Zwei Polizisten auf dem leeren Roten Platz in Moskau (Russland)
AP/Alexander Zemlianichenko

Russland mit mehr Infektionen als China

Russland hat China bei den bestätigten Coronavirus-Infektionen überholt. Bei mehr als 87.000 Menschen sei das Virus nachgewiesen worden, teilten die Behörden am Montag in Moskau mit. In China, dem Ursprungsland der Pandemie, sind laut der Johns-Hopkins-Universität aktuell rund 84.000 Infektionen offiziell erfasst.

Allerdings wird in beiden Staaten von einer hohen Dunkelziffer ausgegangen. Zudem hatte China mehrfach die Zählweisen geändert und Infektions- und Todeszahlen nach oben korrigiert. Das Land meldet aktuell nur noch eine geringe Zahl an Neuinfektionen, in Russland hingegen ist die Zahl der bestätigten Fälle in den vergangenen Wochen rasch gestiegen. Allein am Montag wurden 6.200 Neuinfektionen verzeichnet.

Bisher sind laut den offiziellen Angaben landesweit lediglich rund 800 an Covid-19 erkrankte Menschen gestorben. Die offiziellen Zahlen für China liegen bei mehr als 4.500. Kreml-Sprecher Dmitri Peskow betonte, dass in Russland wahrscheinlich Mitte Mai ein Plateau bei den Infektionszahlen erreicht werde. „Im Sommer wird es wahrscheinlich schon etwas leichter“, sagte er der Zeitung „Argumenty i Fakty“.

Stadtangestellte desinfizieren die Bahnstation in Moskau
AP/Moscow News Agency
Desinfektionsmaßnahmen in einem Moskauer Bahnhof

Mehrzahl der Fälle in Moskau

Die meisten davon gibt es in der Millionenmetropole Moskau, in der seit fast einem Monat strenge Ausgangsbeschränkungen herrschen. Der Großteil der Betriebe ist geschlossen. Zur Eindämmung schickte Kreml-Chef Wladimir Putin die Bürger einen Monat lang bei laufender Lohnfortzahlung in Urlaub. Allerdings arbeiten zahlreiche Betriebe zum Überleben weiter, weswegen es Zwangsschließungen gab.

Wer zur Arbeit oder zum Arzt muss, braucht einen Passagierschein. Spaziergänge und Sport im Freien sind verboten, erlaubt sind nur Einkäufe, Gassigehen und der Gang zum Müllcontainer. Die Moskauer Krankenhäuser waren zuletzt unter starke Belastung geraten, vergangene Woche wurde ein improvisiertes Notspital eröffnet.

Russland hatte bereits am 30. Jänner die 4.250 Kilometer lange Grenze zu China geschlossen und Einreisesperren für chinesische Staatsbürger verhängt, wenig später wurden auch der Luftverkehr und Zugsverkehr weitgehend eingestellt. Die ersten bekannten Fälle wurden in Sibirien isoliert. Anfang März wurde trotz dieser Vorsichtsmaßnahmen die erste Erkrankung in Moskau verzeichnet: Ein junger Russe habe sich im Italien-Urlaub angesteckt, hieß es.

China kämpft mit Infektionsfällen aus Russland

Als die Epidemie in China langsam eingedämmt wurde, kehrten sich die Vorzeichen dann um. Seit Ende März meldete China nur noch wenige inländische Infektionen, dafür zunehmend importierte Fälle. Bei einem großen Teil soll es sich um Menschen handeln, die über die russische Grenze eingereist sein sollen. Diese sei aufgrund ihrer Länge nur schwer zu überwachen, es gebe außerdem zahlreiche Pässe in den Bergen, Pfade und schmale Straßen. Die chinesischen Städte an der Grenze zu Russland verschärften in der Folge ihre Kontrollen und verhängten striktere Quarantänebestimmungen.

Medizinisches Personal beim anziehen von Schutzkleidung in Moskau
AP/Pavel Golovkin
Auch das Spitalswesen in Russland strauchelt

Nur langsam Normalität

Nach wie vor ist die Angst vor einer zweiten Welle in China groß, das öffentliche Leben läuft auch in der Volksrepublik langsam an. Erst am Sonntag präsentierte Peking ein neues Paket an Verhaltensregeln, das die Verbreitung des Virus eindämmen soll. Auch an den Schulen kehrt nur langsam Normalität ein: Am Montag startete in Peking für mehrere zehntausend Schülerinnen und Schüler der Abschlussklassen der Unterricht. In anderen Städten und Provinzen ließ die Wiederaufnahme des Unterrichts noch auf sich warten.

Die Behörden der Stadt Wuhan, Ausgangspunkt der Epidemie, vermeldete unterdessen, dass alle Coronavirus-Patienten aus dem Krankenhaus entlassen wurden. Aus der Stadt waren insgesamt 46.452 Fälle gemeldet worden, was 56 Prozent aller Fälle in ganz China entsprach. 3.869 Menschen starben nach offiziellen Angaben in Wuhan, das sind 84 Prozent aller Todesfälle in China. Allerdings existieren erhebliche Zweifel an den chinesischen Zahlen, die mehrfach revidiert wurden.

Streit zwischen Peking und Australien

Auch in anderen Beziehungen muss sich China zunehmende Kritik gefallen lassen. Diplomatische Verstimmungen gab es zuletzt nicht nur zwischen den USA und China, sondern auch zwischen China und Australien. Das Land hatte gefordert, die Rolle Chinas beim Ausbruch der CoV-Pandemie zu untersuchen. Der chinesische Botschafter in Canberra drohte daraufhin mit einem Boykott australischer Waren durch chinesische Verbraucher.

Eine solche Untersuchung könne „gefährliche“ Folgen für die australische Tourismusindustrie und Landwirtschaft haben, sagte der Botschafter Cheng Jingye in einem am Sonntag veröffentlichten Interview mit der Zeitung „Financial Review“. Die Äußerungen des Botschafters dürften die angespannten Beziehungen zwischen China und Australien zusätzlich verschärfen. Australiens Regierung hatte sich kürzlich der Forderung der USA angeschlossen, dass internationale Inspektoren die Sicherheitsbedingungen in chinesischen Laboren überprüfen sollten.

Cheng warf Australien vor, chinafeindliche Äußerungen der US-Regierung zu übernehmen. „Einige Leute versuchen, China für ihre eigenen Probleme verantwortlich zu machen und die Öffentlichkeit abzulenken“, kritisierte der Diplomat in einer kaum verhohlenen Anspielung auf US-Präsident Donald Trump.