Rendering des Coronavirus
Reuters/NEXU Science Communication
CoV-Neuansteckungen

Situation derzeit „unter Kontrolle“

Österreich ist auf einem guten Weg, was die Coronavirus-Neuinfektionen betrifft. Die Zahlen „deuten darauf hin, dass wir zum jetzigen Zeitpunkt noch alles unter Kontrolle haben“, so die Virologin Monika Redlberger-Fritz. Positiv ist für die Expertin, dass CoV-Infektionen in Spitälern weitgehend unterbunden werden konnten. In Pflegeheimen dagegen konnte sich das Virus trotz strenger Maßnahmen ausbreiten, zeigt eine Analyse.

Bereits am 18. April sank die Zahl der täglichen Neuansteckungen mit dem Coronavirus erstmals auf unter 100. Der Wert pro Tag verzeichneten CoV-Infektionen ist seither weiter gesunken. Wegen der Inkubationszeit des Virus spiegeln die Zahlen die Lage vor jeweils zwei Wochen wider. Mit den gesetzten Maßnahmen habe man die „Viruszirkulation“ deutlich hinunterdrücken können, sodass sie vor 14 Tagen auf „wirklich geringem Niveau war“, sagte Redlberger-Fritz von der MedUni Wien im Gespräch mit dem Ö1-Mittagsjournal.

Nun gilt es laut der Wissenschaftlerin im Blick zu behalten, wie sich das geplante Hochfahren des öffentlichen Lebens und der Wirtschaft auf das Infektionsgeschehen auswirkt. „Wenn man jetzt wieder alles schrittweise öffnet, muss man die Infektionszahlen ganz genau beobachten und kontrollieren, ob die Erkrankungszahlen wieder steigen“, so Redlberger-Fritz. Sollte die Entwicklung wieder an Dynamik gewinnen, müsse man gegensteuern – Audio dazu in oe1.ORF.at.

Gesundheitsminister Rudolf Anschober (L/Grüne) und die Leiterin des nationalen Referenzlabors Monika Redlberger-Fritz
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Virologin Redlberger-Fritz, Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne): Die Maßnahmen der Regierung konnten die Viruszirkulation in Österreich deutlich senken

Bevölkerung hielt Maßnahmen ein

Manchen Fachleuten kommt die schrittweise Öffnung zu früh. Man hätte noch zehn Tage zuwarten sollen, hieß es. Aus Sicht von Redlberger-Fritz hätte das aber keinen zusätzlichen Nutzen gebracht. Der Großteil der österreichischen Bevölkerung habe sich „sehr, sehr gut“ an die Maßnahmen gehalten, nur ein „verschwindend kleiner Teil“ nicht. „Die Viruszirkulation hat in diesem verschwindend geringen Teil weitergehen können und dementsprechend hätten sich bei einer längeren Verzögerung der Maßnahmen auch nicht mehr Menschen daran gehalten“, sagte die Virologin.

Die Frage, wo man sich aktuell in Österreich noch mit dem Coronavirus anstecken könnte, lasse sich nicht 100-prozentig beantworten. Hierzulande habe man es aber geschafft, die Virusverbreitung in den Krankenhäusern weitgehend zu unterbinden. Anders sei die Lage in Italien oder Spanien gewesen, wo zahlreiche Infektionsketten in den Spitälern ihren Ausgang genommen hätten.

Ansteckungen im Pflegeheim

Analysen der Österreichischen Agentur für Ernährungssicherheit (AGES) scheinen den positiven Befund der Virologin zu bestätigen. AGES-Fachleute konnten bisher über 2.800 CoV-Fälle in Österreich in 144 Cluster ordnen. Ein Cluster besteht aus mindestens zwei zusammenhängenden Fällen. In den Spitälern konnten bisher zehn Cluster ausfindig gemacht werden, berichtete die ZIB1 am Sonntag. 93 Personen hätten sich dort – soweit bekannt – angesteckt, vielfach seien es Ärzte oder andere Krankenhausmitarbeiter gewesen.

Lockerungen in Pflegeheimen

Auch im Pflegebereich, wo trotz Besuchsbeschränkungen noch immer neue Heime mit CoV-Infektionen gemeldet worden sind, hat es zuletzt einen Rückgang an Erkrankungen gegeben. Daher wird es auch hier Lockerungen geben – ein schmaler Grat zwischen dem Wunsch nach sozialem Kontakt und dem Risiko neuer Ansteckungen.

Zum Vergleich: Dem Bereich „Freizeit“ – darunter fallen Aktivitäten wie Apres Ski oder Chorproben – ließen sich 23 Clustern fast 1.500 Infektionen zuordnen. Ein anderes Bild als in Spitälern zeigt sich auch in den Alters- und Pflegeheimen. Für ältere Menschen, vor allem jene mit Vorerkrankungen, stellt das Coronavirus eine potenziell tödliche Gefahr dar. Anfang April kamen laut ZIB außer in Pflegeheimen österreichweit kaum noch neue Cluster hinzu. Von den österreichweit 144 ermittelten Clustern sind 50 in Pflegeheimen.

In den vergangenen Wochen galt landesweit in den Pflegeheimen ein strenges Besuchsverbot. Die meisten Bundesländer wollen es in der kommenden Woche behutsam lockern, um ein erneutes Hochschnellen der CoV-Fälle in diesem sensiblen Bereich zu vermeiden.

Warnung vor zweiter Welle

Unterdessen warnen Fachleute vor einer zweiten Welle. Man sehe bereits jetzt einen dezenten Hinweis der Wiedererhöhung von Neuinfektionen, die womöglich mit weniger Disziplin in den Osterfeiertagen zusammenhängen könnten, sagte der deutsche Virologe Christian Drosten im ZIB2-Interview. Die aktuellen Lockerungen, die derzeit in vielen Ländern stattfinden, dürften auch aufgrund von Unsicherheiten und nicht intendierten Effekten entsprechende Folgen nach sich ziehen, und man müsse damit rechnen, dass die Infektionen wieder auf ein „nicht mehr erträgliches Maß“ steigen.

Im Sommer könnte zudem ein Saisonalitätseffekt zum Tragen kommen, wobei es bei einer Kombination aus Sonneneinstrahlung, Trockenheit und viel Zeit im Freien zu weniger Infektionen kommen könnte. Dann gebe es aber weniger Bevölkerungsimmunität, und in Kombination mit den Lockerungen laufe man mit einer „immunologischen naiven“ Bevölkerung in den Winter: „Dann könnte wieder der ‚Lock-down‘ drohen“, so Drosten.

Langfassung: Virologe Drosten im ZIB2-Interview

Christian Drosten von der Berliner Charite ist der führende SARS-CoV-2-Forscher in Europa. In der ZIB2 erläutert Drosten, was in den vergangenen Monaten über das Coronavirus gelernt wurde.

Der Internist und Krebsspezialist Richard Greil, Leiter des medizinischen Krisenstabs am Salzburger Universitätsklinikum, rechnet damit, dass die politische Reaktion auf eine zweite Welle aufgrund „politischer und gesetzlicher Entwicklungen“ schwächer ausfallen wird als die aktuellen Maßnahmen: „Wenn das der Fall ist, dann heißt das, dass wir mehr Patienten sehen werden“, so Greil. Die Entwicklung der Pandemie in den nächsten Wochen und Monaten werde nun vor allem davon abhängen, wie sehr die Bevölkerung Hygiene- und Vorsorgemaßnahmen beherzigt – mehr dazu in salzburg.ORF.at.