Älterer Mann beim Einkaufen
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„Bestimmte Personengruppen“

Epidemiegesetz-Reform schlägt hohe Wellen

Eine Reform des Epidemiegesetzes sorgt für Aufregung. ÖVP und Grüne brachten im Parlament einen Antrag ein, der „Screeningprogramme“ zur Ermittlung von Regionen, die besonders von Covid-19 betroffen sind, vorsieht. Erlaubt werden soll auch, Veranstaltungen auf „bestimmte Personengruppen“ zu beschränken. Umkehrschluss laut Opposition: Andere Personengruppen, etwa die CoV-Risikogruppe, werden ausgeschlossen.

Nach Kritik von SPÖ, FPÖ und NEOS betonte das Gesundheitsministerium nun, damit keinen verpflichtenden Einsatz von Software, um die Bewegung der Bevölkerung nachverfolgen zu können, durchsetzen zu wollen. Gedacht sei vielmehr an die Begrenzung von Veranstaltungen auf Vereinsmitglieder oder Sportler. Im Antrag, der am Donnerstag im Gesundheitsausschuss von ÖVP und Grünen beschlossen wurde, heißt es: „Veranstaltungen (…) sind zu untersagen oder ist deren Abhaltung auf bestimmte Personengruppen einzuschränken oder an die Einhaltung bestimmter Voraussetzungen oder Auflagen zu binden.“

Dass es keine von der Opposition geforderte Begutachtung des Antrags gibt, der auch in keiner Pressekonferenz vorgestellt wurde, begründete der ÖVP-Klub damit, dass man rasch handeln müsse, damit die im Gesetz fixierte neue „Containment-Strategie“ rechtzeitig zur „Öffnung“ nach der Coronavirus-Krise in Kraft sei. Die grüne Klubchefin Sigrid Maurer versuchte auf Twitter zu beruhigen. Mit dem Antrag sei „keinesfalls“ gemeint, „etwa Risikogruppen auszuschließen oder Personen, die keine Tracing-App installiert haben. Die Verwendung der App ist völlig freiwillig, und das bleibt auch so.“

Coronavirus-App „durch die Hintertür“

NEOS erneuerte die schon am Vortag von der Opposition vorgebrachte Kritik an den ÖVP-Grünen-Reformplänen am Freitag. Aus Sicht von Gesundheitssprecher Gerald Loacker erlaubt die geplante Formulierung nämlich sehr wohl eine De-facto-Pflicht zur Verwendung einer Coronavirus-App. „Das ist eine klare Grenzüberschreitung. Es ist so weit formuliert, dass hier der Regierung zu viele Formen der Einschränkung ermöglicht werden“, so Loacker in einer Aussendung.

Epidemiegesetz
Parlament
Der Regierungsantrag sieht vor, dass Veranstaltungen auf „bestimmte Personengruppen“ beschränkt werden können

Auch von der SPÖ kam scharfer Protest gegen die Veranstaltungsbestimmung. Gesundheitssprecher Philip Kucher befürchtet eine verpflichtende Coronavirus-App „durch die Hintertür“. „Coronavirus-Bekämpfung ja, Blankoschecks für Eingriffe in Grundrechte der Bevölkerung nein“, so Kucher in einer Aussendung. Die FPÖ äußerte sich am Donnerstag ebenfalls kritisch zum Vorschlag von ÖVP und Grünen.

Ein Sprecher von Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) wies die Kritik am Freitag zurück. Er argumentierte, dass es die derzeitige Formulierung im Epidemiegesetz nur erlaubt, Veranstaltungen komplett zu untersagen. Künftig soll es auch die Möglichkeit geben, sie unter Auflagen zuzulassen: „Die Regelung dient dazu, mehr Freiheiten zu schaffen, als das bisher möglich ist.“ Grünen-Klubchefin Maurer sicherte zu, diese Bestimmung nochmals prüfen zu lassen.

ÖVP-Wirtschaftsbund fordert Freizeiteinschränkung

Übrigens forderte am Donnerstag der ÖVP-Wirtschaftsbund für Personen, die der Coronavirus-Risikogruppe angehören, auch Einschränkungen für Freizeitaktivitäten. „Es wäre nicht konsequent, wenn Risikogruppen einerseits von der Arbeit freigestellt werden, andererseits an nicht lebensnotwendigen Aktivitäten teilnehmen. So sind Sportaktivitäten mit Dritten, Restaurantbesuche oder Urlaube weit mehr ein Risikofaktor als der Arbeitsplatz“, meinte Generalsekretär Kurt Egger.

Wer zur Risikogruppe zählt und daher von der Arbeit freigestellt wird, müsse dann auch auf solche Dinge verzichten. „Das wäre nur konsequent. Hier braucht es klare Regeln“, forderte Egger. Er vermisst auch noch zeitliche Festlegungen, wie lange Risikogruppen von der Arbeit freigestellt werden. „Bei weiterhin gutem Verlauf und Eindämmung des Coronavirus braucht es hier Präzisierungen, wie lange die Freistellung gelten soll.“ Damit könnten dann die Unternehmen besser das Fehlen wichtiger Arbeitskräfte einplanen, argumentierte Egger.

Die Ausnahmeregeln für Personen der Risikogruppe wurden am Mittwoch in den Nationalrat eingebracht und sollen nächste Woche beschlossen werden. Jürgen Holzinger, Obmann des Vereins ChronischKrank, kritisierte den Wirtschaftsbund harsch. „Dieser Eingriff in Grund- und Freiheitsrechte ist nicht hinnehmbar und schließt Menschen mit chronischen Erkrankungen und Behinderung von der Gesellschaft aus. Ein derartiger Eingriff ist unverhältnismäßig und verstößt gegen die verfassungsgesetzlich gewährleisteten Grund- und Freiheitsrechte“, hieß es in einer Aussendung.

„Screening“ mit Datenbank über Personen

Die Reform des Epidemiegesetzes soll außerdem Gesundheitsminister Anschober erlauben, „Screeningprogramme“ – bis Ende 2021 befristet – „zur Feststellung von besonders betroffenen Gebieten oder Einrichtungen“ durchführen zu lassen. Auch bestimmte Bevölkerungsgruppen und Berufsgruppen können untersucht werden. Die Teilnahme setzt aber eine Einwilligung voraus, wie im Gesetzesentwurf festgehalten wird – ist also freiwillig. Die Ergebnisse werden in einer Datenbank gespeichert („Screeningregister“). Auch das ist bis Ende 2021 befristet.

Jedenfalls sollen die Informationen aus dem „Screening“ (Labortests oder Antikörpertests, Anm.) mittels einer Proben-ID bzw. eindeutiger Personenzuordnung im Register erfasst werden. Im Fall eines positiven Untersuchungsergebnisses könnte die Bezirksverwaltungsbehörde auf elektronischem Wege direkt darüber informiert werden. Der Gesundheit Österreich GmbH soll die Forschung mit anonymisierten Daten aus dem Register ermöglicht werden. Zuletzt gab es vermehrt Kritik, dass der Forschung keine Daten übermittelt werden.

Gesammelt werden können: „Daten zur Identifikation der an einem Screeningprogramm teilnehmenden Person (Name, Geschlecht, Geburtsjahr); Kontaktdaten (Wohnsitz, Telefonnummer, E-Mail-Adresse), Daten zur epidemiologischen Auswertung je nach Ziel des Programms (Region des Aufenthalts, Art der Berufsausübung, Ort der Berufsausübung), eine Probematerialkennung, die eine eindeutige Zuordnung ermöglicht, und Testergebnis.“