Leere Schulklasse
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Schule im Schichtbetrieb

Herausfordernde Wochen vor dem Sommer

In den kommenden Wochen sollen alle Schülerinnen und Schüler im Schichtbetrieb wieder in die Klassenzimmer zurückkehren. Der am Freitag präsentierte Stufenplan bringt für die Beteiligten ein Stück weit Klarheit – hält aber zugleich eine ganze Reihe an Herausforderungen bereit. Und noch weitgehend offen bleibt, wie es bei den Kindergärten weitergeht.

Wann soll der Unterricht in den Schulen wieder starten? Diese Frage entwickelte sich in den vergangenen Wochen zunehmend zu einer gesellschaftlichen Wasserscheide. Die einen pochten darauf, die Schulen möglichst schnell wieder für den Unterricht zu öffnen. Die anderen sahen in einer schnellen Rückkehr der Schülerinnen und Schüler ein Wiederaufflackern der Epidemie so gut wie vorprogrammiert.

Seit Freitag steht nun ein Fahrplan fest. Und ÖVP-Bildungsminister Heinz Faßmann wirkte fast schon gelöst, als er diesen vor den Medien skizzierte. Aber nicht nur beim Minister war vor dem Wochenende Erleichterung zu bemerken. Sie schwang auch in vielen der Reaktionen mit. Von einer „Perspektive für Kinder, Eltern und Lehrkräfte“ sprach etwa NEOS, die SPÖ von einem „wichtigen Schritt“, der „mehr als überfällig“ gewesen sei. Faßmanns Statement habe „viel Druck aus der Situation genommen“, hieß es in einer Aussendung des SOS-Kinderdorf.

Schulklasse
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Für die Schülerinnen und Schüler werden die Unterrichtswochen vor dem Sommer deutlich anders ablaufen als gewohnt

Doch ebenso deutlich wurde am Freitag auch, mit welch großen Herausforderungen die Aufnahme des Schulbetriebs einhergehen wird. „Das Zusperren war unzweifelhaft einfacher als das Aufsperren“, sagte dazu der Bildungsminister. Von einer „unheimlichen Herausforderung“ sprach die Wiener Bildungspsychologin Christiane Spiel, die Faßmann mit zur Pressekonferenz gebeten hatte.

Halbierte Schule

Im Hinblick auf die kommenden Wochen lehnten sich damit weder der Bildungsminister noch die Universitätsprofessorin weit aus dem Fenster. Was Schülerinnen und Schüler wie auch das Lehrpersonal bis zu den Sommerferien – und womöglich noch darüber hinaus – erwartet, hat mit der Zeit vor dem Ausbruch der Coronavirus-Pandemie oft nur noch wenig zu tun.

Nur noch die Hälfte der Schülerinnen und Schüler darf im Klassenraum sitzen. Und von diesen „halben“ Klassen darf wiederum nur die Hälfte die Klassenzimmer in den Pausen verlassen – und dann auch nur mit Mundschutz. Dass das für jüngere Kinder eine – womöglich nicht zu überspringende – Hürde darstellen wird, ließ auch Faßmann bereits durchblicken. „Bei den kleineren, jüngeren, kann ich mir das schwerer vorstellen“, so der Minister.

„Hausübungstage“ nicht zwingend zu Hause

Was dabei bereits mitschwingt: Noch eine größere Herausforderung als der Unterricht selbst dürfte wohl die Zeit abseits desselben sein. Im Schichtbetrieb hat die Hälfte der Schülerinnen und Schüler die halbe Woche unterrichtsfrei – oder „Hausübungstage“, wie es der Bildungsminister nennt. Wo diese – nach Faßmanns Wunsch – am besten verbracht werden, machte er am Freitag auch bereits deutlich: zu Hause.

Damit werde „eine Verringerung der Dichte in den Schulen, eine Verringerung der Schulwege, eine Verringerung der Zeiten in den ‚Öffis‘“ erreicht, so Faßmann. Für viele berufstätige Eltern wird das nach Wochen des Heimunterrichts aber nicht mehr möglich sein. Weshalb die Kinder und Jugendlichen auch an den Tagen ohne Unterricht in die Schule kommen können, wie auch Faßmann am Freitag sagte.

Große Frage Betreuung

Auf die Schulen wartet damit eine organisatorische Großaufgabe. Das sah am Freitag nicht nur der oberste Pflichtschulgewerkschafter Paul Kimberger so – wenngleich er es besonders scharf formulierte: „Wie organisieren wir das an jenen Tagen, an denen Schüler keinen Unterricht haben, aber trotzdem Betreuung benötigen? Das ist ein enormer organisatorischer Aufwand“, hieß es von dem ÖVP-nahen Christgewerkschafter gegenüber der APA.

