Cover von Dua Lipa’s „Future Nostalgia“
AP/Warner Records
Wie damals

Popstars im Millennium-Hype

Irgendwie war es klar: Nach den 80ern und 90ern kommen jetzt auch die Jahre rund um die Jahrtausendwende zurück. Erster Indikator sind Videos von Popstars, die an Britney Spears und die Spice Girls erinnern, Lollipop-Glitzerlook und Gagafuturismus inklusive.

Je älter Popmusik wird, desto mehr verdichtet sie sich. Die Revival-Schleifen der wiederkehrenden Trends werden kürzer. Das führt dazu, dass es nicht nur unlängst das 80er-Jahre-Comeback gab, sondern jetzt auch noch das Comeback des 80er-Jahre-Comebacks der Millenniumsjahre. Eigentlich gibt es also momentan ein Comeback mit Versatzstücken der 80er und der Jahre rund um 2000.

Die „New York Times“ hat dem Phänomen einen ausladenden Artikel gewidmet und illustriert es mit einem Song von Dua Lipa. Und tatsächlich findet die Handlung ihres Videos in jenem orts- und zeitlosen Raum statt, der während der Millenniumsjahre ausgestaltet wurde. Eine hohe Farbsättigung, gerne mit Rosa- und Lilatönen, kennzeichnet die Szenerie, dazu eine Science-Fiction-Stadt mit Riesenhochhäusern, knappe Shorts.

Der Sound der Kindheit

Ein Zugeständnis macht Dua Lipa aber an aktuelle Musikvideos: das ausdruckslose, zu Tode gelangweilte Gesicht. Hätte man das so im Jahr 2000 gezeigt, der Verdacht einer Fazialislähmung wäre aufgekommen. Damals wurden noch Augen gerollt, es wurde gelächelt, Augenbrauen gingen hoch und runter. Dazu ist man heute zu cool, das geht gar nicht mehr.

Die „New York Times“ bietet für die Wiederkehr der Millennium-Jahre eine entwicklungspsychologische Erklärung an: Jetzt kommen die Babys der 90er Jahre in ihre Popstarjahre. Unbewusst werden sie von dem beeinflusst, was die Eltern und älteren Geschwister während ihrer Kindheit gehört und gesehen haben: MTV, Viva – und dort vor allem Verspieltes von mädchenhaften jungen Frauen, bubenhaften jungen Männern, Boy-Groups und Girl-Bands – und ein gut gelaunter „Consumerism“, der einen Gegenpol zu Grunge, frickeliger Elektronik und Trip-Hop darstellte.

Jetzt kommt „Der Scheibenwischer“

Das wichtigste Merkmal jedoch sind die Tanzmoves, und da sieht man 1:1 die 80er in ihrer wiedergekäuten Version der Millennium-Jahre. Sogar „Der Scheibenwischer“ kommt zum Einsatz: beide Hände vor dem Körper, Handflächen nach vorne, kreisende Bewegungen; Ausfallschritt links, Ausfallschritt rechts. Fehlt nur noch „Der Elefant“, bei dem man sich in die Nase zwickt und die andere Hand als Rüssel durch die entstehende Hand-Nasen-Schlaufe schiebt, während man wackelnd in die Hocke geht.

Das Name-Dropping des Millenniums

Dua Lipa ist selbstredend nicht das einzige 90er-Baby im Popzirkus. Da wären noch Ariana Grande (1993), Normani (1996), Charli XCX (1992), Troye Sivan (1995), Summer Walker (1996) und SZA (1990). Und natürlich orientieren sie sich nicht nur an Britney Spears. Das Namedropping der „New York Times“ lässt Erinnerungen wach werden: ‚N Sync, TLC, Destiny’s Child und Aaliyah.

Irgendwann kommt alles wieder. Wahrscheinlich werden in 20 Jahren in Musikvideos vermehrt Masken getragen und die Songs klingen nach Cloudrap-Genuschel und Trap-Tranigkeit. Vielleicht wünscht man sich dann Britney Spears zurück: „Hit me baby one more time!“