Werner Kogler mit dem Regierungsprogramm
ORF.at/Christian Öser
Regierungsprogramm

Debatte für Experten unausweichlich

Angesichts der Coronavirus-Pandemie haben sich auch in der Politik alle Parameter geändert. Erste Rufe nach Änderungen im Regierungsprogramm wurden bereits laut. Nun äußerten sich auch Experten darüber. Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) sah dazu aber in der ZIB2 keinen Anlass.

Vorarlbergs Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) hatte Änderungen angeregt – sowohl in seinem Bundesland als auch auf Bundesebene. „Natürlich werden ökologische Fragen weiterhin dazugehören, aber es wird Verschiebungen geben“, so Wallner dazu. Kogler wollte dem am Freitagabend in der ZIB2 nicht beipflichten.

Neuwahlen werde es für die „Zeit der Krise, die noch länger gehen wird“, nicht geben. Ohnehin hätten beide Koalitionspartner vor, die ganze Legislaturperiode durchzuarbeiten. Man habe schon darüber diskutiert, Programme auf zehn Jahre anzulegen. Er hätte außerdem nicht den Eindruck gehabt, dass Wallner sich an die Bundesregierung gerichtet habe, so Kogler.

Vor oder hinter den Kulissen

Die Diskussion darüber, ob das Regierungsprogramm von ÖVP und Grünen in der vorgelegten Form halten wird bzw. in welchen Bereichen es zu Änderungen kommen könnte, ist für die Politikexperten Peter Filzmaier und Thomas Hofer hingegen unausweichlich. Nach den finanziellen Belastungen durch die Coronavirus-Krise sei dieser Diskurs „nur logisch“, sagte Politikwissenschaftler Filzmaier im Gespräch mit der APA.

„Es sind jetzt schon einige Punkte Geschichte“, so Hofer, etwa das Nulldefizit. Alle im Koalitionspakt vereinbarten Eckpunkte durchzuziehen und extreme Schulden zu machen, hält Hofer nicht für realistisch. Ebenso unrealistisch ist es für Filzmaier, dass das Regierungsprogramm komplett neu verhandelt werden wird. „Da würde man die Büchse der Pandora öffnen“, sagte er. Interessant sei nur, ob die Regierung neue Kompromisse hinter verschlossenen Türen beraten wird oder wie Wallner auf medialer Bühne. Aber „es ist nun einmal objektiv weniger Geld da“, so Filzmaier, ein Ringen um die Verteilung werde daher nicht ausbleiben.

Kompromisse oder Grundsatzdebatten

Als möglichen Ausweg sah er, wenn sowohl die ÖVP als auch die Grünen ein bis zwei Leuchtturmprojekte aus dem Regierungsprogramm behalten könnten. Seiner Ansicht laufe die Diskussion auf die Frage hinaus, ob sich die Regierung auf Kompromisse in Sachfragen verständigen könne oder ob es zu einer ideologischen Grundsatzdebatte komme, wie es etwa bei Vermögenssteuern der Fall sein könnte.

Vizekanzler Kogler zu Problemzonen der Krisenpolitik

Braucht die Koalition wegen der Epidemie ein neues Regierungsprogramm – und könnte sie daran sogar scheitern? Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) antwortet im ZIB2-Interview.

Hofer sagte, die Grünen würden weiterhin auf eine Ökologisierung pochen und Teile der geplanten Steuerreform beibehalten werden. In Sachen Vermögenssteuern sah er es nicht als ausgeschlossen an, dass Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) darauf eingehen könnte, vielleicht anders benannt, als „Solidarabgabe“ vielleicht. Ganz anders sah das Politikwissenschaftler Filzmaier: Er glaube nicht an neue Steuern mit der ÖVP. An baldige Neuwahlen glauben beide Experten nicht, auch wenn sie die guten Umfrageergebnisse der Volkspartei unabhängig voneinander als „verlockend“ für einige ÖVP-Strategen bezeichneten.

Eine Wahl würde „nicht am kommenden Sonntag, sondern frühestens im Herbst“ stattfinden – und ob man den Krisenbonus bis dahin mitnehmen könne, sei fraglich. Die Krise sei unsicher: „Was ist, wenn eine zweite, dritte Welle kommt?“, so Filzmaier. Bis zum Herbst werde sich wenig tun, erst danach werde es wieder Strategiespiele geben, sagte er.