Für Kimberger ist freilich der gesamte Fahrplan in Richtung Wiederöffnung der Schulen zu schnell getaktet. Eine Ansicht, die der Wiener Bildungsstadtrat Jürgen Czernohorszky (SPÖ) sicher nicht teilt. Schließlich zählte die SPÖ zu den Verfechtern einer schnellen Rückkehr zum Unterricht in die Schulen. Eine „riesige Herausforderung für die Schulen“ sah er aber ebenso. „Wenn Eltern arbeiten, brauchen sie tägliche Betreuung für ihre Kinder. Da braucht es volle Unterstützung für die Schulleitungen, die jetzt Unterricht in den Halbklassen und Betreuung für alle in einem Haus unterbringen müssen“, so Czernohorszky – mehr dazu in wien.ORF.at.

Wenig Vertrauen, dass das funktioniert, hat freilich die FPÖ. Faßmann sei bei der Frage, wie die Kinder und Jugendlichen an den „Hausübungstagen“ betreut werden, „sehr vage“ geblieben und habe „zum großen Teil die Betreuungspflicht wieder auf die Eltern abgeschoben“, so die Partei in einer Aussendung. Es handle sich bei den Ankündigungen um „lediglich praxisferne, chaosartige Regelungen“.

Wo, wie, wer?

Rund drei Wochen haben die Schulleitungen nun Zeit, entsprechende Konzepte auszuarbeiten, bevor am 18. Mai die Schülerinnen und Schüler der unteren Jahrgänge in die Schulen zurückkehren. Es gilt herauszufinden, welche Kinder Betreuung in Anspruch nehmen werden – und ob nur am Vormittag oder auch am Nachmittag. Und dann stellt sich die Frage, wo diese Betreuung stattfinden soll. „Große Räume wie der Turnsaal stehen zur Verfügung“, hieß es dazu am Freitag von Faßmann. Doch gerade innerstädtische Schulen haben oft nur ein sehr begrenztes Raumangebot – bisweilen fehlen Turnsäle am Schulstandort überhaupt ganz.

Leerer Turnsaal
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Die Betreuung außerhalb des Unterrichts soll auch in den Turnsälen stattfinden

Und dann müssen die Schulen natürlich auch noch eine Antwort darauf finden, wer die Betreuung übernehmen soll: „Haben wir genug Lehrerinnen“, fragte am Freitag auch Bildungspsychologin Spiel. „Wir brauchen möglicherweise auch eine Zusammenarbeit, die nicht nur an einer Schule ist, sondern mehrere Schulen zusammenfasst, damit das gelingen kann“, so die Universitätsprofessorin.

Sonderfall Kindergärten

Noch einmal verschärft stellen sich solche Fragen im elementarpädagogischen Bereich – also bei den Kindergärten. Zurzeit sind sie in ganz Österreich im Notbetrieb, viele Einrichtungen betreuen gar keine Kinder. Zwar stellte das Gesundheitsministerium in einem Erlass am Freitag noch einmal klar, dass Kindergärten und Kindertagesstätten vorerst bis 15. Mai weiterhin geöffnet bleiben. Die Ausgestaltung liegt aber bei den Bundesländern – denn Kindergärten sind in Österreich Ländersache. Auch daran lag es, dass die Erfahrungen von Eltern in den vergangenen Wochen auseinandergingen.

Leerer Kindergarten
APA/Stefan Knittel
In die meisten Kindergärten kamen in den vergangenen Wochen nur sehr wenige Kinder – viele blieben ganz leer

Mit Beginn der Ausgangsbeschränkungen gab das Gesundheitsministerium einen Erlass heraus, der die Landeshauptleute aufforderte, den Betrieb in Kindertagesstätten einzuschränken. Davon ausgenommen sollten nur Kinder sein, deren „Eltern beruflich unabkömmlich sind“, hieß es. Dazu führte der Erlass noch eine Reihe von Berufen an, die „jedenfalls“ zu „zu diesen Personengruppen“ zählen. Auch Alleinerzieherinnen und Alleinerzieher wurden explizit genannt. Wie streng diese Vorgaben ausgelegt wurden, lag aber eben in der Hand der Länder – und die delegierten die Entscheidung bisweilen noch auf die Ebene der Betreiberinnen und Betreiber der Einrichtungen.

Eingeschränkter zeitlicher Ausblick

Seit Freitag ist der Passus mit der beruflichen Unabkömmlichkeit Geschichte. Im neuen Erlass des Gesundheitsministeriums heißt es nun, dass „alle Betreuungsangebote für alle Kinder sichergestellt und angeboten werden“ – und zwar „unabhängig von der Art der beruflichen Tätigkeit der Eltern bzw. der Erziehungsberechtigten oder davon, ob die Arbeit im Homeoffice verrichtet werden kann oder ob eine Betreuung zu Hause möglich ist oder nicht“.

Gleichzeitig findet sich im Erlass aber weiterhin das Ziel, „trotz Öffnung die Kinderdichte im Kindergarten sowie die Anzahl der Sozialkontakte allgemein zu reduzieren“. Es sei daher „unterstützend, wenn Kinder zu Hause betreut werden“. Zudem gilt weiterhin, dass die Betreuung durch Großeltern vermieden werden sollte. Und während für die Schulen der zeitliche Rahmen nun einmal abgesteckt ist, reicht bei den Kindergärten der Blick vorerst nur bis zum 15. Mai. So lange ist der nun veröffentlichte Erlass des Ministeriums gültig.