Deutscher Polizist während einer Kontrolle an der deutsch-dänischen Grenze
APA/AFP/Claus Fisker
Österreichs Tourismus bangt

Deutschland verlängert Reisewarnung

Die deutsche Bundesregierung hat die weltweite Reisewarnung für Touristen wegen der Coronavirus-Pandemie bis mindestens 14. Juni verlängert. Ein entsprechender Vorschlag des Auswärtigen Amts wurde am Mittwoch vom Bundeskabinett angenommen. Einer Umfrage zufolge ist die Hälfte der Deutschen für Grenzsperren auch im Sommer – für den österreichischen Tourismus wäre das ein Desaster.

Der Tourismusbeauftragte der deutschen Bundesregierung, Thomas Bareiß, hatte zuvor gegenüber dem Radiosender Bayern 2 gesagt, dass man zwar hoffe, die Reisebeschränkungen Schritt für Schritt zurücknehmen zu können – „wenigstens in Europa“. „Aber das Ganze geht wirklich nur langsam voran, und ich glaube, dass dieses Jahr wirklich Heimaturlaub angesagt ist“, sagte Bareiß.

Mit der nunmehrigen Verlängerung sind die Pfingstferien in einzelnen Bundesländern, aber noch nicht die Schulferien im Sommer betroffen. Diese beginnen erst am 22. Juni. Den Anfang macht dieses Jahr Mecklenburg-Vorpommern.

Weitere Verlängerung in EU-Kooperation

In der Kabinettsvorlage aus dem Auswärtigen Amt heißt es, es werde vor dem 14. Juni überprüft, „wie dann weiter zu verfahren“ sei. „Die Entscheidung über eine Verlängerung der Reisewarnung muss im Zusammenhang gesehen werden mit den EU-Einreisebeschränkungen an den Außengrenzen, Quarantänebestimmungen in Deutschland bei Rückreise sowie den EU-Binnengrenzkontrollen.“ Diese Maßnahmen sollten in ihrer Gültigkeitsdauer aufeinander abgestimmt werden. Das Auswärtige Amt sei dazu mit den europäischen Partnern im Gespräch. Über die Verlängerung der Warnung hatte zunächst der „Spiegel“ berichtet.

Reisen auf mehreren Ebenen kompliziert

Die Reisewarnung wird damit begründet, dass in den nächsten Wochen keine normalen Reisen ins Ausland möglich seien. So müsse weiterhin mit drastischen Einschränkungen im internationalen Luftverkehr und weltweiten Einreisesperren oder Quarantäneregeln gerechnet werden. Mit der Reisewarnung wolle man zudem die weitere Ausbreitung des Virus minimieren und vermeiden, dass deutsche Urlauber erneut massenhaft im Ausland stranden.

Der deutsche Außenminister Heiko Maas (SPD) hat mehrfach deutlich gemacht, dass sich bisher keine Änderung der Situation abzeichnet: „Eine normale Urlaubssaison mit vollen Strandbars und vollen Berghütten wird es diesen Sommer nicht geben können.“ Auch im Inland sind derzeit keine Urlaubsreisen möglich, die Hotels sind geschlossen.

Auch Grenzkontrollen sollen verlängert werden

Mit hoher Wahrscheinlichkeit verlängert werden laut deutschem Innenministerium auch die derzeit durchgeführten Kontrollen an deutschen Grenzen zu Österreich, Frankreich, Luxemburg, Dänemark und der Schweiz. Sie wurden Mitte März eingeführt und würden am Montag auslaufen. Menschen, die weder Deutsche noch dauerhaft dort ansässig sind, dürfen wegen der Pandemie seit Mitte März nur noch aus einem „triftigen Reisegrund“ nach Deutschland kommen. Einreisen dürfen etwa EU-Bürger, die durch Deutschland in ihr Heimatland reisen, und Lastwagenfahrer.

Bis zum 15. Mai sind auch Einreisen aus Drittstaaten in die EU grundsätzlich nur noch in ausgewählten Fällen zulässig. Seit dem 10. April müssen sich zudem fast alle Rückkehrer in Deutschland nach einem mehrtägigen Auslandsaufenthalt für zwei Wochen in häusliche Quarantäne begeben.

Köstinger: Einschränkungen noch längere Zeit

„Österreich hat – wie auch Deutschland – immer darauf hingewiesen, dass es noch längere Zeit Einschränkungen bei der Reisefreiheit geben wird“, sagte Ministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) am Mittwoch. Auch Österreich habe noch Reisewarnungen für zahlreiche Staaten aufrecht.

