Blick auf durch das Eingangstor des Pio Albergo Trivulzio Altersheims
AP/Luca Bruno
„Gravierende Unregelmäßigkeiten“

Italien startet Kontrollen in Altersheimen

Die italienischen Carabinieri haben am Mittwoch großangelegte Kontrollen in mehreren Seniorenheimen in ganz Italien gestartet. Mehrere Heime wurden gründlich kontrolliert, dabei wurden „gravierende Unregelmäßigkeiten“ in Sachen Vorsichtsmaßnahmen gegen das Coronavirus festgestellt, teilten die Carabinieri mit.

Über 7.000 Bewohner italienischer Altersheime sind seit dem 1. Februar verstorben. Die Todesfälle entsprechen rund neun Prozent aller Senioren, die in italienischen Altersheimen leben – rund 80.000 Menschen. Die Gesundheitsbehörden beklagten den Mangel an Schutzmaterial in den Einrichtungen zu Beginn der Epidemie, zudem seien zu wenige Abstriche durchgeführt worden.

Mehr als 40 infizierte Personen – Senioren und Pflegepersonal – wurden alleine in einem Heim in der mittelitalienischen Region Abruzzen gemeldet. Auch in Kärntens Nachbarregion Friaul-Julisch Venetien wächst die Sorge wegen der zunehmenden Zahl von Coronavirus-Infizierten in Altersheimen. Kritische Situationen wurden vor allem aus Altersheimen in Triest gemeldet, berichtete der friulanische Gesundheitsbeauftragte Riccardo Riccardi.

Triest schickt infizierte Senioren auf Fähre

Die dortigen Behörden beschlossen deshalb auch, infizierte Seniorinnen und Senioren auf ein Quarantäneschiff vor Triest zu verlegen. Damit soll die Verbreitung des Virus in den Heimen verhindert werden. Laut den Plänen des Notfallkomitees sollen in einer ersten Phase 50 Patientinnen und Patienten auf dem Schiff untergebracht werden. Das Fährschiff „GNV Azzurra“ solle am Mittwoch in Triest eintreffen, sagte Präfekt Valerio Valenti am Dienstag. Zu diesem Zeitpunkt lag die „GNV Azzurra“ noch vor der süditalienischen Stadt Bari vor Anker. Die von der italienischen Reederei Grandi Navi Veloci (GNV) betriebene Fähre hat insgesamt 517 Kabinen und bietet im Normalbetrieb bis zu 2.180 Passagieren Platz.

Die Entscheidung traf nicht nur auf Zustimmung. Die Oppositionsparteien im friaulischen Regionalparlament verwiesen darauf, dass die Kranken auch in Hotels untergebracht werden könnten. Man wolle die Kriterien und Kosten hinter der geplanten Verlegung wissen, hieß es auch in einer Anfrage der Forza-Italia-Senatorin Laura Stabile.

Die GNV Azzurra am Hafen von Split, 2019
Die „GNV Azzurra“ – hier auf einem Bild im Hafen von Split – soll am Mittwoch in Triest eintreffen

Die Zahl der infizierten Seniorinnen und Senioren in Friaul-Julisch Venetien liegt nach den offiziellen Zahlen derzeit bei 150. Insgesamt wurden in der Region laut dem italienischen Zivilschutz bisher 2.977 Menschen positiv auf das Virus getestet. Seit Beginn der Epidemie in Italien im Februar starben in Friaul-Julisch Venetien 271 Menschen an den Folgen einer Covid-19-Erkrankung.

Bereits Mitte April als Quarantäneschiff angedacht

Die „Azzura“ war bereits vor zwei Wochen als Quarantäneschiff im Gespräch. Damals sollte die Fähre aber geflüchtete Menschen sowie die Crew des deutschen Rettungsschiffs „Alan Kurdi“ aufnehmen. Am Ende fiel die Wahl aber auf die nur rund halb so große „Raffaele Rubattino“ der italienischen Reederei Tirrenia. Italienische Medien hatten zuvor über Bedenken bezüglich der Kosten berichtet, die mit der Unterbringung auf einem großen Fährschiff einhergingen. Die „Raffaele Rubattino“ liegt inzwischen mit rund 180 Menschen an Bord vor Palermo.

Außerdem ließ die Reederei GNV ihr Fährschiff „Splendid“ bereits im März in ein Krankenhausschiff umfunktionieren. Es liegt seit über 45 Tagen in Genua vor Anker. Auf dem Schiff werden an Covid-19 erkrankte Menschen betreut, die zwar bereits aus dem Krankenhaus entlassen wurden, aber noch Hilfe benötigen.

Pflegeheime als Brennpunkt

Die Frage, wie sich vor allem in Alters- und Pflegeheimen Ansteckungen möglichst verhindern lassen, beschäftigt Italien bereits seit Wochen. Unter anderem ermittelt inzwischen die Staatsanwaltschaft in Mailand, nachdem bekanntwurde, dass sich in mehreren Einrichtungen die Krankheit unkontrolliert ausbreiten konnte. Doch Versäumnisse in den Heimen sind nicht allein auf Italien beschränkt.

In zahlreichen Ländern erwies sich der Schutz der Bewohnerinnen und Bewohner solcher Einrichtungen als eine Aufgabe, an der die Verantwortlichen auch scheiterten. In Spanien ermitteln ebenfalls bereits die Behörden, nachdem bereits Ende März Angehörige des Militärs bei Desinfektionsmaßnahmen tote Senioren in mehreren Heimen entdeckt hatten. In Frankreich und Belgien soll ein großer Teil der Covid-19-Toten in Pflegeheimen verstorben sein. Auch die schwedischen Behörden gestanden bereits ein, ihre Pflegeeinrichtungen ungenügend geschützt zu haben.

Auch aus Großbritannien wurden zuletzt Tausende Todesfälle in Pflegeheimen bekannt. Allein in England und Wales starben 4.343 Heimbewohner in zwei Wochen (10. bis 24. April), wie die nationale Statistikbehörde ONS am Dienstag mitteilte. Die Betreiber der Einrichtungen fürchten, dass der Höhepunkt der Pandemie in ihren Häusern noch nicht erreicht ist. In den Heimen nehme die Zahl der Toten deutlich zu, warnten sie.

Österreich lockert Besuchsverbot

In Österreich waren die Heime bisher weniger stark betroffen. Ab 4. Mai sollen nun auch die strengen Besuchsbeschränkungen gelockert werden. Allerdings ermittelt auch in der Steiermark die Staatsanwaltschaft nach Todes- und Krankheitsfällen in einem Pflegeheim wegen grob fahrlässiger Tötung und vorsätzlicher Gefährdung.

Mitte April kündigte die Bundesregierung an, alle Menschen in Alters- und Pflegeheimen zu testen. Niederösterreich kritisierte erst am Dienstag, dass bisher nichts weiter passiert sei – mehr dazu in noe.ORF.at.