ein „klares Monitoring“ des Öffnungsprozesses

Ihrer Einschätzung nach dürfte die Bildungsschere in den vergangenen Wochen „ordentlich aufgegangen sein“. Laut einer an Spiels Department durchgeführten Studie mit rund 8.300 Schülern zwischen zehn und 19 Jahren hätten etwa 16 Prozent angegeben, über keinen eigenen Laptop bzw. ein Tablet zu verfügen, 21 Prozent hatten keine Unterstützung beim Lernen. Dazu müsse man noch bedenken, dass die Befragung online durchgeführt worden sei – wer überhaupt kein Endgerät zur Verfügung habe, konnte also gar nicht teilnehmen.

Nun sei es wichtig, dass der Prozess der Wiederöffnung laufend beobachtet und evaluiert werde, es brauche ein „klares Monitoring“. Die Bildungspsychologin verwehrte sich dagegen, in der Situation von „Experimentieren“ zu sprechen. Es gelte, eine Balance zwischen zentralen Regeln und lokalem Gestaltungsspielraum zu finden. Die Situation bleibe auf jeden Fall sehr herausfordernd.

Reaktionen zwischen Erleichterung und Sorge

Von Herausforderungen war auch in zahlreichen Reaktionen auf die vorgestellten Pläne die Rede. Wenngleich die stufenweise Wiederöffnung der Schulen weitgehend positiv aufgenommen wurde – so etwa von den Oppositionsparteien SPÖ und NEOS. Sie monierten freilich, dass diese reichlich spät kämen. Kein gutes Haar an den Plänen ließ hingegen die FPÖ, die von einem „hanebüchenen Murks Marke Faßmann“ sprach.

Durchaus kritisch fiel auch das Urteil vonseiten der Lehrergewerkschaft aus. Die Regierung habe sich dem öffentlichen Druck gebeugt und gehe nun „ein relativ hohes Risiko ein“, kritisierte der oberste Pflichtschullehrervertreter Paul Kimberger (FCG). „Für mich sind die Gruppen zu groß und das Tempo zu hoch“. Er hoffe, dass sich das nicht in steigenden Infektionszahlen niederschlagen werde.