„Unser Ziel ist es, das Coronavirus zu bekämpfen und die Infektionszahlen niedrig zu halten“, betonte Köstinger. Das sei der Weg, der zur Wiedererlangung von Freiheiten führe. „Österreich ist hier sehr gut unterwegs, deshalb sind Gespräche mit unseren Nachbarländern über die Öffnung von Grenzen sinnvoll.“

Allerdings braucht es dabei noch viel Geduld: „Bei unseren Überlegungen zu Erleichterungen bei der Reisefreiheit geht es nicht um die nächsten Wochen, sondern um Zukunftskonzepte beginnend mit dem Sommer, vor allem mit Nachbarstaaten, die im Kampf gegen das Coronavirus ähnlich erfolgreich sind wie Österreich“, so die Tourismusministerin weiter.

Niedrige Infektionszahlen seien Voraussetzung für alle diesbezüglichen Überlegungen. „Dazu sind wir in ständiger Abstimmung mit unseren Partnerländern, aber auch der EU-Kommission“, erklärte Köstinger.

Bilaterale Vereinbarungen im Gespräch

Zuvor hatte Köstinger eine bilaterale Vereinbarung mit Deutschland über eine Grenzöffnung für Sommerurlauber ins Spiel gebracht. Auch Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) deutete an, die Reisefreiheit mit Nachbarländern wie Deutschland und Tschechien wieder ermöglichen zu wollen. Die stark von deutschen Urlaubern abhängige Tourismusindustrie drängt darauf, dass es in dieser Frage Planungssicherheit gibt.

Neben den Inlandstouristen sind – im Sommer wie im Winter – die Deutschen die wichtigste Gästegruppe in Österreich. Auf deutsche Urlauber entfielen im Sommer 2019 rund 7,9 Millionen Ankünfte und 29,5 Millionen Nächtigungen. Zum Vergleich: Inländische Gäste waren für 23,3 Millionen Übernachtungen in Hotels, Pensionen und Ferienwohnungen verantwortlich.

Die Abhängigkeit vom deutschen Markt ist in den vergangenen drei Jahrzehnten deutlich gesunken, auch wenn nach wie vor mit Abstand die meisten ausländischen Gäste aus Deutschland stammen. Der Übernachtungsanteil deutscher Gäste lag 1991 noch bei 50,7 Prozent, im vergangenen Sommer hingegen nur noch bei 37,4 Prozent, wie aus Zahlen der Statistik Austria hervorgeht.

Deutsche gegen Grenzöffnung für Sommerurlaub

Fast jeder zweite Deutsche lehnt eine Öffnung der Grenzen für den Sommerurlaub im europäischen Ausland aber ohnehin ab. Nach einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov im Auftrag der dpa sind 48 Prozent dafür, die wegen der Coronavirus-Pandemie erlassene Ausreisesperre für Touristen und Touristinnen auch im Sommer aufrechtzuerhalten. 20 Prozent sind für eine Öffnung der Grenzen zu einzelnen Ländern. Nur 13 Prozent plädieren dafür, schon im Sommer den Reiseverkehr innerhalb der Europäischen Union wieder vollständig zu erlauben.

Seit Mitte März gilt in Deutschland vorerst bis zum 3. Mai eine weltweite Reisewarnung für Touristen. Die Grenzen zu den Nachbarländern dürfen abgesehen vom Warenverkehr nur noch von Berufspendlern und Menschen mit einem anderen dringenden Grund passiert werden. Touristische Auslandsreisen sind untersagt. Bisher gab es solche Warnungen nur bei einer Gefahr für Leib und Leben, vor allem für Kriegsgebiete wie Afghanistan und Syrien. Eine Reisewarnung ermöglicht eine kostenlose Stornierung von bereits gebuchten Reisen.

TUI rechnet mit Öffnung in Etappen

Der deutsche Reisekonzern TUI rechnet damit, dass die Wiederaufnahme des Tourismus in der Coronavirus-Krise in Etappen erfolgen wird. „Eine Öffnung wird vermutlich schrittweise und regional erfolgen – so werden die Balearen und Kanaren zum Beispiel früher Gäste empfangen können als die Urlaubsregionen auf dem spanischen Festland“, schrieb TUI-Chef Fritz Joussen am Dienstag in einem Brief an die Mitarbeiter, der der dpa vorliegt.

Der Schwerpunkt der Saison werde sich voraussichtlich nach hinten verschieben, heißt es darin. Industrie und Politik sollten aber nun „alles tun, um Reisen so weit wie möglich wieder zu ermöglichen“. So hätten Griechenland, Zypern, Bulgarien und Portugal das Gespräch mit TUI gesucht und bereiteten sich „sehr intensiv auf die Rückkehr der Touristen“ vor. Voraussetzung dafür sei eine schrittweise Anpassung von Flug- und Reisebeschränkungen. „Man darf nicht vergessen, mit den Flugbeschränkungen wird uns die volle Geschäftsgrundlage entzogen, und die Länder Südeuropas werden massiv geschwächt“, schrieb Joussen.

TUI hat seine weltweiten Reiseaktivitäten bis einschließlich 15. Mai auf Eis gelegt und zur Überbrückung der Krise einen Staatskredit über 1,8 Milliarden Euro erhalten.